Freitag, 17. Juni 2016

Amerika versus Deutschland.



Amerika ist schon ein irgendwie erstaunliches Land.
Die Heterogenität der Nation betone ich ohnehin immer. Den liberalen Typen in den Universitätsstädten der Ostküste drehen sich genauso die Mägen um beim Gedanken an die Rednecks aus dem Biblebelt wie umgekehrt.

Trumps Aufstieg zu verfolgen brachte wieder den Gruselfaktor meines Amerikabildes auf Maximalwerte.

There is an "excellent chance" that Donald Trump will become the next president of the United States, and Americans "need to take that very seriously," controversial filmmaker Michael Moore said Thursday.
"He knows how to manipulate a dumbed-down population," Moore, who has backed Democratic candidate Bernie Sanders' presidential campaign, said during a press conference in London while promoting his latest film, "Where to Invade Next," reports NBC News.
Moore went on to comment that in the United States, "the population of schools has been wrecked, and the news media is just insipid and stupid and doesn't give the people the facts about what's going on."
As a result, he continued, the public is "easily manipulated" by someone like Trump.
"He's not as stupid as he looks," Moore said of Trump. "You should take it very seriously He knows the manipulation that's going on here, and the use of propaganda and the way he's doing it is just brilliant in the way that he is succeeding and has succeeded."


Was sind das nur für groteskte Typen, die zu Millionen seinen komplett absurden und gelogenen Tiraden zujubeln?

Wenn man den Umfragen glauben darf, stellen sich allerdings die meisten Amerikaner diese Fragen.


Nach Trumps ausführlicher Post-Orlando-Selbstbeweihräucherung unkte die Presse noch, dieser Monsteramoklauf werde die islamophpobe Hysterie extrem verstärken und damit Trump ins Oval Office bringen.

Amerika ist sicher das Land der extremen Umschwünge, aber nun gibt es erste Anzeichen, daß Trump auch überzogen haben könnte.
Die 50 hingemetzelten Leichen in Florida derart zu instrumentalisieren, während sich der Rest des Landes bemüht jetzt zusammen zu stehen, Solidarität zu zeigen und sich hinter dem Präsidenten schart, könnte eine Umdrehung zu viel gewesen zu sein.
Nun fragen sich noch mehr Amerikaner, ob Trump wirklich der Richtige ist für den Präsidentenjob.

Trump stürzt ab
[…] In vier Wochen soll Donald Trump zum Kandidaten der US-Republikaner gekrönt werden. Doch seine Umfragewerte sinken dramatisch. In seiner Partei herrscht Panik. […]
 Drei große Erhebungen sind in dieser Woche erschienen, allesamt hatten sie schlechte Nachrichten für den Milliardär. Laut "Bloomberg" liegt Trump derzeit zwölf Prozentpunkte hinter Hillary Clinton. Laut Reuters sind es neun Punkte, laut CBS News sind es sechs Punkte. In allen aktuellen Umfragen bleibt Trump unterhalb von 40 Prozent Zustimmung. Ein erstaunlicher Absturz: Nachdem Trump sich vor sechs Wochen die Nominierung sicherte, lag er in fast allen Erhebungen entweder gleichauf mit Clinton oder sogar vor ihr.
Aber die Kopf-an-Kopf-Frage ist nur bedingt aussagekräftig. Wie schlecht es um den Republikaner steht, zeigen erst die Details. Trumps Imageprobleme haben sich massiv verschärft. […] In manchen Wählergruppen ist sein Rückhalt kaum noch messbar. 96 Prozent der Afroamerikaner halten den Zahlen der "Washington Post" zufolge nichts von ihm, 89 Prozent der Hispanics und 77 Prozent aller Frauen. Laut CBS News liegt Trump in allen Altersgruppen inzwischen teils deutlich hinter Clinton. Bei Amerikanern unter 30 Jahren kommt er nur auf eine Zustimmung von 29 Prozent. […]

Oh Wunder, nach 17 gescheiterten Gegenkandidaten und der überzeugenden Trump-Stimmenmehrheit für die RNC-convention, gibt es sogar erneut Pläne die Loose Cannon noch vom Thron zu stoßen.

A coalition of Republican delegates is mounting a last-ditch effort to block Donald Trump from obtaining the GOP nomination by pushing for a "conscience clause" that would allow delegates to vote against the presumptive nominee.
Kendal Unruh, a Colorado delegate, organized a call with dozens of other delegates Thursday night to discuss ways to block Trump at the convention. The group, Unruh says, marks the coalescing of disparate "pockets of resistance" -- including backers of Sen. Ted Cruz, Sen. Marco Rubio and Ohio Gov. John Kasich -- which had been opposing Trump with little success.
"This is a coalition of Kasich, Cruz and Rubio (supporters) and we are all agreeing on one goal, which is: Anybody but Trump," Unruh said Friday.

Natürlich sind das schwache Versuche, die viel zu spät kommen.
Natürlich sind die bundesweiten Umfragen sehr wenig aussagekräftig, da die meisten Stimmen de facto feststehen.
In Texas oder Kalifornien braucht man nicht zur Wahl zu gehen, es kommt auf ganz wenige Swingstates an.
Es bestimmen also womöglich wenige Zehntausend Wähler in Florida, Pennsylvania, Ohio und Michigan.

Aber immerhin, wie man an den Beispielen Gay Marriage und Haschischlegalsierung sehen kann, ändert sich die öffentliche Meinung in den USA manchmal sehr schnell.



Und wer weiß, vielleicht kommt nach Orlando und Senator Christopher S. Murphys 15-Stunden Filibuster doch noch mal Bewegung in die Debatte  um Gun Violence.

48 people were shot during a 15-hour filibuster on gun control.


WIR, ich natürlich auch, empören uns über den US-amerikanischen Waffenwahn und die amerikanischen Waffengesetze.
Darüber sollte man aber nicht vergessen, daß Waffenbesitz in Deutschland auch recht locker gehandhabt wird.

In Deutschland gibt es zehn Millionen legale Schusswaffen in privater Hand. Und 20 Millionen illegale, so die Schätzungen. Wer braucht so viele Waffen und wofür? Der Film nähert sich dem Thema nüchtern und unvoreingenommen.

Kein europäisches Land ist so bewaffnet wie Deutschland.
Und anders als in Amerika gibt es in Deutschland so gut wie gar keine Politiker, die sich eine Verschärfung der Waffengesetze auf die Fahnen geschrieben haben.

Die Rolle von NRA und GOP übernehmen in Deutschland die Unionsparteien und Schützenvereine.
Als Wolfgang Schäuble 2005 nach den sieben rotgrünen Jahren erneut Innenminister wurde, machte er sich bald daran auf Druck der Waffenlobby die Gesetze zum Erwerb von Schusswaffen zu lockern.
Schützenvereine bilden immerhin eine Stamm-Wählerschaft der CDU.
So beschützte Schäuble auch nach dem Amoklauf von Winnenden die Waffenlobby und sperrte sich gegen alle Waffenrechtsverschärfungen.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble lehnt eine Verschärfung des Waffenrechts oder die Aufstellung von Metalldetektoren an Schulen nach dem Amoklauf von Winnenden ab.

Man sollte also von Deutschland aus nicht ganz so herablassend auf die aberwitzigen Waffengesetze der USA gucken.
Die schwer bewaffneten deutschen „Sportschützen“ sind wie in Erfurt und Winnenden durch die Protektion konservativer Politiker auch in Deutschland sehr erfolgreich. Da haben strengere Waffengesetze keine Chance.

Einer, der sonst Mr. Knallhart schlechthin ist, hält sich allerdings auffällig bedeckt:

Unser aller Innenminister Schäuble, der sonst geradezu davon besessen ist abzuhören, videozuüberwachen, Email-Trojaner zu schicken und auch sonst jedes Grundrecht zu beschneiden, weiß gerade also keine sicherheitspolitische Forderung, die alles toppen würde?
Das mag daran liegen, daß Schäuble nicht gerne an seine Aktion vom September 2007 erinnert wird, als sein Ministerium damit vorpreschte das nach Erfurt von Rot/Grün verschärfte Waffenrecht zu lockern.
Daß man erst mit 21 Jahren an Waffen kommen darf, war dem CDU-Innenminister zu streng.
Künftig sollten schon 18-Jährige Zugang zu Waffen bekommen.
Ein durchaus bemerkenswerter Vorgang - geht es hier doch um die Inkarnation des Hardliners unter allen Politikern, der im krassen Widerspruch zu seiner sonstigen Linie auf einmal ganz liberal wird - und das ausgerechnet beim Waffenrecht.
Schäuble geriet in unruhiges Fahrwasser und redete sich mit einer anstehenden EU-Richtlinie heraus.
Eine Lüge - denn das EU-Recht läßt den Staaten freie Hand solange sie das Mindestalter von 18 Jahren nicht noch UNTERschreiten.
Im Punkt „Parlament dreist anzulügen“, ist der Innenminister allerdings Gewohnheitstäter - wir erinnern uns an die legendäre geldkofferlüge, die er vom Rednerpult aus auf direkte Nachfragen von Christian Ströbele losließ.
Woher nun also dieser Drang der schwärzesten Unionsmänner bei der Verfügbarkeit von Waffen alle Augen zuzudrücken?

Nun, da ist die Waffenlobby, die zwar nicht so lange Arme wie ihr großer Bruder NRA hat, aber dennoch offenbar mühelos bis ins Bundesinnenministerium langen kann.
Nur blöd, daß es eine große Koalition gibt, so daß Schäuble letztendlich gezwungen wurde den Plan wieder vom Tisch zu nehmen.

Jürgen Kohlheim, Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes, ist enttäuscht. "Wir halten es für grundsätzlich sinnvoll, wenn die Verschärfungen, die nach Erfurt erfolgt sind, wieder rückgängig gemacht werden", sagt er im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Auch beim "Forum Waffenrecht", einer Interessensvereinigung für Waffenbesitz, wird die Volte aus dem Schäuble-Ministerium bedauert. Die Anhebung der Altersgrenze auf 21 Jahre sei nie besonders sinnvoll gewesen, sagt deren Sprecher Joachim Streitberger.

Zum Anderen kommt Wolfgang Schäuble aus Baden Württemberg - der Heimat von Waffenproduzenten wie Heckler und Koch.

A propos - was sagt denn eigentlich unser oberster Heckler und Koch-Propagandist Volker Kauder, im Nebenberuf CDU-Fraktionsvorsitzender, zu dem heutigen Amoklauf?

Statt "eilig über die Verschärfung der Waffengesetze" zu diskutieren, muss erstmal geklärt werden, was passiert ist und wie der Amokschütze an die Waffen kommen konnte", sagte der CDU-Politiker.

Honi soit qui mal y pense .....


Deutschland unter Waffen? Ein Film von Lutz Hofmann.

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