Freitag, 26. Juli 2019

Wer vögeln will, muss freundlich sein


Der im Titel genannte Banal-Zusammenhang ist offensichtlich.
Aber dieser alte Spruch wurde durchaus auch wissenschaftlich untersucht.
Sinnlose Studien gibt es für alles.

[….] Eine kanadische Studie belegt nun, dass freundliche Menschen als attraktiver wahrgenommen werden und dadurch auch mehr Sex haben.
Die große Frage, der Wissenschaftler der Universitäten von Guelph und Nipissing nachgingen, war dabei recht simpel: Wer hilft anderen Menschen regelmäßig und wer nicht.
Rund 800 Männer und Frauen machten bei der Studie mit, berichtet „sciencedaily.com“. Sie sollten angeben, ob sie Geld oder Gewinne für gute Zwecke abgeben oder Blut spenden würden, ob sie Fremden über die Straße helfen oder für ihre Kameraden da seien.
Das Ergebnis: Je hilfsbereiter die Menschen, desto häufiger haben sie Sex, desto mehr Sexpartner haben sie und desto attraktiver wirken sie grundsätzlich auf das andere Geschlecht. […..]

Bei der Partnersuche im Bereich der Fauna gibt es neben den Männchen, die sich als besonders stark und schön präsentieren, daher auch diejenigen, die durch Fürsorglichkeit überzeugen.
Sie bringen dem Weibchen ein Geschenk, bauen eine Höhle oder versuchen mit einem schönen Nest  zu beeindrucken.

Außerdem gibt es bei Tieren Sexualdimorphismus, so daß die Männchen schöner oder aber sehr viel kräftiger sind, wie bei Robben und Rindern.
(Seltener sind die Weibchen größer; das kommt bei Eulen, Reptilien, Kröten und Gliederfüßern vor.)
Wenn die Kraftverhältnisse so heterogen sind wie bei Seeelefanten, muss Herr Seeelefant auch nicht mehr nett sein.  Ein Bulle kann 6½ Meter lang und 3500 Kilogramm schwer werden, eine Kuh nur 3½ Meter und 900 Kilogramm.
Der Bulle poppt alles, das er kriegen kann und muss sich nicht erst einschmeicheln.

Eine Unterart des Sexualdimorphismus gibt es auch in der Politik.
Der Bremer Bürgermeister und der Regierungschef von NRW sind beide Ministerpräsidenten und gehören somit zur gleichen Gattung.
In Wahrheit ist aber Laschet so viel mächtiger als Sieling, daß er die Interessen seines Bundeslandes leicht durchsetzen kann.

Das gilt auch für die internationale Ebene. Deutschland ist in der EU die stärkste Macht, die USA sind es in der NATO.
Die beiden können sich oft ohne Rücksichtnahme auf die Kleinen durchsetzen.
Deutschland kann Griechenland vögeln und die USA können Polen vögeln.

Üblicherweise benehmen sich demokratische Nationen aber nicht ganz so wie ein mit Testosteron vollgepumpter Seeelefant.
Sie führen zwar an, lassen die anderen aber mitreden und berücksichtigen Partikularinteressen.
So schoss die Sowjetunion 1978 Sigmund Jähn in der Raumkapsel Sojus 31 zusammen mit Waleri Fjodorowitsch Bykowski zur sowjetischen Raumstation Saljut 6.
Natürlich hätte die damalige Weltraum-Supermacht das alles einfacher haben können, indem sie nicht extra Hobby-Astronauten aus der minikleinen DDR mitschleppt.
Aber es hatte strategisch gesehen auch viele Vorteile Jähn diese Ehre zu erweisen.
Die DDR war wahnsinnig dankbar, die beiden Länder fühlten sich einander noch verbundener und schließlich war es auch ein Stellvertreter-Erfolg, weil damit ein Sozialist aus der DDR erster Deutscher im All war und nicht etwa ein kapitalistischer BRD-Deutscher.
Wenn Große Kleinen gegenüber freundlich sind, hebt das die Stimmung und außerdem kann man vielleicht eines Tages einen Gefallen einfordern.

Frühere Bundeskanzler haben sich innerhalb der EU stets große Mühe gegeben nicht als größte Wirtschaftsmacht zu protzen, sondern sich einzubringen, Achsen zu bilden, gemeinsame Interessen zu formulieren.
Angela Merkel ist die erste Nachkriegsregierungschefin, die diesen Pfad verließ und bei der Frage der sogenannten „Euro-Rettung“ mit Gewalt den Berliner Willen durchsetzte.
Ihr Intimus Kauder betonte „Man spricht wieder deutsch in Brüssel“ und Finanzminister Schäuble zwang die überschuldeten Süd-Länder auf gnadenlosen Austeritätskurs.
Das war zwar ökonomischer Irrsinn, der nur Banken und Gläubiger befriedigte, aber der griechischen Wirtschaft schwer schadete, aber es war populär bei den Wählern. Was sollte es das große reiche Deutschland kümmern, wenn Athen genervt war und sein Tafelsilber verkaufen musste?
Genauso verhielten sich die deutschen Bundesinnenminister Friedrich und de Maizière in der Frage der Flüchtlingspolitik, als Griechenland und Italien ächzten, weil natürlich die vielen Bürgerkriegsflüchtlinge bei ihnen ankamen und nicht etwa im von EU-Staaten umgebenen Deutschland.
Jahrelang baten sie um Hilfe, jahrelang lachte Berlin sie aus und verwies auf „Dublin“ – sorry, das Land, in dem die Asylsuchenden das erste mal EU-Boden betreten muss sich um sie kümmern.

Es ist nicht so, daß Merkel und die CSU-Minister nicht gewarnt worden wären.
Eindringlich und vollkommen einig sprachen sich die Vorgänger Schmidt, Kohl und Schröder, aber auch Außenpolitik-Großkenner wie Horst Teltschik immer wieder dafür aus, die innereuropäischen Beziehungen zu pflegen, Rücksicht zu nehmen, auf Frankreich zuzugehen.
Merkel und die Unionsgrößen war es egal. Man fühlte sich so mächtig, daß man es nicht mehr nötig hatte auf andere zu hören.
Aber dann kam 2015.
Nun hatte auf einmal Berlin die Probleme, mit denen es zuvor Jahrelang die griechischen und italienischen Inseln allein gelassen hatte.
Plötzlich wollte Deutschland Solidarität, einen EU-Verteilerschlüssel und erntete ein herzliches „ihr könnt uns mal!“

Wenn man als 3,5 Tonnen schwerer Deutschelefantenbulle jahrelang alle kleinen Kühe vergewaltigt, wird man ausgelacht, wenn man eines Tages einen Splitter in der Flosse hat und die kleinen Damen aus dem Süden bittet ihn rauszuziehen.

Mächtig wie ein Bulle fühlt sich auch Boris Johnson.
Die anderen 27 EU-Staaten sollen nach seiner Pfeife tanzen und wenn sie das nicht täten, werde man eben vertragsbrüchig und behalte die 39 Milliarden Euro Schulden ein, die London noch bei Brüssel hat.
Ätsch. Der neue Insel-Premier glaubt damit der Stärkere zu sein.

Besonders weit denkt er aber nicht.
Denn erstens haben die anderen 27 Jahrzehnte unter britischen Sonderwünschen und Großmannssucht gelitten. Immer waren es die Vertreter Londons, die sich auf EU-Gipfeln quer stellten, Sonderrabatte und Extra-Konditionen verlangten.
Nun stehen sie da wie Merkel 2015, die auf einmal gequält lächelnd die anderen bat doch mal nett zu sein, als sie Sex wollte.
England war auch nicht nett zur EU und nun will keiner mehr mit ihnen Geschlechtsverkehr haben.

Das ist umso bedauerlicher, da Großbritannien nach dem Austritt aus der EU dringend andere Handelsabkommen braucht, um den Verlust der Absatzmärkte zu kompensieren.
Noch nicht mal elementarste Hausaufgaben konnte London erledigen

[….] Die EU unterhält mehrere Hundert Abkommen mit Drittstaaten, über den Luftverkehr, Nuklearsicherheit und -forschung, Fischerei, Industrie- und Lebensmittelstandards oder den Umweltschutz. Der wichtigste Teil aber sind die rund 40 Freihandelsverträge. Bis zum Brexit-Termin am 29. März, das hatte der britische Handelsminister Liam Fox noch im Herbst 2017 versprochen, werde er jeden einzelnen von ihnen neu abgeschlossen haben. Man müsste die Verträge mit den Drittstaaten einfach nur auf Großbritannien umschreiben. Ein Klacks.
Doch die Operation Copy-and-paste kommt kaum vom Fleck - das beweist ein Schreiben der britischen Regierung an die EU-Kommission, das dem SPIEGEL vorliegt. [….] Demnach konnte die britische Regierung bisher lediglich sechs der 40 Handelsverträge umschreiben. Einig sind sich die Briten mit:

    Chile,
    der Schweiz,
    dem ost- und südafrikanischen Handelsverbund ESA,
    den Färöer-Inseln,
    Israel,
    Liechtenstein,
    der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Damit ist klar, wie schwer die Briten es haben, andere Länder zum Kopieren ihrer Abkommen mit der EU zu überreden. [….] Zudem zählen die bisherigen sechs Partner nicht gerade zu den Giganten des internationalen Handels. Entsprechend wenig könnten sie dabei helfen, die Folgen eines No-Deal-Brexits für die britische Wirtschaft zu dämpfen. Bei den größeren EU-Handelspartnern kommen die Briten dagegen kaum weiter. Im Gegenteil: Mit zweien - der Türkei und Japan - sind die Gespräche inzwischen gescheitert, wie aus Barrows Tabelle hervorgeht. Mit Mexiko, Kanada und Südkorea verhandelt London noch.
Mit den USA geschieht derzeit nicht einmal das. Unter "Handel" tauchen auf Barrows Liste keine Gespräche mit Washington auf. Der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer hat aber kürzlich schon ein paar Bedingungen diktiert. Sollte er sich damit durchsetzen, müssten sich die Briten nicht nur auf Chlorhühnchen gefasst machen. Sie könnten womöglich auch keine Handelsverträge mehr mit Ländern ohne freie Marktwirtschaft abschließen - etwa mit China. "So viel zum Thema, die Kontrolle zurückzugewinnen", lästerte der "Guardian" über das "Taking back control"-Mantra der Brex [….]

Das große ehemalige Weltreich, das Empire will also in Zukunft im Zollchaos seinen Außenhandel auf die Färöer-Inseln, Liechtenstein, und die Palästinensische Autonomiebehörde stützen.

Wie soll Johnson eigentlich weitere Handelsabkommen schließen, wenn er mit der 39-Milliarden-Erpressungsdrohung jedem zukünftigen ökonomischen Partner beweist:
Ich bin nicht seriös, ich lüge, ich halte keine Handelsverpflichtungen ein, ich erpresse, auch mich kann man sich keinesfalls verlassen?

Johnson ist nicht nur nicht freundlich, sondern er ist verglichen mit den USA, China und Japan auch keineswegs ein übermächtiger Seeelefantenbulle, der sich zum Vögeln einfach ohne Rücksicht auf Verluste aufdrängen kann.

London wird gewaltig gegen die Wand krachen.

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