Dienstag, 12. Mai 2020

Meinungsfreiheit


Selbstverständlich befürworte ich die allgemeine Meinungsfreiheit.
Die Betonung liegt dabei auf dem  zweiten Wortteil; der Freiheit.
Das ist die große, positive Errungenschaft, die es zu schützen gilt.
Die Meinung selbst ist oft recht widerlich.

"Meinungen sind wie Arschlöcher, jeder hat eins und glaubt nur die der anderen stinken.“

Wegen der vielen stinkenden Meinungen ist die Freiheit derselben nicht absolut, sondern unterliegt gewissen Einschränkungen.

Diese Begrenzungen der Meinungsfreiheit können durchaus sinnvoll sein. Dafür ist der Paragraf 130, Volksverhetzung ein positives Beispiel.

(….) Von Deutschland aus betrachtet ist es immer wieder verwunderlich wie enttabuisiert in Amerika Hakenkreuze, KKK-Kapuzen, Hitlerbilder gezeigt werden, wie ungeniert Nazi-Gedankengut in die Welt posaunt wird.

Wir sind es nicht gewöhnt, daß Leute hier so rumspazieren, weil das bei uns unter „Volksverhetzung“ fiele und somit verboten ist.

§ 130 Volksverhetzung

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder

2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
a) verbreitet,
b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,
c) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder
d) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder
2. eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Absatz 2 gilt auch für Schriften (§ 11 Abs. 3) des in den Absätzen 3 und 4 bezeichneten Inhalts.

(6) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, und in den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend.

Als juristischer Laie scheint es mir schwammig zu sein wie und womit genau der öffentliche Friede gestört wird indem die Würde eines NS-Opfers verletzt wird.
Das ist nicht so ein schwammiger Gummiparagraph wie der unsägliche §166, der dringend abgeschafft gehört, aber es wäre nicht ganz abwegig zu argumentieren, daß zur Meinungsfreiheit auch gehört Unsinn über den Holokaust zu reden.
Ich kenne auch Juristen, die sagen, der § 130 (3) habe seine Berechtigung gehabt, aber da 70 Jahre nach Kriegsende kaum noch Opfer am Leben wären, könne man ihn auch auslaufen lassen.
Das allerdings bedeutete, daß Kinder und Enkel der Opfer nicht dadurch verletzt würden, wenn ein Verbrechen, welches in vielen Familien Dutzende Tote forderte bestritten wird.

Rechtsextreme Arier-Christen wie David Berger und viele AfD-Größen leben davon sich als Opfer zu inszenieren. Sie gaukeln ihren Mut als angebliche Tabubrecher vor und ergehen sich in Verschwörungstheorien, wenn eine Zeitung oder Internet-Plattform mal nicht ihre Hetze veröffentlichen will.
Von der „linksgrün-versifften Systempresse durchgesetzte Zensur“ schnauben sie dann unter Krokodiltränen. Man wird doch wohl noch sagen dürfen.

So erklärt sich ein Teil des AfD-Erfolges; einige Wirrköpfe halten es für besonders mutig in der Öffentlichkeit gegen Schwule, Schwarze, gegen Juden und Muslime zu poltern.

Dieser Erfolg ist umso ärgerlicher, als in der veröffentlichten Meinung die AfD-Themen extrem überproportional vorkommen.
Flüchtlinge, Ausländer, Asylanten lautet das Thema jeder zweiten Talkshow, in der inzwischen auch immer mit großer Selbstverständlichkeit ein AfD-Epigone für seine braune Truppe werben kann.
Im einzigen Merkel-Schulz-TV-Duell nahmen AfD-Themen die halbe Sendezeit ein, während Sozialpolitik und Bildung gar nicht angesprochen wurden.
Wäre es nicht vielleicht besser die AfD-Knalltüten ungehindert plappern und sich selbst entlarven zu lassen?
Sollen sie sich doch durch tumben Rassismus selbst entlarven.

Man kann aber auch die gegenteilige Position vertreten.
Demnach wäre der § 130 noch viel zu schwach, weil die Storchs, Bernd Höckes, Gaulands, Poggenburgs, Markus Frohnmaiers noch frei rumlaufen und zur Wahl stehen.

Ich neige inzwischen eher zu dieser Sichtweise und meine völkische Hetzer gehören in den Knast, weil sie die Hemmschwelle zur Gewalt bei vielen indifferenten Zuschauern runtersetzen. (…..)

Mein deutliches Ja zum §130 geht mit einem klaren Nein zum § 219a StGB, der sogar die Aufklärung über Schwangerschaftsunterbrechungen verbietet, dem berüchtigten Inzestparagraph § 173 StGB und dem oben genannten §166 einher.
Alle drei Strafrechtsparagrafen sind ganz großer Mist und gehören wie der am 01.01.2018 im Zuge der Böhmermann-Affäre gestrichene Strafbestand der Majestätsbeleidigung, §103 StGB dringend abgeschafft.

(…..) Der berüchtigte Gaga-Paragraph, welcher Blasphemie unter Strafe stellt.
 Ein Homunculus unter den Paragraphen, denn er stellt eine abstrakte Sache nur in Abhängigkeit von dem Aufschrei der Religioten unter Strafe.

Das heißt; ein und dasselbe Vergehen ist mal strafbewehrt, mal nicht.

§ 166 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Sage ich „Gott hat Hühneraugen“ und keiner steht auf, um zu versichern Gott habe wohlgeformte vollkommen Hühneraugen-freie Zehen, komme ich straffrei davon. 

Je mehr Vertreter der Gott-hat-makellose-Füße-Theorie sich aber empören und desto lauter sie dies tun, desto höher die Chance, daß ich in den Knast komme.

Gute Zeiten für Fundis, Irrationale und Krawallmacher - je hysterischer und exzessiver sie reagieren, desto eher bekommen sie ihren Willen.

Hätten Gott, Allah und Jahwe tatsächlich überzeugte Anhänger, wüßten diese, daß Gott nicht weniger allmächtig wird, nur weil ein Atheist dies behauptet.
Indem sie aber Gott zur potentiellen beleidigten Leberwurst herabstufen, demonstrieren sie, wie wenig sie glauben. 
Sie sind alle kleine Ratzingers, die sich lieber hinter Panzerglas verstecken und kleine Pfarrer, die lieber einen Blitzableiter gegen Gottes Blitze auf dem Kirchendach installieren. (…..)
(Der Minigott, 28.11.2014)

Es gibt also sinnvolle und nicht sinnvolle Einschränkungen der Meinungsfreiheit.

In der Aluhut-Szene wird Meinungsfreiheit allerdings dahingehend falsch verstanden, daß ihre Meinungen nicht nur frei geäußert werden sollten, sondern außerdem ein Recht bestünde diese Meinungen zu verbreiten und öffentlich belobigen zu lassen.

Das ist natürlich grober Unfug.
Die verrückte Eva Herrmann vom Ufologen-Verlag Kopp darf selbstverständlich ihre Meinungen zur Impflicht und Reptiloiden-Invasion unter deutschen Politikern haben, äußern und auch publizieren.
Sie hat aber kein Anrecht darauf dafür ausschließlich gelobt zu werden und ihre Ansichten über öffentlich oder privat finanzierte Medien zu ventilieren.

(…..)Die reaktionäre Fundi-Christin Eva Herman ist so ein unangenehmes Beispiel.
Ganz im Gegensatz zu den immer wieder von rechtsradikalen Quellen (Kreuznet und Co) auftauchenden Vorwürfen das politisch korrekte Deutschland habe ihr „Berufsverbot“ erteilt, ist die blonde Braune unglücklicherweise beruflich extrem aktiv.

Wir sind eben eine freie Gesellschaft und daher darf auch ein dunkeldeutsch frömmelndes Kreuznet-Liebchen tun was es will.
Sie publiziert, verkauft fast ein Dutzend Bücher unter ihrem Namen, spricht auf dubiosen Parteineugründungen, wird bei ultrakatholischen Kongressen als Rednerin engagiert und ist nicht zuletzt das mediale Gesicht des Kopp-Verlages.

Dort versammelt sich das Who-Is-Who der rechtsnationalen Verschwörungstheoretiker, Ufologen (z.B. Erich von Däniken), Islamhasser wie Udo Ulfkotte und Esoterik-Freaks.

„Der Verlag bezeichnet sich selbst als Verlag und Fachbuchversand für Enthüllungsliteratur, Verschwörungen und Geheimgesellschaften. Verlegt werden unter anderem Bücher zu Themen der Prä-Astronautik, der Ufologie, des Erfundenen Mittelalters, des Kreationismus, der Astrologie, der Geomantie sowie der Germanischen Mythologie, des Islamismus, der Freiwirtschaftslehre und „Enthüllungen“ wie zu sogenannten „linken Lebenslügen.“
(Wiki)

Wie schön wäre es, wenn Herman tatsächlich mit Berufsverbot belegt wäre.
Aber mit Kopp bildet sie eine perfekte Symbiose.
Der finanzstarke Verlag füttert sie und dafür liefert die angebräunte TV-Frau regelmäßig mit ultrabizarren Ansichten (Loveparade-Katastrophe war Strafe Gottes, etc) die PR für den vorher eher im Schatten vor sich hin modernden rechten Verlag.

Anfang Dezember meldete sie sich in der Causa Ken Jebsen zu Wort. (…..)

Verrückt; Herman frönt den lieben langen Tag ihrer Meinungsfreit. Gibt zu allem publikumswirksam ihre Meinung ab, veröffentlicht in den sozialen Medien, ihr liegen sämtliche „alternativen Medien“ zu Füßen und zudem veröffentlicht sie unablässig Bücher mit ihren Meinungen. Aber sie beklagt ihre Meinung nicht äußern zu dürfen.
Der Widerspruch ist so offensichtlich, daß es sich gar nicht lohnt darüber zu diskutieren. Aber in der Aluhut-Szene der Bergers, Hildmanns, Naidoos und Hermans sind Logik, Fakten und Kausalität grundsätzlich ausgeklammert.

[…..] Alle sagen alles, und jammern dann darüber, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt wurde
Doch wie es sich für eine ordentliche Idylle gehört, trügt der Schein. Als er neulich seinen Spargel kaufte, hörte Uffa Jensen, wie sich die Frau vor ihm darüber beklagte, dass sie fünf Fragen an Angela Merkel gerichtet, aber keine Antwort auf ihren Brief erhalten habe. Die Kanzlerin kümmert sich nicht um die Sorgen einer Bürgerin! Jensen war sprachlos über diesen wie selbstverständlichen Anspruch auf die ungeteilte Aufmerksamkeit der Bundeskanzlerin. Dann begann er nachzudenken.
Jensen ist Professor am Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin und hat ein Buch über "Zornpolitik" geschrieben und darin über die "Krise der politischen Emotionen". Dabei beschäftigt ihn nicht nur die Tatsache, dass es Verschwörungstheoretiker gibt, sondern viel mehr noch die Frage, warum ihnen zugehört wird. […..]

Die Hygienedemonstranten und sonstigen Corona-Querfrontler sollten der inkarnierte Beweis dafür sein wie extrem weit die Meinungsfreit geht.
Ihre durchaus gefährlichen Stink-Meinungen zirkulieren frei und ungehemmt, bestimmen sogar die politische Agenda.

Sie verwechseln aber immer wieder Meinungsfreiheit mit Weltherrschaft.
Sie äußern nicht nur ihre Meinungen, sondern verlangen auch noch wie Weltherrscher adaptiert zu werden. Jeder soll sich nur noch nach ihnen richten, sie lobpreisen und bewundern.

Dabei befinden sie sich auf dem Holzweg.
Ja, Attila Hildmann darf denken und sagen was er will über Corona, aber ich bin weder verpflichtet ihm zuzuhören, noch kann er mir vorschreiben seine Produkte zu kaufen.

Es gehört auch zur Freiheit, daß eine Reformhauskette Hildmann-Produkte aus den Regalen nimmt.
Sagen und meinen darf der irre Attila dennoch was er will.
Aber seine veganen Soßen kaufe ich deswegen nicht und er wird weder mich, noch private Handelsunternehmen dazu zwingen können ihn auch noch zu bezahlen.

[…..] Auf seinen Profilen in den sozialen Netzwerken geht Vegan-Koch Attila Hildmann wahlweise auf Politiker, Virologen oder Bill Gates los. „Alle Akteure bei Corona haben euch angelogen, Statistiken gefälscht und ALLES DETAILGETREU LANGE GEPLANT!“, schreibt der Vegan-Koch beispielsweise. Und wer seinen kruden Thesen widerspricht, ist ein „Meinungsfaschist“. Am Wochenende demonstrierte Hildmann unter anderem mit Reichsbürgern und anderen Verschwörungstheoretikern vor dem Reichstagsgebäude in Berlin, wurde dabei von Polizisten abgeführt.
[…..] Zwischen seinen kruden Postings macht er Werbung für seine veganen Produkte: Hildmann betreibt mehrere vegane Restaurants und verkauft bundesweit in Supermarkt- und Bioketten vegane Produkte, beispielsweise Nudelsoßen in Gläsern. […..] Das Reformhaus Engelhardt, das in Hamburg sowie in Schleswig-Holstein und Niedersachsen insgesamt 34 Filialen betreibt, nimmt Hildmanns Produkte aus dem Regal. Das erklärte Geschäftsführerin Cathrin Engelhardt auf Anfrage der MOPO. „Wir listen die Produkte aus. Wir klären, ob wir die Restbestände zurückschicken können.“ Am Freitag habe man alle Filialen über diesen Schritt informiert.
 „Wir distanzieren uns mit Entschiedenheit von Attila Hildmanns Verhalten und seiner Meinungsäußerung“, sagt Engelhardt. Zwar sei man ihm dankbar für sein Engagement für die vegane Ernährung, aber „wir glauben nicht, dass sein Verhalten mit seiner veganen Ernährung zu tun hat und halten es eher für ein psychologisches Problem.“ […..]

Zu meiner Freiheit gehört es in Zukunft lieber meine Belugalinsen und das Vanille-Pulver bei Engelhardt zu kaufen und nicht mehr bei der Biokette Denn's, die weiterhin Hildmann vertreibt.