Montag, 24. September 2018

Als ich mal Kapitalist werden wollte.

Wenn ich auf mein Geburtsdatum gucke ist eins klar: Die längere Zeit meines Lebens liegt hinter mir.
Gesundheitlich geht es bergab, Kinder, die ich später mal anbetteln könnte, habe ich nicht.
Die öde Begriff Alterssicherung, dieses unglaublich spießige Wort, nichts könnte weniger sexy sein, spukt in meinem Kopf herum.
Das war wirklich ein Vorteil ein Jugendlicher zu sein. Solche Begriffe spielten keine Rolle. Man kannte sie entweder gar nicht, oder aber man assoziierte sie nicht mit einem selbst.

Eine Schulfreundin, die von ihren Eltern mit Anfang 20 etwas Geld vorab „erbte“, weil diese ihr großes Haus verkauften und in eine Wohnung zogen, kaufte damals, es muss so ungefähr 1990 gewesen sein, zusammen mit ihrem Verlobten ein Reihenhaus am nordöstlichen Rande Hamburgs. Kurz vor Pinneberg.
Im Erdgeschoss gab es Marmorfliesen, so daß jeder Besucher hartnäckig schon vor der Tür genötigt wurde die Schuhe auszuziehen und nur in weichen Socken über die makellosen fußbodengeheizten weißen Fliesen zu gleiten.
Und zum Rauchen auf die Terrasse. Ebenfalls auf Socken. Schon ein Nikotin- oder Teer-Molekül könnte schließlich einen wertmindernden Schleier auf die frisch geweißte Raufaser legen.

Das gab uns anderen für Jahre Stoff, um uns die Münder fransig zu lästern.
„Hast Du Dir auch die Schuhe ausgezogen“ fragte ich als runnig gag gelegentlich meine Besucher, die natürlich sofort wußten auf wen das gemünzt war. Und dann ging es los:
Wer verlobt sich denn bitte heutzutage noch? Spießiger geht es ja wohl nicht. Und das in dem Alter. Und wer zieht in DIE Gegend? Da möchte man ja nicht mal tot und begraben sein. Wie sollte man eigentlich als normaler Alkoholiker diese Fahrtstrecke bewältigen?
Und ein Reihenhaus, oder „Reihenendhaus“ – darauf legten sie Wert – mit 25? Zumal in derselben Reihe auch die zukünftigen Schwiegereltern eine dieser völlig gleichen Buden bewohnten.
Ich bin eine treue Seele, habe mich immer sehr geduldig und solidarisch gegenüber meinen Freunden verhalten. Aber in diesem Fall half nach vielen, schrecklichen langweiligen Geburtstagen und sonstigen Partys in dem marmorgefliesten Reihenhaus leider nur das große Schisma. Ich lud die beiden eines Tages zu mir ein und erklärte freundlich aber bestimmt bei einem Glas Weißwein, daß ich in Zukunft keinen Kontakt mehr mit ihnen haben wolle; wir hätten offensichtlich keine Gemeinsamkeiten. An dem Abend fiel auch aus ihrem Munde das schöne Wort „undeutsch“, gemeint ganz offensichtlich als Beleidigung.
Wir haben uns tatsächlich nie wieder gesprochen und ich bin immer noch gern undeutsch. Die beste Entscheidung meines Lebens. Da habe ich weise voraus gedacht.
Von solchen Mitmenschen muss man sich in seinem persönlichen Umfeld befreien.

Mit einem hätte ich aber nie gerechnet: Ein Vierteljahrhundert später beiße ich mir in den Hintern, daß ich nicht damals auch eine Immobilie angezahlt habe.
Das wäre was! Damals waren die Preise vergleichsweise spottbillig, ich hätte die Bude inzwischen längst abgezahlt und sie wäre inzwischen das Dreifache wert.
Damit wäre meine Alterssicherung erledigt. Ich könnte entweder mietfrei wohnen, das Haus selbst vermieten oder aber das Ding jederzeit zu einem großen Haufen Geld machen.

Verdammt noch mal, wer hätte damals geahnt, daß diese CDU-affinen Schuhe-aus-Verlobten mit den Marmorfliesen RECHT HATTEN so früh eine Immobilie zu kaufen?
Ein abgezahltes Reihenendhaus im inzwischen hochbeliebten Hamburger Speckgürtel: Dort wo seit zehn Jahren die Immobilienpreise explodieren.

Leider kommt mir diese Erkenntnis ein Vierteljahrhundert zu spät. Jetzt sind sowohl die Mieten als auch die Kaufpreise für Immobilien in Hamburg in astronomische Höhen geklettert.
Ein ganzes Haus zu kaufen liegt weit außerhalb meiner finanziellen Möglichkeiten. Außerdem bin ich jetzt schon so alt, daß sich die Banken anstellen, weil Immobilienkredite möglichst mit dem Eintritt des Rentenalters (65, 66, 67) abgezahlt sein sollen.
Das wird verdammt knapp bei mir. In Hamburg kosten kleine Eigentumswohnungen inzwischen rund 35 Jahresmieten. In 35 Jahren gucke ich mir die Radieschen aber mutmaßlich längst von unten an.

Irgendeine Alterssicherung muss ich aber mangels Familie betreiben; zumal ich fast nie in meinem Leben angestellt war und meine BfA-Auskünfte immer eine voraussichtliche Rentenhöhe unter 50 Euro ausspucken. Das reicht nicht zum Leben.

Mein Ausweg sollte der Kauf einer kleinen Einzimmerwohnung sein. Eine Neubauwohnung ist genauso unbezahlbar wie eine sehr zentral Gelegene.
Es bleiben also leicht runtergerockte Wohnungen in B-Lagen aus den 1950ern bis 1970ern in möglichst großen Wohnungseigentümergemeinschaften (so daß die laufenden Sanierungskosten einen nicht auffressen).
Nach Möglichkeit kennt man privat Handwerker verschiedener Gewerke, die einem dann dabei helfen das Teil vor der ersten Vermietung in Schuss zu bringen.

Als Anfänger darf man nur eine Wohnung in der Stadt kaufen, die man wirklich gut kennt und deren Stadtteile man ganz genau beurteilen kann. Prima wäre etwas Innenstadtnahes wie St Georg, Winterhude, Eppendorf, aber das ist inzwischen genauso unmöglich zu bezahlen wie die Luxusstadtteile Rotherbaum, Harvestehude oder Uhlenhorst.
Sogar ehemalige reine Arbeiterstadtteile wie Barmbek, über die ich noch die Nase rümpfte, als ich anfing zu studieren, sind heute superhipp. Da gibt es kein Angebot mehr.

Inzwischen habe ich mir Gegenden von Hamburg angesehen, in denen ich vorher noch nie gewesen bin und staunte über die Myriaden Wohnungen, die dicht an dicht gebaut auch da rumstehen, wo wirklich nichts los ist.

Wohnungsbesichtigung für 1-Zimmerwohnungen im Preis von 100.000,- bis 150.000,- in leicht vergammelten Gelbklinkerbauten aus den 1960ern laufen heute so wie zu meiner Uni-Zeit Besichtigungen von Mietwohnungen. Die Interessenten kommen im 10-Minutentakt und müssen nicht nur sofort zusagen, sondern auch bereit sein die anderen zu überbieten.
Wer noch in Ruhe vorher die Unterlagen (Wohngeldabrechnungen, Eigentümerversammlungsprotokolle, Teilungserklärung,…) durchlesen will, hat schon verloren.
In irgendeinem Ratgeber („Augen auf beim Wohnungskauf“) steht, man solle als Laie einen Gutachter von der Handwerkskammer beauftragen, der sich das Objekt gründlich anguckt und nach versteckten Kostenfallen guckt. Könnte ja irgendwo Schwamm im Gebälk sein, der Keller durchfeuchtet oder die Heizung marode sein.
Zu dem Tipp kann ich nur sagen: Hahahaha! Wenn ich in Hamburg einem Verkäufer einer Einzimmerwohnung sage, daß ich erst einen Fachmann alles abklopfen lassen will, hat er die Bude schon dem nächsten Interessenten vertickt, bevor ich eine Antwort bekomme.
Als Kaufinteressent muss man außerdem die Makler gleich schriftlich nachweisen, daß man die Kaufsumme aufbringen kann. Wer erst nach der Wohnungsbesichtigung zur Bank geht, hat schon verloren.

In dem Punkt verhielt ich mich mustergültig, bat bei zwei Banken um einen Beratungstermin mit der Immobilienabteilung, um da mal gründlich meine Hosen runterzulassen, so daß ich für den Fall, daß Immobilienscout24 plötzlich die passende Bude offeriert dem Anbieter sofort sagen kann „nehme ich, Finanzierung ist geklärt!“.

Die Immobilienberaterin der Deutschen Bank war sehr freundlich, konnte mir aber nicht helfen, weil sie in eine andere Größenordnung gehörte. Offensichtlich werden bei ihnen die Berater nach Reichtum der Kunden gestaffelt.
Wer eine Millionen Euro-Kredite vergibt, ist nicht für arme Schlucker wie mich zuständig, die „nur“ 100.000,- haben wollen für eine Minibude.
Der Herr für die Kleinstkredite war aber sehr beschäftigt, rief mich nie zurück, schickte keine Mails.
 Ich Depp. Ich hätte die Deutsche Bank nicht um 100.000,- bitten sollen, sondern lieber um eine Milliarde Euro, wie sie Trump bekommen hat. Wenn es mehr als neunstellig wird, scheint ja nicht mehr so genau hingesehen zu werden und es stört ja offenbar auch gar nicht, daß Trump seine Milliarde nicht zurückzahlt an die Deutsche Bank.

Da ich nicht weiterkam, wandte ich mich an die Commerzbank. Nicht aus Überzeugung, sondern weil das zufällig die nächste Bankfiliale ist.
Dort bekam ich am gleichen Tag einen Rückruf. „Unser Immobilienfachmann würde sich gerne mit ihnen treffen am…“
Immerhin. Inzwischen hatte ich alle meine finanziellen Unterlagen, eine detaillierte Selbstauskunft mit Einnahmen und Ausgaben akribisch erstellt und auch ein farbig ausgedrucktes Exposee für eine zugegeben extrem vergammelte und übel geschnittene Wohnung im Norden Wandsbeks dabei. Die Gegend war gut, sehr ruhig gelegen, aber nur drei Minuten zu Fuß zum großen Einkaufszentrum und dem U-Bahnhof.
Die Bruchbude sollte nur 107.000,- kosten, also inklusive aller Nebenkosten mit Renovierung vermutlich um die 125.000,-. So mal als Rechengröße. In Wahrheit wollte ich die Wohnung gar nicht, da sie tatsächlich zu kaputt war, aber irgendwas musste ich dem Commerzbanker ja zeigen.

Wie sich herausstellte, verfügt auch die Commerzbank gar nicht mehr über eigene Immobilienexperten. Die wurden alle schon vor langer Zeit von schlauen 23-Jährigen Controllern, die frisch von der Uni kamen, rausgeworfen und gegen halbselbstständige Externe ausgetauscht.
Der Mann, mit dem ich sprach, stammte aus Braunschweig und arbeitete für Wüstenrot – mit Zuständigkeit Hamburg. „Über Wandsbek brauchen sie mir nichts zu sagen, das kenne ich gar nicht, in Hamburg ist sowieso alles A-Lage!“
Ach was? Location, location, scheißegal?
Es folgte ein 17-Seitiger Beratungsbogen, der meinen „Finanztyp“ herleiten sollte. Möchte ich eher Sicherheit und wenig Rendite, oder mehr Risiko?
Was soll man schon dazu sagen, wenn man dem Typen gegenüber sitzt, der über die Kreditvergabe entscheidet?
 - Nein, ich bin ein Hallodri, der nur ab und zu seine Rechnungen bezahlt?
Nach meinen eigenen Auskünften hätte ich eigentlich in die CDU gehört.
Ihn beeindruckte das alles wenig, weil er, wie er stets versicherte, nicht persönlich entscheide, sondern sein Programm.
So war beispielsweise mein Auto ein echtes Problem.
In der Wüstenrot-Maske werden für Immobilienkäufer KfZ-Kosten von monatlich 100 Euro aufwärts angesetzt.
 Ich gebe aber nur 50 Euro aus. Laut Wüstenrot geht das aber nicht.
Was tun? Meine Selbstauskunft mit höheren Ausgaben versauen?
Was kann ich dafür, daß ich seit 30 Jahren unfallfrei fahre und eine so günstige Schadensfreiheitsklasse habe, daß ich kaum Versicherungen zahle, daß ich nur so wenig Kilometer mache, daß ich wenig Benzin tanke und die Karre selbst so wertlos ist, daß ich natürlich auch kein Vollkasko zahle?
Abgezahlt ist mein Auto auch noch!

Ich passte einfach nicht ins Raster. Das größte Problem war natürlich die fehlende Festanstellung. Ich habe nun mal keinen Arbeitgeber, der ein monatliches Gehalt garantiert. Man kann nur anhand meiner Kontoführung rückverfolgen was ich üblicherweise monatlich einnehme.
Das aber reicht nicht mehr, wenn man zukünftig die Kreditraten abzieht.
-      Aber, aber, das macht doch nichts, denn ich will ja die Wohnung vermieten und bekomme dann entsprechende Mieteinkünfte hinzu.
Nein, Mieten sind kein Arbeitseinkommen – laut Wüstenrot. Vielleicht stehe die Wohnung ja auch leer.
Klar, kleine zentral gelegene Wohnungen in Hamburg bekommt man ja auch so irre schwer vermietet im Moment.

Nicht nur, daß die Jungs für ausgeliehene 100.000,00 Euro 144.000,00 zurückbekommen, nein, es darf auch nicht mal jedes Geld sein, sondern nur das was in deren Programm als reguläres Arbeitseinkommen zu verbuchen ist.

Wir wurden uns also nicht einig.

Das nächste mal frage ich doch nach einer Milliarde. Mal sehen, ob das klappt.

Vielleicht ist die Commerzbank auch einfach nicht der beste  Anlaufpunkt für Immobilienfinanzierungen.
Seit drei Jahren prahlen die Commerzbanker von einem 220-Millionen-Bauprojekt am Großen Burstah – einem echten Filetstück der Hamburger City, das die Tochterfirma COMMERZ-REAL verwirklich wollte.


Die Commerzbank hat aber offensichtlich Experten in der Kategorie meines Wüstenrot-Beraters engagiert und alles in den Sand gesetzt. Nach drei Jahren haben sie immer noch niemand gefunden, der für sie baut. Dafür haben wir jetzt Stillstand und Baugruben in der Innenstadt.

[…..] Das Mitgefühl am Markt hält sich in Grenzen.
Das 7.800 m2 große Grundstück der früheren Hamburger Allianz-Zentrale am Großen Burstah gehört zu den Premiumlagen in der City. Die Commerz Real möchte hier das Burstah Ensemble bauen. Das Investitionsvolumen liegt - oder vielmehr lag - bei 220 Mio. Euro. Das dürfte sich angesichts der gravierenden Baukostensteigerungen kaum halten lassen - sofern die Commerzbank-Tochter das Projekt überhaupt realisiert.
Auf fünf Baufeldern sollen 43.400 m2 BGF für Büros, Wohnungen, Läden und Gastronomie entstehen. Im denkmalgeschützten Globushof von 1907 ist ein Hotel vorgesehen - im Gespräch war die Accor-Marke MGallery by Sofitel. Das 14-geschossige Allianz-Hochhaus von 1971 wurde bis Ende April bis auf das erste Obergeschoss abgerissen. Seitdem ruht die Baustelle. Zum einen gibt es noch keine Baugenehmigung. Doch vor allem gibt es bis dato keinen Generalunternehmer (GU), der bereit ist, das Projekt in dem von der Commerz Real gesteckten Budgetrahmen samt Festpreisgarantie zu realisieren. […..] Für wohl 65 Mio. Euro hatte die Commerz Real das Grundstück im Sommer 2015 für den offenen Fonds hausInvest erworben. Freo Financial & Real Estate Operations sowie Quantum Immobilien waren als operativ Verantwortliche für Planung, Bau und Vermietung vorgestellt worden. Quantum jedoch warf das Handtuch - wohl eher aus Verärgerung über die mühsame Abstimmung mit der Stadt, heißt es aus Marktkreisen. Freo stieg im Februar 2017 aus. Ein Marktbeobachter erklärt: "Commerz Real steckt seit einem Jahr völlig fest und erkennt, dass sie es alleine nicht entwickeln können. Die haben große Sorgen, das Geld ihrer Anleger zu versenken." [….]