Sonntag, 6. Oktober 2019

Wo bist Du, Willy-Brandt-Haus?


Ein Vorteil des Internets ist, daß man Newsletter aus den verschiedensten Ecken des politischen Spektrums bestellen kann.
Unabhängig von meiner persönlichen Sicht der Dinge, ist es faszinierend wie Parteien versuchen das Tagesgeschehen mit ihrem eigenen Spin zu beschreiben.

Das geht immer leicht, wenn positive Neuigkeiten zu berichten sind. Ein Wahlsieg einer befreundeten Partei in fernen Ländern, die Neubesetzung eines internationalen Postens, Geburtstags- oder Feiertagsglückwünsche.
Sehr gern verbreiten Parteizentralen diese Dinge weiter – versehen mit dem CDU- oder SPD-Logo, in der Hoffnung, möglichst viele Leser mögen den Sieg einer Fußballmannschaft mit der eigenen Partei assoziieren.

Es eignen sich aber auch Unglücke und Todesfälle von internationalem Interesse, um in Pressemitteilungen weiterverarbeitet zu werden. Vordergründig ehrt man den Verstorbenen oder die Opfer, aber außerdem nutzt man die generierte Aufmerksamkeit aus.

Die Bundestagsparteien bis auf die AfD sind in dieser Disziplin allesamt nur mittelmäßig erfolgreich. Letztere hingegen ist so skrupellos und perfide, daß sie sich auf jede Straftat und jedes Unglück sofort per Twitter draufsetzt, um unabhängig von Fakten und Pietät, ohne Rücksicht auf Opfer, sofort Hass zu schüren und damit Werbung für sich selbst zu machen.
Bedauerlicherweise sind die Braunen damit sehr erfolgreich. Weder Presse noch die Konkurrenzparteien haben bisher ein Mittel gegen diese perfide Verbreitung von Fake News gefunden.

Mein Emailpostfach ist aufgrund des stattfindenden Bewerberverfahrens für den Parteivorsitz erwartungsgemäß besonders gut mit SPD-Meldungen gefüllt.
Selbstverständlich werden die Mitglieder laufend über die Wasserstände, Veranstaltungen und Wahlmodi informiert.
Demokratie at it’s best.

Interessant ist aber auch, zu welchen Themen man überhaupt keine Newsletter oder Pressemitteilungen bekommt.
Offenbar gibt es immer wieder Politereignisse, die dem Willy-Brandt-Haus peinlich sind.
 Oder ihnen fällt keine Sprachregelung ein.
Oder sie wissen nicht wie man den Spin in eine für die SPD positive Richtung drehen kann.
Für mich ist dieses fortgesetzte Wegducken der Parteiführung ein einziges Rätsel.

Natürlich sieht das Klimapaket schwach aus. Große Mehrheiten der Bevölkerung halten den Kompromiss für viel zu halbherzig, hätten sich deutlich weitgehendere Schritte erhofft.

Das war wirklich nichts.

(…..) Als Verteidiger der Großen Koalition habe ich es gerade sehr schwer. Zwei Tage musste ich nach Luft schnappen bevor ich einen Satz zum Klimapäckchen schreiben konnte.
Als Blogger pflegt man eine derbere, lockere Sprache als renommierte Printjournalisten; also, wie soll ich das übertreffen, wenn schon die biedere Tagesschau Mit Klimaschutz hat das nichts zu tun! schreibt, der SPIEGEL titelt Gute Nacht. Ein Desaster und Experten von „Klarem Politikversagen“ sprechen?

Ich schüttele so viel mit dem Kopf, daß ich dauernd Aspirin einwerfen muss.

[……] Niemand scheint mit den Plänen des sogenannten Klimakabinetts zufrieden zu sein. Umweltverbände und Wirtschaftswissenschaftler, Klimaforscher und Demonstranten , Kommentatoren nahezu quer durch die Medienlandschaft sind sich einig: Das war nichts.
Der Kern des Kompromisses ist, wie das bei Parteien, die um ihre Wiederwahl fürchten müssen, zu sein pflegt: Wir tun ein bisschen gegen unseren CO2-Ausstoß, aber keine Sorge, lieber Wähler: Du wirst davon gar nichts merken! Nur nicht den "kleinen Mann" verärgern. Auch, wenn man die eigenen Ziele so unmöglich wird einhalten können.
Angesichts von geschätzten eineinhalb Millionen Demonstranten allein in Deutschland und vielen Millionen rund um den Globus, von Bangladesch bis Uganda, von Tasmanien bis New York, erscheint das arg kümmerlich. [….]

Diese aberwitzige Hasenfüßigkeit bei einem Thema, das so viel Zustimmung erfährt. 88 Milliarden Euro betragen die jährlichen Subventionen für die KfZ-Industrie und wenn Autofahrer ein winziges bißchen belastet werden sollen für einen absolut Menschheits-überlebenswichtigen Zweck, knicken die Koalitionäre in vorauseilendem Gehorsam ein.

[…..] Der magere Preisanstieg an der Zapfsäule verbunden mit der höheren Pendlerpauschale führt bei spitzenverdienenden 50-km-Pendlern dazu, dass sie ihren großen SUV behalten können und - zumindest am Anfang - sogar noch daran verdienen! Wer für Mindestlohn pendelt, der zahlt drauf.
Das ist weder sinnvoll noch sozial. [….]

Die Inkarnation des Problems ist Angela Merkel, die völlig unverantwortlich handelt, indem sie nur ihre eigene Amtszeit im Blick, aber keinesfalls das Format zur Kanzlerin hat. (…..)

Nach zwei Wochen zeichnet sich ab, daß die Groko sogar noch hinter diese erbärmlichen Ergebnisse zurückfällt.

Noch nicht mal die Kontrollmechanismen und Vorgaben für die einzelnen Ressorts wurden gehalten. Alle konkreten Zahlen für den CO2-Verbrauch wurden gestrichen.


Und bei den Flugtickets sollen nun gewaltige DREI EURO Aufpreis das Verhalten der Menschen ändern?

[….] Fliegen teurer machen und Bahnfahren im Gegenzug billiger. Unter anderem damit will die Bundesregierung ihre Klimaziele erreichen. Aus dem Finanzministerium liegen jetzt erste Zahlen zur Steuererhöhung vor.
Erklärtes Ziel der Bundesregierung für mehr Klimaschutz ist es, fliegen zu verteuern. In einem Entwurf des Finanzministeriums werden erstmals konkrete Zahlen genannt. Die Steuererhöhung beliefe sich demnach je nach Streckenlänge auf drei bis 17 Euro. Die Änderung ist zum 1. April 2020 geplant. [….]

Niemand kann solche Maßnahmen als vernünftig bezeichnen.
Deswegen schweigt sich das WBH offensichtlich aus.

[…..] Regierung schwächt Klimaschutzziele deutlich ab.
Die Bundesregierung will bereits am kommenden Mittwoch ihr Klimaschutzgesetz verabschieden. Ein Entwurf, der dem SPIEGEL vorliegt, fällt deutlich hinter die bisherigen Pläne zurück. […..]

Es ist mir aber unerklärlich wieso sich die SPD in dieser Angelegenheit ausschließlich als Teil der Bundesregierung wahrnimmt.


Die SPD scheißt in jede Hose, die man ihr hinhält, sagte schon der große Dieter Hildebrandt zutreffend.

Man kann doch aber regieren, den Ministern die Koalitionsergebnisse überlassen und gleichzeitig als Partei bewerten, wie man den Kompromiss realistisch einschätzt, wieso er notwendig war, aber eben auch was man getan hätte, wenn die SPD allein regierte und bei welchen Punkten sich CDU/CSU durchsetzten.

Die SPD könnte beides haben, wenn sie in der Lage wäre Öffentlichkeitsarbeit zu machen: Erklären, wieso man in der Groko ist, also weshalb die Kompromisse besser für das Land sind, als CDU/CSU/FDP/AfD-Politik ohne sozialdemokratischen Einfluss und ohne sozialdemokratische Minister.
Und gleichzeitig betonen wie weit eben die Kompromisse hinter dem Notwendigen und Möglichen (bei einer SPD-geführten Regierung) zurückliegen.

Das Klimapaket ist nicht völlig wirkungslos und immerhin konnte die SPD gegen die mauernde Union, die zahlenmäßig sehr viel stärker ist, einiges rausholen.

[….] Über allem hing ein Grundkonflikt, den Kanzleramtsminister Helge Braun vor Beginn der Marathonnacht Unionsabgeordneten deutlich gemacht hatte. Teilnehmer berichten, Braun habe erklärt, dass die Union alles ablehnen werde, was nach Verbot aussehen könnte. Stattdessen sei sie für Anreize, wolle Impulse setzen und Veränderungen im Verhalten anregen, aber keinen Zwang ausüben. Die SPD dagegen verlange auch Verbote und Begrenzungen, etwa, indem der Einbau neuer Ölheizungen von einem bestimmten Datum an verboten werde. Nichts macht deutlicher, welche Grundüberzeugungen in dieser Nacht verhandelt wurden. Am Ende mit einem Paket, in dem es das eine wie das andere gibt, aber so abgeschwächt, dass es fürs Erste niemandem wehtut. [….]

[….] Die CSU, bisher vom Anspruch beseelt, nichts verbieten, aber alles anreizen zu wollen, stimmte plötzlich einem Verbot zu, wie es die SPD gefordert hatte. Die Union war bereit, verdeckte Steuererhöhungen in Kauf zu nehmen. Nichts anderes ist der Einstiegspreis für den Handel mit Emissionsrechten für Gebäude und Verkehr. Für die Anhänger der Union mag das ernüchternd sein. […..]

Damit wirbt man für die SPD, schiebt aber auch den Unions-Parteien den schwarzen Peter zu, der ihnen gebührt.

Ich verstehe es einfach nicht, wieso sind die Top-Sozen so versessen auf den Schwarzen Peter, daß sie ihn begeistert für sich reklamieren, während sie die C-Minister vom Haken lassen, um den Ruhm einzustreichen?