Montag, 7. Mai 2018

Schaffe, schaffe, Häusle schauen

Da liegt mir ja einiges auf der Zunge, wenn ich die selbstbewußt grinsende Nahles , Chefin einer 17%-Partei auf dem höchsten Gipfel Deutschlands stehen sehe und angesichts des xenophoben Zündlers Alexander Dobrindt neben ihr ganz gelassen auf den nächsten braunen Hetzer Seehofer verweist, der jetzt „in die Arbeit kommen“ müsse.
Das ist jetzt genau der Moment, in dem ich mir mal ein „auf die Fresse“ von ihr wünsche.

Andererseits ist es ja genau das was Dobrindt, Gauland und Co wollen.
Die CSU geht der SPD mit fiesem menschenfeindlichen Kalkül auf die Nerven. Lässt sich die Sozi-Chefin provozieren und keilt zurück, hat sie das Thema zusätzlich aufgeheizt und fördert xenophobe Stimmung. Das hilft der CSU bei der Bayernwahl.
Lässt sie sich nicht provozieren und hält schön die Klappe wie heute auf der Zugspitze, sind die Sozi-Anhänger enttäuscht und frustriert. Die demoskopische Stimmung für die SPD sinkt noch weiter. Das hilft der CSU bei der Bayernwahl.
Eine klassische No-Win-Situation.

Aus dem Teufelskreis käme man nur raus, wenn man eine starke, intellektuelle SPD-Führung hätte, die selbst die Themen setzt und sich nicht die Talkingpoints von rechtslastigen Bayern und Ossis diktieren lässt.
Aber das klappt halt nicht, wenn man provinziell-pyknische Minderdenker wie Schulz oder Nahles als Parteichefs einsetzt.

Und sonst so? Was hatte Herr Dobrindt bei der alpinen Groko-Klausur zu sagen?

[….] "12.000 Euro pro Kind gibt es in zehn Jahren an staatlicher Förderung für den Erwerb von Eigenheimimmobilien", sagte Dobrindt im Beisein von Unionsfraktionschef Volker Kauder und SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles (SPD). Sobald die gesetzlichen Beschlüsse dafür stehen, soll die milliardenschwere Förderung rückwirkend fließen. [….]

Na, DAS hilft den Geringverdienenden natürlich richtig weiter.
Wo sind eigentlich die Mieten mit Abstand am teuersten, weil die Landesregierung am eklatantesten versagt hat? Ach ja, in München.
Noch 12.000 Euro staatliche Quersubventionen für Kredithaie, raffgierige Bauunternehmer und hoffnungslos überteuerte Handwerker.

In Hamburg hingegen wird wie verrückt gebaut seit Olaf Scholz 2011 endlich den CDU-Senat, der die Wohnungsbautätigkeit komplett eingestellt hatte, ablöste.
Über 10.000 Baugenehmigungen für Wohnungen werden nun wieder jedes Jahr in der Hansestadt erteilt.
Daher gibt es auch so einen gewaltigen Handwerkerstau. Es fehlen 400 Malergesellen, 1000 Gesellen auf dem Bau und als ich Anfang des Jahres jemand suchte um ein Drei-Quadratmeter-Bad neu kacheln zu lassen, legte die Sekretärin eines Fliesenlegers mit einem gezischten „das können Sie vergessen“ gleich auf.
Vor zwei Jahren wollte ich einen Grundriss einer 60 qm – Wohnung erstellen lassen. Es dauerte fast sechs Monate bis ich einen Architekten fand, der sich dazu herabließ einen Azubi zu schicken.
Der Arbeitsaufwand betrug etwa anderthalb Stunden vor Ort.
Nach zwei Wochen bekam ich eine einseitige pdf geschickt. Die Räume waren korrekt eingezeichnet, leider hatte man aber vergessen Fenster und Türen einzutragen. Rechnung: 900 Euro.

[….]  Eine solche Hochphase habe ich noch nicht erlebt“
(Michael Seitz, Sprecher Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft)
Private Auftraggeber müssen wegen der Auftragsflut zunehmend länger warten, bis der Handwerker anrückt. "Wer zum Beispiel jetzt einen Maler mit Renovierungsarbeiten beauftragt, muss eventuell bis zu zehn Wochen warten", sagte unlängst Hans Peter Wollseifer, der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. In Berlin sind Dachdecker, Maurer oder Gerüstbauer im Schnitt für mehr als 14 Wochen ausgebucht, Handwerker im Ausbau haben elf Wochen zu tun, ergab eine Umfrage der örtlichen Handwerkskammer. Für Hamburg gibt es solche Zahlen nicht. Die Kammer ermittelt sie nicht. Und da und dort wird nicht gern über lange Wartezeiten gesprochen – aus Furcht, potenzielle Kunden zu verschrecken.
Marco Zahn, der Obermeister der Hamburger Dachdecker-Innung, ist einer, der ganz offen über das Thema redet. "Wenn ein Kunde anfragt, ob wir sein Dach neu eindecken können, sage ich ihm, dass wir nicht vor August anfangen können. Vielleicht auch erst im September", sagt er über die Auftrags­lage in seinem Unternehmen. In den meisten der 95 Mitgliedsbetrieben der Innung sehe das nicht anders aus. Bis zu 14 Wochen Vorlaufzeit zwischen Vertragsabschluss und Baubeginn seien eher die Regel als die Ausnahme. [….]

Der Effekt des Baubooms ist zwar zu sehen in der Stadt; so einen schnellen Wandel habe ich noch nie beobachtet.
Allein; er deckt den Bedarf noch lange nicht.


In relativ normalen Stadtteilen liegen die Wohnungsmieten schon bei KALT 15 Euro pro Quadratmeter. Es können auch 20 werden.
Und bei Neubauten wird es noch teurer.
Das Problem ist offensichtlich: Bauunternehmer, Architekten und alle Gewerke können fast jeden Preis verlangen.
Bauen wird astronomisch teuer.
Mit viel Glück und sehr langer Wartezeit schafft man es in Hamburg ein Haus für etwa 3.500 Euro/qm zu bauen. Das sind aber immer noch 350.000 Euro bei einer Wohnfläche, die man für eine Familie mit zwei Kindern braucht.

Dabei ist das nur die eine Seite des Problems.
Zunächst einmal muss man ein Baugrundstück finden. Das ist aber in einer Stadt mit einer derartigen Bautätigkeit nahezu unmöglich, weil Bodenspekulanten sich längst alles gesichert haben, das in Frage kommt.
Sie müssen aufgrund der Besitzer-freundlichen Rechtslage einfach nur da sitzen und abwarten wie sie jeden Tag reicher werden – ohne daß der Staat irgendwie steuerlich eingreift.
Das tut er dafür aber bei den Krankenschwestern und Nachtwärtern.

Sollte man dennoch ein Baugrundstück finden, kann es noch einmal so viel kosten wie der Hausbau.
Damit wären wir schon bei 700.000 Euro, die eine durchschnittliche Familie  - Mutter Krankenschwester, Vater Lehrer, zwei Kinder – natürlich nicht auf dem Girokonto rumliegen hat.
Es muss ein langfristiger Kredit aufgenommen werden. Sichert man sich ab, indem man die Zinsbindung für die volle Laufzeit festschreibt, werden insgesamt leicht noch mal 200.000,- Zinsen fällig.
Dann kommt man schnell in die Größenordnung von einer Million für vier Zimmer.

Eine Million minus 12.000 Euro, die die Groko nun großzügig als Baukindergeld bereitstellen will.
Sind dann ja nur noch lumpige 988.000,- für ein Vierzimmer-Häuschen in einer Großstadt.
Danke CDU, SPD und CSU – das scheint ja die ideale Lösung zu sein für die Geringverdiener, die in Citylagen nicht 20 Euro Kaltmiete bezahlen können, oder gar keine Wohnung angeboten bekommen, weil sie die falsche Hautfarbe oder einen zu eigenartig klingenden Namen haben.

Es gibt eigentlich nur noch drei Möglichkeiten in beliebten deutschen Städten zu wohnen:

Entweder man ist von Natur aus sehr reich, weil man geerbt hat.

Oder man arbeitet gar nicht, geht in Privatinsolvenz und bekommt dann so viele Kinder, bis Jugendamt und ARGE gezwungen werden einen irgendwo unterzubringen und die Miete dem Steuerzahler aufzubrummen.

Oder drittens, man verzichtet auf Kinder und betreibt das berühmte Downsizing.
Ein Zimmer muss genügen. 26 qm, Duschbad, Pantryküche im Schrank, ohne Balkon, Gemeinschaftswaschmaschine im Keller.

Mit normaler Erwerbsarbeit ist „Häusle baue“ nicht mehr zu erreichen. Sofern man nicht Millionär ist, kann man nur „Häusle schaue“ – und zwar von außen.

Und nein, der Staat ist nicht machtlos. In Österreich ist wohnen viel billiger, weil die Mieten staatlich gedeckelt sind.

Man könnte natürlich auch schlicht und ergreifend den sozialen Wohnungsbau reaktivieren und den Staat als Bauherrn auftreten lassen.
Aber das würde ja die ultrareichen internationalen Immobilienfonds, die gern mal der CDU ein paar Millionen Spenden zukommen lassen, gar nicht gefallen.