Freitag, 9. Februar 2018

Die SPD ist eine lustige Partei.



Während ein inhaltlich unglaublich detaillierter 177-Seiten-Vertrag, der nur für Fachleute verständlich ist von jedem einzelnen SPD-Mitglied beurteilt werden muss, bestimmt der Noch-Vorsitzende Martin Schulz seine Nachfolgerin ohne die lästige Basisdemokratie per order di mufti.
Vor der versammelten Hauptstadtpresse gibt er dafür gute Gründe zum Besten.

[….] Es sei eben, sagt Schulz, an der Zeit, dass eine Frau die SPD führe, erstmals in deren Geschichte, und zwar, Stichwort Erneuerung, eine jüngere Frau. Während man noch nachdenkt, warum Schulz darauf eigentlich in den letzten Wochen und Monaten nicht gekommen ist, als er, Niederlage hin oder her, noch sich selbst für den besten möglichen Parteichef hielt, da sagt er: "Ich glaube, es ist sichtbar, dass Frau Nahles jünger und weiblicher ist als ich." [….]
(Christoph Hickmann, SZ, 09.02.18)

Der gute Martin ist immer wieder für eine Kostprobe seiner völligen Realitätsentkoppelung gut.
Was hat der Mann bloß für Berater um sich? Welche Informationen gelangen zu ihm? Auf welcher Grundlage glaubt er immer noch allein bestimmen zu können?
Wie kann er nur nicht merken was er anrichtet mit seinen Tölpeleien?
Immerhin hatte er doch schon vor dem 24.09.2017 verstanden wie es um ihn steht.

(…..) Insbesondere ist er aber offensichtlich als Verhandlungsführer unfähig.
Wie soll ihn eine Kanzlerin und CDU-Chefin überhaupt noch ernst nehmen, nachdem Schulz in der Erwartung den Wahlkampf endgültig hinter sich zu haben (auch das vermutlich eine Fehleinschätzung) großen Medienhäusern all seine Peinlichkeiten ausplauderte, die er vom Juni bis September hinter den Kulissen absonderte.

„Ich bin jetzt königlicher Niederlagenkommentator“
Wir sind im freien Fall; vielleicht bin ich auch der falsche Kandidat. Die Leute sind nett zu mir, aber sie sind es aus Mitleid. In Wahrheit habe ich ja nicht den Hauch einer Chance“
[…..] „Ich hab keine Lust. Ich will nach Hause.“
„Wie ein nasser Aufnehmer sehe ich bei Reden aus, weil ich zwischen Terminen keine Hemden wechseln kann. Die liegen zwar im Kofferraum, werden aber von den Waffen der Personenschützer zerdrückt: Da wird dann die Kalaschnikow auf meinen Anzug gelegt, und der Anzug sieht dann aus, als wäre ich in einer Arrestzelle gewesen.“
„Die Lage ist beschissen.“
[…..] „Ich bin schon zufrieden, wenn ich uns nicht blamiert habe.“
„Ich muss da jeden Tag erklären, dass ich Kanzler werden will, und jeder weiß: Der wird niemals Kanzler. Die Leute finden mich peinlich. Die lachen doch über mich.“
„Du reißt dir den Arsch auf, kriegst ständig den Stinkefinger.“ […..]

Ich staune nicht so sehr über den durchgehend weinerlichen Beschwerde-Ton; den kennt man von Schulz auch öffentlich.
Aber wieso gibt er das alles freiwillig an den SPIEGEL weiter?
Selbst wenn seine weitere Fehleinschätzung, es käme mit Sicherheit zu einer Jamaika-Koalition gestimmt hätte, wäre es nicht schlau seine Verletzlichkeit und miese Laune von den Medien dokumentieren zu lassen. (….)


Offenbar befindet sich Schulz aber bereits in Phase 3 der Vorsitzenden-Demenz:
Erst merket man es nur selbst, dann merken es auch die anderen und schließlich merken es nur noch die anderen.
In dieser dritten Phase hielt er die Bundesregierung für eine Art Selbstbedienungsladen, aus dem er sich ein Ministeramt zum Pflegen der verwundeten Seele nehmen dürfe.
Die Folgen waren ihm – wie so oft – nicht bewußt.
Immer offensichtlicher wird, daß es ihm an Intelligenz fehlt.
Schulz sah nicht voraus wie sehr er sich zur Witzfigur machen würde.


Ich werfe Schulz weniger vor sein Wort gebrochen zu haben, als so unfassbar dumm gewesen zu sein völlig ohne Not überhaupt solche Ausschließeritis-Sätze von sich gegeben zu haben.

Problematischer als der „Wortbruch“ und das sich selbst zur Witzfigur degradieren, ist aber, daß er auch die Mitglieder massiv verärgert und somit das "Ja" zur Groko stark gefährdet.
Das hat auch jeder sofort begriffen – außer Schulz.

[…..] Schulz kann noch alles verderben!
Die Sozialdemokraten haben gut verhandelt. Doch dass der Parteichef jetzt nicht abtritt, sondern sich im Auswärtigen Amt rehabilitieren möchte, bringt die SPD in allerhöchste Gefahr.
Verrückt, dieser Start der möglichen Koalition. Verrückt ist zwar nichts von dem, was im Koalitionsvertrag steht, der ist ein solides Werk mit dem üblichen Mix, in dem jeder etwas zu kritisieren und zu loben finden wird. Verrückt ist, was sich die SPD am Mittwoch geleistet hat: Sie ergibt sich dem Wunsch ihres gescheiterten Vorsitzenden, der nicht salutieren und abtreten mag, sondern stattdessen das beste und bekannteste Sanatorium des Landes beziehen will, das Auswärtige Amt. Und um dies möglich zu machen, beendet die Partei die Karriere des Mannes, der in den vergangenen zwölf Monaten zu ihrem populärsten Politiker aufgestiegen ist (in ebendiesem Sanatorium).
Sigmar Gabriel wird voraussichtlich ausgerechnet in dem Moment zum Aufhören gezwungen, da er im Begriff war, den Nutzen der SPD zu mehren. […..]

Den bei den Deutschen beliebtesten Minister rauswerfen, um dafür einen älteren Versager auf den Posten zu setzen? Solange Schulz auch Vizekanzler und Parteivorsitzender gewesen wäre, hätte ein Ministeramt (trotz der gegenteiligen Beteuerungen) noch halbwegs Sinn gemacht, weil er einen starken Widerpart zur Kanzlerin gebildet hätte.
Aber wenn die Parteivorsitzende der SPD (mutmaßlich Nahles) ohnehin nicht im Kabinett ist, jemand anders Vizekanzler wird (Scholz) und das Außenamt nur zur Ego-Schmeichelung dient, kann man das nicht rechtfertigen.

Schulz kann nichts. Wieso sollte er Außenminister können?
Statt sich also in dem Erfolg zu sonnen trotz der miesen 20,5% die vier Kernministerien Außen, Finanzen, Soziales und Justiz ergattert zu haben, schafft Schulz es wieder für extrem miese Presse zu sorgen.

[….] Und doch steht dieser Auftritt, steht die verbockte Stabübergabe für ein generelles Problem der SPD: Selbst wenn ihr mal etwas gelingt, bekommt sie es zielsicher hin, dass am Ende vor allem darüber geredet wird, was ihr wieder alles nicht gelungen ist. Das ist ungefähr so verlässlich wie die Tatsache, dass am Ende eines SPD-Parteitags "Wann wir schreiten Seit' an Seit'" gesungen wird. […..] Und damit noch mal zurück zum abendlichen Auftritt von Schulz und Nahles. In dessen Verlauf wird der Noch-Vorsitzende auch gefragt, warum für Gabriel kein Platz mehr im Kabinett gewesen sei. Auch auf diese Frage gibt er eine bemerkenswerte Antwort: Gabriel habe als Außenminister sehr gute Arbeit geleistet. Aber er, Schulz, habe sich nun mal entschieden, in die Regierung einzutreten, und zwar als Außenminister. [….]
(Christoph Hickmann, SZ, 09.02.18)

In den letzten Jahren habe ich „Zickzack-Sigi“ wahrlich oft und massiv kritisiert.
Das elende Mäandern um TTIP, die radikale VDS-Kehrtwende, das Rechts-Blinken, die Waffenexporte sind nur ein paar seiner Fehlleistungen. Aber ich zolle ihm Respekt dafür, daß er es gestern mit einem beherzten Tritt in Schulzens Hintern geschafft hat diesen Generalversager aus dem Kabinett fernzuhalten.

Mit viel Verspätung, quasi als Allerletztes fällt auch beim Noch-Vorsitzenden der Groschen.

[….] Umso mehr ist es für mich von höchster Bedeutung, dass die Mitglieder der SPD beim Mitgliedervotum für diesen Vertrag stimmen, weil sie von dessen Inhalten genauso überzeugt sind, wie ich es bin. Durch die Diskussion um meine Person sehe ich ein erfolgreiches Votum allerdings gefährdet. Daher erkläre ich hiermit meinen Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung und hoffe gleichzeitig inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet sind. [….]
(Martin Schulz, 09.02.18)


[….] Dieser Schritt war überfällig, und Martin Schulz hat ihn vollzogen, bevor seine persönlichen Ambitionen seine Partei noch mehr beschädigen. Es ist ein Schritt, der Respekt verdient. Schulz nutzte die vielleicht letzte Gelegenheit, noch halbwegs gesichtswahrend einen Rückzieher zu machen - bevor er auf den in einer Woche beginnenden Regionalkonferenzen der SPD von den Mitgliedern mit Pfiffen aus dem Saal getrieben worden wäre.
Es ist schon erstaunlich, mit wie wenig politischem Instinkt Schulz auch auf den letzten Metern seiner Berliner Karriere unterwegs war. Als Parteichef abtreten und sich als ultimative Amtshandlung noch den attraktiven Posten des Außenministers zu sichern - das war ein klarer Fall dreister politischer Selbstversorgung und ein Wortbruch. [….] Und es war nur der letzte in einer langen Kette von Fehlern, mit denen Schulz sich selbst zu Fall brachte. Ein kleiner Auszug: Bei der Landtagswahl im Saarland auf rot-rot zu setzen, in Nordrhein-Westfalen im Wahlkampf abzutauchen, im Bundestagswahlkampf auf Schmusekurs mit Angela Merkel zu gehen, in der Kampagne nur Gerechtigkeit und kein bisschen Innovation in den Mittelpunkt zu stellen und auch nach dem Scheitern von Jamaika auf Opposition zu beharren. Die Bilanz nach 13 Monaten Schulz in Berlin lautet: Zu wenig politisches Gespür, einfach zu leichtgewichtig für die Bundespolitik.
Dabei gibt es über die Person Schulz wenig Schlechtes zu sagen, außer vielleicht, dass er einen Hang zur Eitelkeit und gelegentlichen Wutausbrüchen hat. [….]

Sigmar Gabriel tat mir einen großen Gefallen damit Schulz, den er selbst zum Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten gemacht hatte, jetzt abzuschießen.
Ob er sich selbst auch einen Gefallen tat, ist fraglich.
Nahles kann ihn nicht ausstehen und die Bundestagsfraktion verärgerte er ebenfalls.
Wer soll ihn nun zum neuen alten Außenminister machen?

[…..] Die persönliche Attacke des Außenministers am Donnerstagabend hatte Entsetzen in der Partei ausgelöst: "Unterirdisch" seien die Vorwürfe gegen Schulz und Nahles, Gabriel trete damit "neuen Respekt in die Tonne", hieß es aus der Bundestagsfraktion.
Verärgert verwies ein führender SPD-Funktionär darauf, wie professionell CDU-Minister Thomas de Maizière mit seiner Ausbootung umgehe. Da gebe es keine beleidigten Attacken. [….]

Aber Schulz und Nahles haben so großen Schaden angerichtet, daß es trotz der überragenden Ministeriumsausbeute noch zum finalen Knall beim Mitgliedervotum kommen könnte.
Kühnert und Co, die dem Wähler unbedingt die Regierungsunfähigkeit der SPD beweisen und der rechtsnationalen Mehrheit aus FDP, AfD, CSU und CSU zum Durchbruch verhelfen wollen, frohlocken.

[….] Die 460.000 Mitglieder der SPD dürfen in den kommenden Wochen über den ausgehandelten Koalitionsvertrag abstimmen. Die Gegnerinnen und Gegner einer großen Koalition sind gerade mächtig im Auftrieb. Ihr Argument unter anderem: Zuerst Opposition versprechen, dann große Koalition machen, zuerst einen Ministerposten ablehnen, dann Außenamtschef werden wollen: Bald wird uns niemand mehr etwas glauben.
Und es war ja nicht nur das kleine Saarland, auch in Nordrhein-Westfalen, Hessen und in Bayern war die Stimmung schlecht. Das fiel binnen kürzester Zeit zurück auf Schulz, der seit Wochen sowieso schon kaum mehr Rückhalt in der eigenen Parteiführung hatte. "Schulz war kurz davor, die SPD in den Abgrund zu führen", zeigt sich ein Vertreter der Landesverbände überzeugt. [….]
(DIE ZEIT, 09.02.2018)

Das katastrophale Management des Willy-Brandt-Huses führt nun dazu, daß ich gegenwärtig gar nicht mehr weiß wie ich abstimmen soll.
Die noch mieseren Alternativen und die sechs starken SPD-Ministerien sprechen für mein „Ja“.
Aber nach dem Chaos der letzten 48 Stunden wüßte ich schon gern, wer Außenminister wird und ob es wirklich auf Nahles als Parteichefin zuläuft. Ihre generelle Unfähigkeit ist Legende.
Es ist ihre Spezialität Parteivorsitzende zu stürzen und Wahlkämpfe in die Grütze zu fahren.
Inhaltliche Erneuerung? Mit ihr als Generalsekretärin 2009 bis 2013 hat das  GAR NICHT geklappt. Sie kann es eben auch nicht und ist für eine Spitzenfunktion ungeeignet. Das zeigt auch ihre unsägliche Proletensprache – Kacke, Bätschi, Fresse. So eine will ICH nicht an der Parteispitze.

Wie soll diese Frau eine gute Parteivorsitzende sein, wenn sie offensichtlich auch nicht das geringste Gespür für die Lage in der SPD hat?
Sie sah nichts kommen und fuhr gemütlich erst mal nach Hause, weil ihr völlig entging wie die Stimmung an der Basis und den Landesverbänden war.
Hätte sie nur einen Funken politisches Gespür, wäre sie in Berlin geblieben, säße im Willy-Brandt-Haus, um Brände zu löschen.

[…..] Das Chaos in der SPD erwischte Nahles am Freitag im heimischen Karneval. Aus der Eifel heraus versuchte sie erst mal Zeit zu schinden. Sie zollte Schulz "höchsten Respekt und Anerkennung", betonte aber auch: "Vor uns liegt nun der Mitgliederentscheid der SPD. Ich gehe davon aus, dass wir uns jetzt voll und ganz auf die inhaltliche Debatte konzentrieren."
Doch auch Nahles ist nicht so unschuldig, wie sie nun tut. Schließlich hatte sie sich mit Schulz vor wenigen Tagen auf die Personalrochade geeinigt, die ihn nun die Karriere kostete. Gemeinsam, so betonte es Nahles noch am Mittwochabend, habe man entschieden, dass er Außenminister werde und als Kompensation den Parteivorsitz an sie abgebe. Das helfe, "Skeptiker abzuholen" vor dem Mitgliederentscheid.
Wenn in der SPD also ohnehin schon alle wussten, dass das mit Schulz' Wunsch nach einem Ministeramt schiefgehen würde, warum hielt sie ihn nicht davon ab?  Und warum sagte Nahles dann öffentlich das Gegenteil? [….]

Nix-Merker Schulz soll nun also von Nix-Merkerin Nahles ersetzt werden?

Eigentlich bin ich ja ein bißchen neidisch auf die CDU. Da ist man sich der Verblödung der eigenen Mitglieder so bewußt, daß man sie ohnehin nicht für relevant hält.


Das macht das Leiten einer Partei natürlich einfacher.
Bei der SPD haben wir einen Blöden mit 100% zum Hoffnungsträger ausgerufen.

Olaf Scholz ist da eine ganz andere Nummer. Er ist offensichtlich wesentlich intelligenter und lässt sich nie zu solchen Pöbelsätzen hinreißen.
Scholz macht nicht diese grandiosen taktischen Fehler wie Schulz.
Und ganz offensichtlich versteht er etwas vom Regieren wie seine Zeit als Arbeitsminister und natürlich das Amt seit 2011 beweisen.

Wenn wir es schaffen könnten auch noch Nahles zum Rückzug zu bewegen und künftig die SPD auf Bundesebene mehr durch Maas, Scholz und Schwesig darstellen, können wir mit den ausgehandelten Ministerien einiges reißen.