Freitag, 23. Juni 2017

Die schlimmen 16 Jahre.



Als Helmut Kohl 1982 Bundeskanzler wurde, war ich noch ein Teenager, aber es war ein großer politischer Schock. Premierministerin Margaret Thatcher, seit 1975 Vorsitzende der britischen Konservativen ließ sich zu dem Satz hinreißen, sie könne nicht verstehen wieso die Deutschen einen so ausgewiesenen Fachmann wie Helmut Schmidt durch diesen Provinzler ersetzten.
Das war doppelt erstaunlich; denn einerseits gehörte es sich nicht die neue Regierung eines Partnerlandes derart zu brüskieren und andererseits waren Kohl und Thatcher beide Vorsitzende ihrer rechten Parteien. Die englische Lady war bekannt als Sozialistenfresserin und sollte sich also eigentlich gefreut haben, daß ein SPD-Kanzler verschwand und durch einen ihrer Parteifreunde ersetzt wurde.

Thatchers schlimmste Befürchtungen bestätigten sich bedauerlicherweise in den nächsten Jahren. Sie litt jedes Mal, wenn sie mit ihm zusammentraf und veröffentlichte später als Rentnerin ihre Version der gruseligen Saumagen-Fressorgien in der Pfalz. Kohl wiederum nahm es der Premierministerin übel, daß sie sichtlich abgestoßen von seinen Deidesheimer Provinz-Orgien mit Fressen, Furzen, Saufen war.

[…..] Helmut Kohls Urteil war derart harsch, dass es bis heute überliefert ist: Thatcher sei „eiskalt“, ließ er durchsickern. Er scheue sie „wie der Teufel das Weihwasser“. Aus der gegenseitigen Abneigung machte auch die Eiserne Lady kein Hehl. Kohl war für sie der Inbegriff des deutschen Tollpatsches: Er lud sie zu Pfälzer Saumagen ein und stellte damit erst recht seine Unzivilisiertheit unter Beweis. [….]

[…..] Die schlechte Chemie zwischen der „Eisernen Lady“ und Bundeskanzler Helmut Kohl beeinflusste  auch Thatchers Haltung zur Einheit. Sie konnte Helmut Kohl nicht ausstehen. Das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit: Der damalige Bundeskanzler benutzte „unaufschiebbare Amtsgeschäfte“, um sich nicht in Salzburg mit der „Eisernen Lady“ zu treffen. Stattdessen mampfte er Sahnetorte in einer Konditorei.  […..]

Als Helmut Kohl 1999 ankündigte die Beerdigung von Raissa Maximowna Gorbatschowa zu besuchen, ließ Thatcher sicherstellen, daß er nicht auch zu ihrer Beerdigung auftaucht.

In meiner Familie hatte man sich 1982 kaum vom 1980er „Stoppt Strauß-Wahlkampf“ erholt. Mehrere Verwandte hatten konkrete Auswanderungspläne für den Fall eines Strauß-Sieges geschmiedet. Und nun also Kohl?

1982 begann ich aus dem SPIEGEL (und anderen Zeitungen) Kohl-Zitate auszuschneiden und an die Wand zu pinnen. Es gab damals die Rubrik „Worte der Woche“, in der Kohl fast jedes Mal auftauchte, weil der Mann so unfassbar ungebildet war, daß er kontinuierlich Dümmlichkeiten absonderte.
Natürlich hatte ich mir nicht vorstellen können meine „Birne-Wand“ 16 Jahre lang aufzustocken.
Zwei Umzüge machte sie mit, bis sie eine ganze Wand in meiner Küche füllte.



Im Gegensatz zu fast allen Menschen, die jetzt über Kohl schreiben, halte ich ihn nicht für einen großen Kanzler, sondern nach wie vor für eine Katastrophe, die Deutschland schweren Schaden zufügte.
Die deutsche Vereinigung fiel ihm ohne sein Zutun in den Schoß und die dabei gefallenen Grundsatzentscheidungen – Ausverkauf des gesamten DDR-Volkseigentums über die Treuhand an westliche Investoren, sowie das fatale Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ – führten blitzschnell zu Massenarbeitslosigkeit und breiter Verarmung im Osten.

Kohl war ein korrupter Krimineller, der Wirtschaftspolitik einseitig zu Gunsten der Konzerne betrieb und darüber hinaus menschlich ein besonders schäbiger Charakter war. Das zeigt unter anderem sein unterirdisches Verhalten gegenüber seiner ersten Frau, seinen Söhnen und seinen Enkeln, sowie der schäbigen Behandlung seines treuen Ecki Seebers.
Der „ewiger Bundeskanzler“ war nicht nur ein schlechter Politiker und notorischer Rechtsbrecher, sondern ein Sadist, der es genoss andere zu demütigen.
So ist beispielsweise überliefert wie er als Mainzer Ministerpräsident die CDU-Granden zu Wanderungen nötigte und dabei Bernhard Vogel auf jeden einzelnen Hochsitz klettern ließ, weil er wußte, daß Vogel unter extremer Höhenangst litt.

Kohl wußte nie was sich gehört und lernte nie dazu. Als er ohne seine Söhne aber mit Kai Diekmann 2008 seine Maike heiratete, ließ er sie die alten Klamotten und Schmuck von Hannelore auftragen – offensichtlich gegen den erbitterten Widerstand seiner Kinder, die er damit öffentlich demütigte.


Helmut Kohl ist so nachtragend, daß er dafür sorgte, daß weder der Bundespräsident (weil Steinmeier Sozi ist!) noch die Bundeskanzlerin (hat ihn aus dem CDU-Ehrenvorsitz gedrängt) auf seiner Beerdigung spricht.
Seine Familie wird ebenfalls ausgesperrt. Walter Kohl und den Enkeln erteilte Maike Kohl-Richter Hausverbot und offensichtlich werden die Söhne gar nicht bei der Beerdigung anwesend sein.

Frauen wie Brigitte Seebacher und Maike Richter veranlassten mich schon 2013 die indische Tradition der Witwenverbrennung in positivem Licht zu sehen.

Natürlich darf und soll man anlässlich eines akuten Todesfalles die Person in einem etwas milderen Licht sehen, aber nachdem ich mich 30 Jahre intensiv mit diesem Mann beschäftigt habe, fällt mir nichts Positives zu ihm ein.
Ich will einräumen, daß er es verstand für die CDU Wahlen zu gewinnen und politische Macht an sich zu raffen, aber genau diese ewige bleierne CDU-Herrschaft machte Deutschland so unangenehm und rückständig.

Ich verstehe auch nicht wie Herr Juncker auf die Idee kommt, Kohl sei ein großer Europäer.
Kohls engster politischer Freund und letzter privater Besucher in Oggersheim war Viktor Orbán. Maike und Helmut Kohl bewundern den rechtsextremen Antisemiten so sehr, daß sie versuchten ihn als Redner bei Kohls Beisetzung durchzudrücken. Orbán, der in Ungarn Sinti und Roma, sowie Homosexuelle jagen läßt, Universitäten schließt, die nicht auf Linie sind, die Pressefreiheit und Gewaltenteilung abschafft, ist der große Spaltpilz Europas. Was sagt es über Helmut Kohl aus diesen braunen Magyaren als Redner bei seinem endgültigen Abschied zu wünschen?

[…..] Orbáns Aussagen am Samstag zusammengefasst lauteten: Europa läuft Gefahr "übernommen" zu werden, was "die Träume einer handvoll gut betuchter Aktivistenführer" erfülle, "die niemand gewählt hat und die glauben, über den Staaten zu stehen." Es sei dabei nicht "ohne Berechtigung, an die Soros-Stiftungen zu denken." Der Finanzinvestor George Soros (ungarisch-jüdische Wurzeln) sei die zentrale Figur bei der Umsetzung. Damit spielt Orbán nicht nur unmissverständlich die antisemitische Karte, sondern warnt auch die NGO´s, viele von ihnen u.a. von Soros` Open Society Foundation mitfinanziert, die in Ungarn eine ganz ähnliche Behandlung erfahren wie in Putins Russland und als "Agenten fremder Mächte" qualifiziert und behandelt werden, unter Einsatz und Missbrauch aller staatlichen Gewalten. Orbán genoss einst übrigens selbst ein Soros-Stipendium...
Man könne den maßgeblichen europäischen Playern gar keine Inkompetenz beim Umgang mit der Flüchtlingskrise unterstellen, vielmehr handele es sich um die planmäßige Umsetzung einer "linksintellktuellen Konstruktion", deren Ziel es sei, die Nationalstaaten aufzulösen oder zu schwächen. "Diese Konspiration, diesen Verrat, mit dem wir konfrontiert sind, müssen wir bekämpfen, dazu müssen wir uns an die Demokratie, an das Volk wenden." Man wolle Europa den Völkern wegnehmen. Indirekt unterstellte er bei einer nachfolgenden Rede am Wochenende auch Angela Merkel, fremdgesteuert zu sein.
Orbán bedient damit - kaum noch verklausuliert - die von Neonazis lancierte und von zahllosen "Besorgten" übernommene Theorie, wonach das "Finanzjudentum" die Weltherrschaft erringen bzw. sicherstellen will, in dem es die Völker durch Umvolkung ihrer Identitäten beraubt, um sie so besser knechten zu können. Die Flüchtlingswelle wird bewusst provoziert und nach Europa gelenkt, um dort eine Art Umvolkung vorzunehmen, damit bürgerliche Emanzipation zu schwächen und willige Arbeitssklaven zu schaffen. Sein "Aufruf an das Volk" ist indes nichts anderes als die Umsturzaufrufe von Pegida und anderen Nazigruppen, allerdings getätigt durch einen Regierungschef eines EU-Landes. [….]

Dem späten Helmut Kohl gefiel Herr Orbán also mehr als die eigene CDU-Bundeskanzlerin.

Nun ja, auch bei Kohl selbst gibt es Hinweise auf Antisemitismus.

Kohl misstraute Israel und „den Juden“. Daher versuchte er zum Biepsiel anfangs das zentrale Mahnmal in Berlin zu verhindern.

[…..] Nun hat der Je­na­er His­to­ri­ker Ja­cob S. Eder in ei­ner preis­ge­krön­ten Dok­tor­ar­beit Kohls da­ma­li­ge Ge­schichts­po­li­tik zum Ho­lo­caust ana­ly­siert. Eder kommt zu ei­nem bri­san­ten Be­fund: 40 Jah­re nach Kriegs­en­de wa­ren an­ti­se­mi­ti­sche Vor­ur­tei­le und Kli­schees un­ter CDU-Po­li­ti­kern und kon­ser­va­ti­ven ho­hen Be­am­ten der Bun­des­re­gie­rung ver­brei­tet. Selbst der Kanz­ler war nach Eders Re­cher­chen nicht frei da­von.

Der His­to­ri­ker hat in Ak­ten des Kanz­ler­amts und des Aus­wär­ti­gen Amts re­cher­chiert, die Be­rich­te Kohls im CDU-Bun­des­vor­stand aus­ge­wer­tet und Nach­läs­se von CDU-Po­li­ti­kern durch­ge­se­hen. Im­mer wie­der stieß er auf an­ti­se­mi­ti­sche Ste­reo­ty­pe.
Etwa je­nes über die an­geb­li­che Macht „der Ju­den“, die in den USA Zei­tung, Fern­se­hen und Ra­dio oder so­gar das Wei­ße Haus steu­er­ten. Der CDU-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Pe­ter Pe­ter­sen warn­te 1985 in ei­nem Schrei­ben an den CDU/CSU-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den Al­fred Dreg­ger, die deutsch-ame­ri­ka­ni­schen Be­zie­hun­gen wür­den „wirk­sam ver­gif­tet wer­den“, falls es nicht ge­län­ge, „die ein­fluss­rei­chen Ju­den in Ame­ri­ka zu be­frie­di­gen oder min­des­tens zu neu­tra­li­sie­ren“. Pe­ter­sen glaub­te, der „jü­di­sche Ein­fluss“ auf die ame­ri­ka­ni­schen Mas­sen­me­di­en sei „nicht zu über­schät­zen“.
Auch der an­ti­se­mi­ti­sche Stan­dard­vor­wurf, Ju­den wür­den den Ho­lo­caust für po­li­ti­sche Zwe­cke in­stru­men­ta­li­sie­ren, taucht häu­fig auf. So er­zähl­te Kohl 1983 vor Par­tei­freun­den, „füh­ren­de Ju­den“ in den USA woll­ten mit dem Ge­den­ken an den Ju­den­mord „ei­nen mo­ra­li­schen He­bel an­set­zen, um der ame­ri­ka­ni­schen Öffent­lich­keit fort­dau­ernd zu sa­gen, ihr müsst Is­ra­el auf Ge­deih und Ver­derb un­ter­stüt­zen“.
Eder wirft Kohl und sei­nem Um­feld ei­nen „se­kun­dä­ren An­ti­se­mi­tis­mus“ vor. [….]
(DER SPIEGEL, 38/2016 s. 54)

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