Montag, 28. Oktober 2019

Thüringer Trübsal – Teil II


Das Überraschende an der gestrigen Landtagswahl in Thüringen, war wie wenig überraschend die Resultate waren.
Seit Wochen war in der politischen Berichterstattung mit Begriffen wie „Unregierbarkeit“ und „Simbabwe“ (die Flagge Simbabwes zeigt sieben Balken in den Farben Grün, Gold, Rot, Schwarz, Rot, Gold, Grün) operiert worden.
Bernd Höckes rechtsextremer Kurs war seit geraumer Zeit Gegenstand journalistischer Aufmerksamkeit.


Studien über weit verbreiteten Antisemitismus und rechtsextreme Weltanschauungen der AfD-Wähler wurden diskutiert, so daß man allgemein davon ausging, daß viele Thüringer ihren Ober-Nazi nicht trotz sondern wegen seines ekelerregenden Weltbildes wählen würden.
Wie auf Bestellung pöbelten prominente AfD-Parlamentarier ihre faschistischen Ansichten in die Kamera.


Da die Rekordergebnisse für die Faschisten lange antizipiert waren, versammelten sich bei allen drei zurückliegenden Wahlen überproportional viele anständige Wähler hinter dem jeweils amtierenden Ministerpräsidenten, weil sie die wichtigste Konkurrenzpartei der AfD stärken wollten:

·        Am 01.09.19 wurde die SPD mit 26,2% stärkste Partei in Brandenburg, um damit den amtierenden SPD-Ministerpräsidenten Woidke vor die AfD zu schieben.

·        Am 01.09.19 wurde die CDU mit 32,1% stärkste Partei in Sachsen, um damit den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Kretschmer vor die AfD zu schieben.

·        Am 27.10.19 wurde die LINKE mit 31,0% stärkste Partei in Thüringen, um damit den amtierenden LINKE-Ministerpräsidenten Ramelow vor die AfD zu schieben.

Das Muster ist offensichtlich. Man wählt diejenige Partei, die die größte Chance hat sich gegen die Nazis zu behaupten.
Ich halte das für ein Zeichen funktionierender Demokratie.

Unter diesen absehbaren Umständen war es nur logisch, daß die Juniorpartner der Regierungskoalition genau wie die anderen Oppositionsparteien Einbußen hinnehmen würden.
Grüne, Linke und SPD nahmen das hin, die FDP hatte es in Brandenburg und Sachsen gar nicht erst ins Parlament geschafft.
In Thüringen bekam die FDP aber denkbar knapp gerade mal fünf Stimmen über den Durst, zog mit 5,0005% ins Landesparlament ein und demonstrierte nur wenige Stunden nach der Auszählung wieso sechs Stimmen weniger besser gewesen wären.
Sie zeigte ihre demokratische Inkompetenz und gab den doppelten Lindner:
Keine R2G2-Koalition, keine R2G2–Tolerierung.
Die sogenannten Liberalen machen sich  - WIEDER – einen schlanken Fuß, wollen keine Verantwortung tragen, fürchten sich vor jedem Risiko und haben ganz offensichtlich rein gar nichts zum Allgemeinwohl beizutragen.

Verblüffender ist schon wie die ewige Thüringer Regierungspartei CDU angesichts des nur allzu erwartbaren Wahlergebnisses in den Hühnerhaufenmodus überging.
24 Jahre hatte die CDU mit den Ministerpräsidenten Josef Duchač, Bernhard Vogel, Dieter Althaus und Christine Lieberknecht ununterbrochen regiert und hat sich offenbar auch nach vier Jahren Rotrotgrün keinerlei Gedanken gemacht, was sie zukünftig beitragen will.

Mike Mohring mochte sich am Wahlabend gar nicht äußern, wurde dann vom Bundes-Generalsekretär Ziemiak regelrecht an die Wand genagelt: Kein Blinken nach links! bellte AKKS Wadenbeißer in jede Kamera.
Während andere Bundesparteien an jedem Wahlabend treuherzig bekunden wie demokratisch sie wären und daher keine Anweisung vom Bund erfolgten, sondern „die Freunde im Land selbstständig entscheiden“, bemühte sich Ziemiak erst gar nicht einen demokratischen Anschein zu bewahren, sondern trennte Mohring coram publico die Testikel ab: Das Konrad-Adenauer-Haus (KAH) entscheide, der frisch gewählte Kandidat in Erfurt habe sich zu fügen.

Nachdem er eine Nacht geschlafen hatte, dämmerte es Mohring, daß Abgeordnete eigentlich nicht an Weisungen der Partei gebunden sind, daß Kramp-Karrenbauer nicht mit diktatorischer Macht über ihn verfügen kann.

[…..] Das Wahlergebnis in Thüringen ist kompliziert, klare Bündnisse sind nicht zu erkennen - und entsprechend ratlos wirkte CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring am Wahlabend. Es seien jetzt neue Antworten nötig und seine Partei werde alles tun, um stabile Verhältnisse in Thüringen möglich zu machen, sagte er da.
Was genau er damit meint, konkretisierte Mohring am Tag nach der Wahl: Er werde ein Gespräch mit dem Wahlsieger, Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei, führen. CDU und Linke reden miteinander - das wäre ein Novum in Deutschland und für viele Konservative ein rotes Tuch. Vermutlich um seinen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, erklärte Mohring auch umgehend: Er werde aus staatspolitischer Verantwortung heraus nur mit Ramelow in seiner Funktion als Ministerpräsident reden - und nicht mit dem Vorsitzenden der Linken in Thüringen. [….]

Im KAH schäumten die Partei-Oberen! Demokratie ernst nehmen? Staatspolitische Verantwortung? Wählerwillen respektieren?
Das darf nicht sein und so pfiffen sie ihren Epigonen in der ostdeutschen Provinz zurück.
Mohring knickte sofort ein und fügte sich.

[….] In ihrer Pressemitteilung verwies die CDU nun wieder auf den Beschluss der CDU Deutschlands und Thüringens, nicht mit der AfD und der Linken zu koalieren. [….]

Nicht alle Thüringer CDUler sind so brav und folgsam.
Mohrings Vize Michael Heym hörte sich die nationalsozialistische Hetze, die Holokaustleugnenden Sprüche, den rabiaten Antisemitismus, den Hitler-Sprech, die stupide Menschenfeindlichkeit Höckes an und befand: Mensch, mit dem könnten wir Christen-Unionler doch auch prima regieren!

[….] Der stellvertretende thüringische CDU-Fraktionschef Michael Heym hat eine Zusammenarbeit mit der AfD und der FDP ins Gespräch gebracht. Heym sagte MDR Thüringen, alle Optionen müssten nach dem Wahlergebnis geprüft werden. Auch eine Koalition aus CDU, FDP und AfD könnte eine Mehrheit bilden. [….]

AKK hat offenbar vollkommen die Kontrolle verloren; man streitet sich munter in der CDU.
Offenbar ist es nicht nur eine Spezialität des Willy-Brandt-Hauses Chaos zu verbreiten und planlos-paralysiert auf politische Ereignisse zu reagieren.
Auf das KAH tappt desorientiert umher, hat keinerlei Pläne in der Schublade, kann keine Sprachregelungen ausgeben.
Dilettantismus überall.

Munter plappern sie alle durcheinander, ignorieren die Parteichefin.
Heyms „schwarzbraun-ist-die-Haselnuss“-Liebäugelei stört dabei offenbar niemand.
Mit Nazis paktieren? Halb so wild; das ist auf Gemeindeebene längst Usus bei der CDU.
Aber mit der LINKEN? Mit einem erfolgreichen Ministerpräsidenten, der als besonders frommer Christ durch Thüringens Kirchen tingelt?
Das darf nicht sein!

[….] Die Nervosität in der CDU wurde befeuert, weil sich Mike Mohring, ihr Landeschef in Thüringen, am Morgen scheinbar offen gezeigt hatte für ein Bündnis mit der Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Er schließe "keine Gespräche mit denen aus, die auf dem Boden der Verfassung stehen", sagte Mohring - und fügte hinzu: "Ich brauche ja nicht Berlin für die Frage, wie wir in Thüringen künftig Verantwortung für das Land übernehmen können."
Der Protest war umfänglich. "Wenn wir mit Linkspartei und AfD koalieren würden, dann braucht es uns nicht mehr", sagte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. "Wir müssen endlich Haltung zeigen statt Beliebigkeit", sagte der Chef der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann. "Mir sträubt sich wirklich alles, wenn ich an eine Zusammenarbeit der CDU mit der Linken denke", sagte der baden-württembergische Landeschef Thomas Strobl. Sein Generalsekretär Manuel Hagel sagte: "Wer an dieser Stelle offen ist, ist womöglich nicht ganz dicht." [….]

Eine derartig intellektuell überforderte Kramp-Karrenbauer, die nun erst mal mit ihrer eigenen Partei streitet, ist eigentlich ein gutes Zeichen für die SPD und 2021.

Dem Land und insbesondere Thüringen hilft es natürlich nicht.