Montag, 6. August 2018

Das kommt von sowas – Teil III


Menschen sind beeinflussbar.
Man kann ihnen Fehlinformationen unterjubeln, Themen hochjazzen und mit damit Parteien stärken, die mit diesen Dingen assoziiert werden.

[…..] Eine lautstarke Minderheit dominiert den politischen Diskurs, an den Interessen der meisten Bürger vorbei - und die AfD profitiert. […..] Das Konzept "issue ownership", die Idee, dass bestimmte Themen bestimmten Parteien "gehören", erdachte der amerikanische Politologe John Petrocik Mitte der Neunziger. Unterschiedliche Themen werden demnach vorrangig bestimmten Parteien oder politischen Richtungen zugeordnet.
Parteien profitieren davon, wenn "ihre" Themen häufig auf der Agenda stehen, also in der medialen und heute natürlich auch der sozial-medialen Debatte häufig vorkommen. Für Radikale und Extremisten, die früher schwerer Gehör fanden, sind die sozialen Medien deshalb ein Gewinn. Hier können Zwerge unbedarfte Beobachter davon überzeugen, sie seien Riesen. […..] Im aktuellen Kontext noch beunruhigender ist eine neue Studie aus Großbritannien, von der University of Southampton. Die Autoren zeigen darin, wie sehr die rechtsnationale Ukip-Partei, der die Briten maßgeblich ihre mittlerweile für die meisten erkennbar dämliche Brexit-Entscheidung verdanken, von medialer Aufmerksamkeit profitierte. Der zeitliche Zusammenhang sei klar, schreiben die Forscher: "Mediale Berichterstattung befördert Unterstützung für die Partei, aber nicht umgekehrt." […..]
39 Prozent der Deutschen finden die Flüchtlingspolitik "sehr wichtig", 69 Prozent Gesundheitspolitik und Pflege, 64 Prozent die Renten- und Sozialpolitik. Beim letzteren Thema zum Beispiel sind 67 Prozent mit der Arbeit der Bundesregierung unzufrieden. Womit sollte man auch zufrieden sein, viel ist da ja nicht zu hören. Man muss ja ständig über Flüchtlinge reden. Die Regierung regiert an den Interessen der Regierten vorbei. […..]

Immer wieder erstaunlich wie eine kleine, aber sehr lautstarke Minderheit medial aufgewertet wird, während viel größere Aufreger regelrecht verschwiegen werden.

Die Erbärmlichkeit, mit der die deutsche Presse den Aufstieg der Rechtsextremen begleitet, tut mir weh.

Alles was richtig rechts ist, gilt als Sensation und wird ausführlich dokumentiert.
Keine Woche vergeht, in der nicht die AfD-Spitzen in den Talkrunden von Illner, Maischberger, Plasberg und Will ihre Gülle ausgießen dürfen.

Es gäbe wesentlich größere und bedeutendere Bewegungen, die tägliche Aufmerksamkeit der Medienlandschaft verlangten.

Hunderttausende engagieren sich beispielsweise gegen TTIP.
Würden sie auch nur annähernd so hofiert wie die braunen Bekloppten an Petrys Rockzipfel, dürfte keine Talkshow mehr ohne Vertreter von Greenpeace und attac ausgestrahlt werden.
Aber das geschieht natürlich nicht.
Elektrisiert verfolgen die ARD- und ZDF-Redaktionen hingegen die relativ kleine Anzahl der Peginesen.

26. Januar 1991: In Bonn demonstrieren 200.000 Menschen gegen den zweiten Golfkrieg, an dem sich auch Deutschland beteiligt, vor allem finanziell.
Dezember 1992: In Hamburg demonstrieren am 13.12.1992 bis zu 450.000 Menschen gegen Ausländerfeindlichkeit, in München waren es eine Woche zuvor 300.000 Teilnehmer. Die Bürger wollen mit Lichterketten ein Zeichen gegen Fremdenhass setzten, der sich in Anschlägen auf Asylbewerberheime und Häuser von Ausländern in Deutschland manifestiert. […]

Es folgten eine Reihe riesiger Demonstrationen gegen die harte Asylpolitik der CDU-Kohl-Merkel-Regierung.
100.000 Menschen in Essen 01.01.1993 "Das Ruhrgebiet sagt Nein!", gegen Gewalt und Rassenhass. Noch einmal genauso viele am 30.01.1993 bei der "Lichterspur" in Berlin unter dem Motto "Aufstehen und widerstehen“ und am selben Tag 120.000 Menschen in Düsseldorf beim "Lichterfest des Friedens und der Menschlichkeit."

15. Juni 1996: In Bonn demonstrieren 350.000 Menschen gegen Sozialabbau in Krankenversicherung und Arbeitsrecht. Die CDU/CSU-FDP-Bundesregierung gibt dem Druck der Straße nicht nach

09.11.2000: Berlin, 200.000, "Für Menschlichkeit und Toleranz", gegen Ausländerhass.

15. Februar 2003: Rund 500.000 Menschen demonstrieren in Berlin gegen den sich abzeichnenden Irak-Krieg. In Stuttgart sind es 50.000 Demonstranten.

Die nächsten Demonstrationen mit deutlich sechsstelligen Teilnehmerzahlen gibt es Ende 2003 und im Jahr 2004 gegen die Hartz-Gesetzgebung; leicht kommen eine Viertelmillion Menschen dazu in Berlin zusammen, aber auch in Stuttgart sind es 140.000 am 03.04.2004 und noch einmal 100.000 am selben Tag in Köln.

Bei allen diesen Demonstrationen geht es aber um Werte wie Frieden, Solidarität und Bürgerrechte – also etwas, das die CDU in ihrer Regentschaft stets eingeschränkt hat.
Also wurden auch Millionen Demonstranten einfach als „linke Chaoten“ angesehen und somit ignoriert.

Und nun kommen die 15.000 Dresdner Peginesen. Jene dumpf xenophoben Außerrealitären, die sich ausgerechnet im de facto Muslim-freien Sachsen vor Muslimen fürchten. Jenes perfide Pack, das wie Matthias Matussek die Gefährlichkeit der Muslime mit dem Taliban-Anschlag auf eine Schule in Peschawar belegen will und damit die OPFER von IS und Taliban, also diejenigen, die vor ihnen fliehen und bei uns Schutz suchen, für die Grausamkeiten ihrer Peiniger in Haftung nimmt.
Moralisch verwerflicher kann man kaum agieren.

Skrupellos Menschen gegen andere Menschen aufzuhetzen, versteht auch die CSU, die seit Monaten in dramatischsten Farben eine Flüchtlingswelle herbeiredet, die es hier gar nicht gibt, weil die Grenzen längst zu sind und die Vertriebenen zu Abertausenden in nordafrikanischen Folterlagern oder dem Mittelmeer verrecken.

Seehofer, Söder, Scheuer und Dobrindt vergessen allerdings, daß inzwischen die AfD für Härte gegen Zuwanderer wahrgenommen wird.
Die CSU stärkt also nicht sich selbst, sondern den rechten Konkurrenten.

Der bayerische Ministerpräsident Söder hat dabei etwas Erstaunliches zuwege gebracht:
Er ist zum unbeliebtesten Regierungschef aller Länder abgestiegen.
Herzlichen Glückwunsch.
Als Sozialdemokrat sollte man ihm dankbar sein, wenn er nicht damit die AfD so stark machen würde.

[….] Am Montag meldet das Forsa-Institut, das sich im Auftrag von RTL mal wieder in der Republik umgehört hat, dass Markus Söder nicht so gut ankommt daheim. […..] 64 Prozent zeigten sich mit seiner Regierungsarbeit unzufrieden. 31 Prozent dagegen äußerten sich zufrieden. […..] Winfried Kretschmann twittert nicht. Touren muss er auch nicht, weil die Landtagswahl fern ist. Angesichts seiner Zustimmungswerte wäre die im Moment wohl für die Grünen ein „gemähtes Wiesle“, wie man im Schwäbischen sagt. 74 Prozent der Baden-Württemberger sind zufrieden mit dem 70-Jährigen[…..]

Stimmungen zu generieren und manipulieren sorgt aber bedauerlicherweise nicht nur für parteipolitische Konsequenzen.
Wenn Politiker wie Gauland, Farage, Johnson, Trump, LePen, Kurz, Strache, Söder, Spahn und Seehofer Hass säen, gibt es immer unschuldige Opfer, die es ausbaden müssen.

(….) Durch die Anti-LGBTI-Kampagne des Front National und der katholischen Kirche in Frankreich 2013 fühlten sich signifikant mehr Dumpf-Franzosen ermutigt Schwule zu mobben und zu schlagen.

Wozu katholische Schwulenhetze führt, haben wir 2013 in Frankreich erlebt. 
In unserem traditionell eher homophilen Nachbarland hatten sich die homophoben Übergriffe verdreifacht, seit die liebe RKK des allseits so geschätzten Papst Franz sich so massiv in die französische Gesetzgebung einmischte.
Und auch in Hamburg geschah letzte Woche das Unvorstellbare: Mehrere gewalttätige Übergriffe auf Schwule im Zuge des CSDs. Zwei Opfer liegen immer noch im Krankenhaus.

Vom deutschen BND und seinen Schwesterorganisationen ist diesbezüglich allerdings rein gar nichts zu erwarten. Ihre Blindheit auf den rechten Augen stellten sie eindrucksvoll unter Beweis.

Durch die ständige antimuslimische und menschenfeindliche Hetze der AfD im Jahr 2015, als CDU, CSU und FDP ungeniert auf den Zug aufsprangen, wurden Tausende Widerlinge ermutigt ihre Xenophobie auf ein praktisches Level zu promovieren.

[…..] Im vergangenen Jahr hat es in Deutschland mehr als 3500 Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte gegeben. Dabei wurden 560 Menschen verletzt, unter ihnen 43 Kinder. Das berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe und berufen sich auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Parlamentsanfrage.
Demnach gab es 2545 Angriffe auf Flüchtlinge außerhalb ihrer Unterkünfte. Hinzu kamen 988 Angriffe auf Flüchtlingsheime - das waren geringfügig weniger als im Vorjahr (1031 Angriffe). Zudem wurden 217 Mal Hilfsorganisationen oder freiwillige Asyl-Helfer attackiert. […..]

Ob der endgültig zum rechtsradikalen Verschwörungstheoretiker mutierte David Berger mit seinen Hassblogs selbst zum Baseballschläger oder Molotowcocktail greifen würde, vermag ich nicht zu beurteilen.
Aber sofern seine eigenen Angaben über die Klickzahlen stimmen – angeblich wählen über 1,5 Millionen Menschen monatlich seinen PP-Blog an – ist es irrelevant, ob der von Hass zerfressene Tradi-Katholik die Grenze zur physischen Gewalt überschreitet, da es vermutlich unter seinen Lesern  einen Bodensatz gibt, für den Bergers Worte die Tropfen sind, die das braune Fass überlaufen lassen.

[…..][…..] Ich halte es ebenso für schwer vorstellbar, daß Nigel Farage oder Boris Johnson jemals selbst einen Migranten verprügelt haben.

Nach dem Brexit-Votum Briten machen Jagd auf Polen
[…] Neid, Wut, Hass, Rassismus: Nach dem Brexit zeigt Großbritanniens Gesellschaft ihre hässlichste Fratze. Rechtsextreme, aber auch stinknormale Bürger hetzen gegen Ausländer und Menschen mit ausländischen Wurzeln, machen teils regelrecht Jagd auf sie – ganz speziell auf Polen.
Mehr als 750.000 Menschen kamen seit dem EU-Beitritt des Landes 2004 auf die Insel, um zu arbeiten, eine bescheidene Existenz aufzubauen. Jetzt sind sie Ziel ausländerfeindlicher Angriffe. So giftete Nigel Farage, Chef der rechtsextremen UKIP-Partei, im Brexit-Wahlkampf gegen Polen, andere Ausländer und Muslime. Seit dem Entscheid über das EU-Aus der Briten geht seine Saat und die Hetze anderer Ausländerfeinde auf. Hunderte teils schwere Übergriffe gegen Zuwanderer wurden bisher registriert.
[…] Die britische Polizei bestätigte, dass seit  Donnerstag die rassistischen Übergriffe um 57 Prozent zunahmen. […]

Der von den Evangelikalen als frommer Christ gepriesene Donald Trump erreichte schon vor der Wahl diesen Effekt. Seine fortgesetzten fremdenfeindlichen Attacken zeigten überall im Land Wirkung.

[….] Gerade mal eine Woche nach dem Wahlsieg Donald Trumps berichten NGOs und Aktivisten von einer erschreckenden Zunahme der Hasskriminalität in den USA. 437 Fälle sammelte das Southern Poverty Law Center (SPCL) allein in den ersten fünf Tagen nach der Wahl. Das ist allerdings bloß die Fortsetzung dessen, was fast zwei Jahre Wahlkampf in den USA bereits angeschoben haben.
Am Sonntag veröffentlichte dann das FBI eine Statistik, wonach die Zahl der Fälle von Hasskriminalität gegen Muslime in den USA im Jahr 2015 um 67 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen ist. Erfasst wurden 257 antimuslimische Übergriffe im Jahr 2015 (im Vergleich zu 154 im Vorjahr) – das ist der höchste Wert, der seit den Anschlägen auf das World Trade Center im Jahr 2001 erhoben wurde. Genauso stieg die Zahl der Übergriffe auf jüdische, schwarze und LGBT-Menschen. Was all diese Gruppen gemeinsam haben? Sie gehören zu jenen, gegen die Trump immer wieder gewettert hat.
Und Experten führen die Übergriffe auch konkret auf Trumps Rhetorik zurück. Auf das, was er gesagt hat. Also etwa auf seine Forderungen, Moscheen zu überwachen, Muslimen die Einreise in die USA zu verweigern und eine Datenbank mit allen muslimischen US-Bürger zu erstellen. […..]
(taz, 17.11.2016) (….)

Alle, die öffentlich gegen Menschengruppen hetzen, bewirken etwas, das letztlich in physische Gewalt ausartet.
Der von Spahn, Seehofer, Söder, Orban und Kurz umworbene rechtsradikale Italienische Innenminister Salvini hetzt nicht nur im luftleeren Raum, sondern es finden sich immer wieder Rassisten, die sich davon ermutigt fühlen Menschen mit dunklerer Haut anzugreifen.


Natürlich bleibt auch Trumps andauernde Hetze gegen Journalisten nicht ohne Folgen.

[…..]  Seit Monaten verschärft Trump seine Hetze gegen die US-Medien, allen voran die "NYT", die "Washington Post"und CNN. Selbst als im Juni in Maryland fünf Lokaljournalisten erschossen wurden, beschimpfte er Reporter weiter als "Volksfeinde", eine implizierte Sanktionierung von Gewalt. […..] 

Auch der große politische Freund der CSU, der ungarische MP, der zu jedem Parteitag der Christsozialen als Stargast geladen wird, agitiert nicht im luftleeren Raum.

[….] Nach seinem haushohen Wahlsieg will Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban einen neuen Anlauf unternehmen, um Nichtregierungsorganisationen noch stärker unter staatliche Kontrolle zu stellen. Die Stiftung „Open Society Foundation“ des US-Milliardärs George Soros zieht daraus Konsequenzen, schließt ihr Büro in Budapest und zieht nach Berlin um. Dieser Schritt erfolge wegen des „immer repressiveren politischen und rechtlichen Umfelds in Ungarn“, teilte die Stiftung mit Zentrale in New York mit. „Es ist unmöglich, die Sicherheit unserer Operationen und Mitarbeiter in Ungarn vor willkürlicher Einmischung der Regierung zu gewährleisten“, sagte der Präsiden Patrick Gaspard.
[…..]  George Soros, in Budapest geboren und Überlebender des Holocaust, gilt Orban und der Fidesz heute geradezu als Staatsfeind. In einer Kampagne versucht Orban seit Monaten mit antisemitischen Klischees und Verschwörungstheorien, Soros als Spekulanten „ohne Heimatland“ zu verunglimpfen, der das Land und ganz Europa angeblich mit dem gezielten Zuzug von muslimischen Flüchtlingen destabilisieren will. Orban, einst selbst ein Stipendiat der Soros-Stiftung, instrumentalisiert auch den in Ungarn tief sitzenden Antisemitismus politisch. [….]

Diejenigen, die wie David Berger, AfD und CSU den Ober-Ungarn bejubeln, machen sich mitschuldig an judenfeindlichen Übergriffen und physischer Gewalt gegen Minderheiten.

[…..] Orbán speziell befeuert eben nicht nur die rechtsextreme Politik in Deutschland, Frankreich, überall, er weicht grundsätzlich die Standards auf und macht aus demokratischen Politikern des konservativen Lagers Verräter an der Sache der Demokratie.
Nichts anderes macht jemand wie Friedrich, wenn er sich gegen eine "Bevormundung" der antisemitischen und autoritären ungarischen Regierung wehrt. Nichts anderes ist jemand wie Alexander Dobrindt von der CSU, der Orbán einen Freund nennt. Nichts anderes ist Bundesinnenminister Horst Seehofer, der von CNN als Stimme der AfD in der Exekutive bezeichnet wird.
Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel - und damit die CDU überhaupt - kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Sie nimmt es hin, dass Orbán und seine Partei Fidesz weiter Teil der konservativen Fraktion im europäischen Parlament sind. Sie muss, wenn sie glaubwürdig gegen Antisemitismus und Autoritarismus auftreten will, dafür arbeiten, Fidesz auszuschließen. [….]