Freitag, 2. Februar 2018

Die Einfachheit von früher



Trumps Wahlkampfslogan „Make America great again”, #MAGA, wird immer noch von seinen Fans beschworen.
Sie glauben Trump führe die Nation wirklich in die großartigen alten Zeiten zurück, als alles klar und einfach war, als man mächtig und selbstbewußt war.
Dafür lassen die Kochs allein bei den Zwischenwahlen dieses Jahr noch mal 400 Millionen Dollar springen.

Das „again“ in „MAGA“ wirft natürlich die Frage auf, wann genau Amerika denn great war.
Gemeint ist offensichtlich „great“ aus der reinen Trump-Perspektive. Also die längst vergangenen Zeiten, als Amerika toll war – sofern man ein wohlhabender, weißer, heterosexueller, christlicher Mann war und alle anderen weitgehend unsichtbar untergeordnet waren.
Da widersprachen Frauen nicht. Da konnte man Kinder nach Herzenslust schlagen, ungehindert Pussys begrabschen, „Neger“ beschimpfen, mußte nie an die Umwelt oder überhaupt Konsequenzen denken. Wenn andere Länder, wie der Iran zum Beispiel, etwas hatten (Öl zum Beispiel) das man haben wollte, nahm man es den Persern einfach weg. Und wenn einer sich beschwerte, gab es was auf’s Maul.

Ja, für die Trumps war es ein GREAT AMERICA vor 70 oder 100 Jahren.
Für eine Frau, einen Schwulen, einen Schwarzen, ein armes Kind, stellte sich das ein bißchen anders dar.

Michelle Obama brachte das mit ihrer legendären DNC-Rede zum Ausdruck und erzeugte emotionale Gänsehautmomente, als sie über das von Sklaven erbaute Weiße Haus sprach.

„That is the story of this country, the story that has brought me to this stage tonight, the story of generations of people who felt the lash of bondage, the shame of servitude, the sting of segregation, but who kept on striving and hoping and doing what needed to be done so that today I wake up every morning in a house that was built by slaves. And I watch my daughters, two beautiful, intelligent, black young women playing with their dogs on the White House lawn.”


Das war die moralische Apotheose des 2016ner Wahlkampfs.
Entweder man war, wie ich, tief gerührt von dieser Ansprache einer selbstbewußten schwarzen First Lady, oder aber man schlug sich auf die Seite derer, denen es grundsätzlich missfiel, daß ein Schwarzer Präsident geworden war und wollte die Spuren der schwarzen Präsidentenfamilie in der amerikanischen Geschichte tilgen – so wie es der zutiefst überzeugte Rassist seit einem Jahr geradezu manisch in die Realität umsetzt.
Entweder man unterzog seine Hillary-Müdigkeit bei Michelles Rede einer Katharsis, oder man wurde letztendlich Enabler des Trump-Grauens.

Ich glaube, daß es bei der Frage „Hillary oder Donald“ weit weniger um ökonomische Konzepte und außenpolitische Strategien ging, denn um grundsätzliche antimodernistische Gefühle.
Nicht die Mehrheit, aber doch genug Amerikaner hatten es satt, daß sich Frauen beschweren, wenn sie befummelt und vergewaltigt werden, daß in den Schulen ganz selbstverständlich auch Schüler mit deutlich dunklerem Teint neben den eigenen Blagen sitzen, daß man Konsequenzen fürchten muß, wenn man seinem Chauvinismus und Rassismus freien Lauf lässt.

Diese Gefühle sind nicht auf Amerika beschränkt.
Auch in Deutschland gibt es starke Kräfte, die sich in Zeiten zurücksehen, als es noch keine Lesben und Emanzen, keine Transen und Muslime, keine Pädo-Pfarrer und depressive Blagen gab.

Ihren fundamentalen Irrtum, daß es nämlich schon immer Schwule und übergriffige Pfarrer, schon immer gequälte Kinder und Abscheu über vergewaltigende Männer gab, erkennen sie gar nicht.
Aber „zu den guten alten Zeiten“, als die Welt offiziell nur durch die weiße, heterosexuelle Männerbrille betrachtet wurde, hielten alle anderen ihre Klappe, litten still, wurden ausgegrenzt und niedergemacht.

Transsexualität ist nicht etwa eine Modeerscheinung, die von bösartigen Alt-68ern verwirrten Teenagern eingeredet wird, sondern eine biologische Tatsache.
Es gibt kein drittes, also nicht-männliches und nicht-weibliches Geschlecht, weil ultraliberale Richter einer/m Vanja auf den Leim gegangen sind, sondern weil allein in Deutschland knapp 100.000 Menschen so geboren werden.

(…..)Vanja hat sich nicht ausgesucht welches Geschlecht er/sie hat.
Er/sie wurde wie etwa 100.000 weitere Menschen in Deutschland weder als Mann noch als Frau geboren.
Nicht in die biblischen Schablonen zu passen bedeutete über Jahrtausende entweder gleich getötet zu werden oder später gequält zu werden. In den letzten 100 Jahren wurden schon Säuglinge rücksichtslos so operiert, daß sie zwangsweise häufig sterilisiert und immer äußerlich in ein (meist falsches) Geschlecht gezwungen werden.
Das ist zutiefst menschlich, denn Menschen sind abartige, grausame und vorurteilsbeladene Wesen, die das töten und quälen, was sie nicht kennen.
Auch ich erfasste erst vor etwa 20 Jahren bei der Lektüre von und über Del Lagrace Volcano welche unfassbare Grausamkeit heimlich, still und leise an tausenden Kindern jährlich begangen wird.

Immerhin erfreulich, daß es im Jahr 2017 kurz nach der „Ehe für fast alle“ (einige bleiben weiterhin ausgeschlossen) nicht mehr erneut Jahrhunderte dauerte, bis Intersexuelle auch rechtlich ein eigenes Geschlecht bekamen.

[….] Bei Frauen ist es XX, bei Männern XY. Vanja hatte nur ein X, mehr nicht. Die Ärztin war geschockt.
Vanjas Reaktion? Verwirrt. Erschreckt. Aber auch einen Schritt näher bei sich selbst. "Irgendetwas in mir hat ja gewusst, dass sich da keine Weiblichkeit entwickelt." Nur: Wer oder was war Vanja nun? Die ärztliche Diagnose klang nach Frau mit Defekt, sie könne eben keine Kinder kriegen: "45,X0, numerisch pathologischer Karyotyp mit Monosomie X/Ullrich-Turner-Syndrom". Das ist nur eine der diversen Varianten medizinisch unklarer Geschlechtszuordnung; mal sind es die Gene, mal fehlende Enzyme oder hormonelle Fehlsteuerungen.
 […..]  Die Mediziner empfahlen, Östrogen zu geben, das weibliche Sexualhormon. Vanja sollte doch noch die Kurve zur Frau kriegen.
Letztlich entsprach das einer rigiden Haltung, die sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hatte. Davor, etwa im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794, hatten Betroffene bis zum 18. Lebensjahr das Recht, einen Irrtum der Eltern bei der Geschlechtszuordnung zu korrigieren - das Recht also, das eigene Geschlecht zu wählen, wenn auch nur zwischen zwei Möglichkeiten. Hundert Jahre später wurde aus dem Wahlrecht eine behördliche Zuweisung: Einzutragen war das "wahre Geschlecht" - im Zweifelsfall mussten die Mediziner entscheiden.    Aus diesem Zwang zur Eindeutigkeit sollte sich eine mitunter barbarische Praxis entwickeln. […..]

Woher kommt diese extreme menschliche Bösartigkeit gegenüber völlig unschuldigen Artgenossen?
Offensichtlich aus der tiefen Borniertheit des Denkens.
Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht.
Es kann nicht sein, was sein darf.
Mensch ist zu denkfaul, um die gewohnten sprachlichen maskulin-feminin-Pfade zu verlassen.

Dabei wußte schon Marcel Reich-Ranicki wie eigenartig deutsche Grammatik ist.

In Deutschland heißt es
die Männlichkeit
der Feminismus und
das Weib.

Und wer hat noch nicht die verblüffte Reaktion eines Italieners erlebt, wenn man ihm erzählt bei uns hieße es der Mond und die Sonne, der Südländer aber „il sole“ als männlich und „la luna“ natürlich als weiblich kennt? (…..)
(Er sie es, 25.11.2017)

Trump will das alles nicht wissen und befindet sich damit in schlechter Gesellschaft der deutschen katholischen Kirche, der AfD und weiten Teilen der CDU/CSU, die alle denken durch Negieren und Augenzukneifen könne man die Welt wieder von all diesen eigenartigen Individuen befreien.
„Genderismus“ einfach verbieten und schon würde Millionen Schwule, Transsexuelle, Queere und Zwischengeschlechtliche sich einfach in Luft auflösen.

Der radikal homophobe Kasseler Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera („das Adoptionsrecht für Homosexuelle ist staatlich geförderte Pädophilie“) wird morgen bei einer Veranstaltung von Merkels CDU-Parteistiftung gegen den „Genderismus“ wettern.
Hedwig Beverfoerde und Trixi Storch fingen bei der Einladung vor Glück an zu ovulieren.

[….] "Wissen Sie, was die Gender-Ideologie will und wie sie unsere Gesellschaft verändert?" Zur Beantwortung dieser Fragen lädt die Konrad-Adenauer-Stiftung zu einem "Politischen Salon" am 3. Februar in Mainz – bereits der Titel "Gender, Instrument der Umerziehung? Ziele, Kosten, Wirkung" lässt kein Forum der Aufklärung erwarten.
Die "Gender-Theorie" gehe davon aus, dass jeder sein "soziales Geschlecht" bestimmen könne: "Wer heute Mann ist, kann sich morgen als Frau definieren", beklagt sich Karl-Heinz B. van Lier, Leiter des Landesbüros der CDU-Stiftung, bereits im Einladungsflyer (PDF). Es handle sich um "eine auf Selbstoptimierung ausgerichtete Ideologie, die in ihrer verkürzten Logik die Familie negiert [und] mit dem christlichen Menschenbild nichts zu tun hat".
Unter dem Begriff "Gender-Ideologie" haben neurechte und christlich-fundamentalistische Kreise in den letzten Jahren eine umfassende Verschwörungstheorie entwickelt, die unterschiedliche Themen samt ihren unterschiedlichen Akteuren unter ein gemeinsam zu bekämpfendes Schlagwort stellt: Von der Emanzipation und Gleichstellung von Frauen über die Rechte von Homo- und Transsexuellen bis zu Schulaufklärung über LGBTI sowie Sexualpädagogik, Gender Studies und queere Kultur und Philosophie wird alles unter "Gender" zusammengefasst.
[….] Auch der umstrittene, frauen-, homo- und transfeindliche Evolutionsbiologie Prof. Ulrich Kutschera wird in dem Flyer zustimmend mit einer Aussage über Gender Studies zitiert: "Solche Lehren sind eine Schande für den Wissenschaftsstandort Deutschland." [….]

So denkt man offenbar in der RPf-CDU der Julia Klöckner.

[….] Die Gender-Theorie geht davon aus, dass jeder - neben seinem biologischen Geschlecht - sein eigenes soziales Geschlecht selbst bestimmen kann.
Wer heute Mann ist, kann sich morgen als Frau definieren. Dass diese auf Selbstoptimierung ausgerichtete Ideologie, die in ihrer verkürzten Logik die Familie negiert, mit dem christlichen Menschenbild nichts zu tun hat, ist offenkundig.
1999 hat Bundeskanzler Gerhard Schröder die als Gender-Mainstream   bezeichnete   Ideologie   als Staatsziel zur Gleichstellung von Frauen und Männern   beschlossen   und   zwar   als   durchgängiges staatliches Leitprinzip.
Papst Franziskus hat jüngst die Gender-Theorie als „Feind der Ehe“ bezeichnet. „Es gibt heute einen Weltkrieg, um die Ehe zu zerstören“, sagte er. Die Ehe   werde   nicht   „mit   Waffen   zerstört“,   sondern „man zerstört sie mit Ideen.“ Der Evolutionsbiologie Prof. Ulrich Kutschera hat in einem Artikel im Focus (38/2015)  belegt, dass die Gendertheorie keiner wissenschaftlichen Prüfung standhalten   könne.   Sein   Fazit:   „Solche   Lehren  sind eine Schande für den Wissenschaftsstandort Deutschland“.
Auf Ihr Kommen freut sich Ihr
Karl-Heinz B. van Lier
Landesbeauftragter Politisches Bildungsforum Rheinland-Pfalz.

Man versteht, wie so oft gar nicht, wieso sich diese Gaga-Christdemokraten überhaupt so betroffen fühlen.
Wieso interessiert es sie so irrsinnig, welche geschlechtliche Identität andere Menschen haben?
Warum möchten Beverfoerde, Kuby, Mewes, Kutschera, Kelle, Storch und Co unbedingt haargenau wissen welche Art Geschlechtsorgane sich in den Hosen eines Cis- oder Trans-Mannes befinden?
Was treibt sie um, daß sie so intensiv über Penisse, Vulven, Klitorides und Testikel von Müttern und Vätern nachdenken?
Was treibt sie zu der irrigen Ansicht, der Wert eines Menschen, oder seine/ihre Fähigkeit Kinder groß zu ziehen, hinge von ihren Genitalien ab?
Ich verstehe einfach nicht worin das Faszinosum von Sexualpraktiken liegt.
Offensichtlich können die konservativen Herren und Damen, genau wie die katholischen Männer in den bunten Kleidern an nichts anderes denken als den bevorzugten koitalen Akt erziehungsberechtigter Menschen.

Früher war das mal einfacher.
Da waren zwar auch schon Myriaden Menschen mit nicht eindeutig biologischen Geschlechtsmerkmalen unterwegs, da gab es zwar schon genauso viele Jungs, die lieber mit anderen Jungs schmusten und Frauen, die nicht gern vergewaltigt werden mochten, aber man sah sie nicht, weil sie es heimlich im Dunkeln taten.
Und wenn man es doch mal bemerkte, kamen sie ins Zuchthaus.

Da war die Welt für Trump und seine deutschen moralischen Epigonen von der Anti-Gender-Front noch in Ordnung.