Montag, 2. Mai 2016

Thema durch



Jeden Tag staune ich erneut über die Verblödung und sagenhafte Uninformiertheit der Menschen.
Man könnte sich heute so leicht wie nie informieren.
Es gibt doch alle Angebote.
Daher muß man leider in seinem privaten und social-media-Umfeld immer wieder alles erklären.

Manchmal allerdings kommt ein Punkt, an dem man merkt, daß man zu Erklärungen genötigt wird bei Dingen, die schon lange abgefrühstückt sind.
So lange, daß man es aufgibt erneut Rechtfertigungen aufzusagen.

Warum er denn Frauen, Schwule und Sikhs in der Regierung hätte wurde Justin Trudeau vor einigen Monaten gefragt.
Because it’s 2015“ so seine inzwischen legendär-lapidare Antwort.


Recht hat er, der Kanadier.
Muß man sich etwa ernsthaft immer noch erklären, wenn man nicht Regierungen ausschließlich mit weißen, grauhaarigen anzugtragenden Männern bestückt?

Ähnlich albern wird die TTIP-Angelegenheit inzwischen.
Seit 2013 wird darüber verhandelt und immer noch sollen die 800 Millionen Menschen, die es betreffen wird auf Wunsch von Konzerninteressen im Dunkeln gehalten werden?

Ja, die deutsche Bundesregierung verfügt über besonders wenig Rückgrat, läßt sich devot nickend von amerikanischen Diensten ausspionieren und wagt es bis heute nicht Edward Snowden, der unter anderem die Bespitzelung Merkels öffentlich gemacht hatte, die Einreise zu genehmigen, weil Washington ja was dagegen haben könnte.

Ob TTIP mehr schadet oder mehr nutzt?
Ich vermute, Ersteres trifft zu.
Wissen kann man es nicht, weil die Verbraucher diesbezüglich wie Champignons gehalten werden: Im Dunklen gelassen und mit Mist gefüttert.

Dank Greenpeace und des Rechercheverbundes SZ/NDR/WDR sind nun einige Verhandlungspositionen geleakt worden.

Die TTIP-Leaks bestätigen, was Kritiker schon lange fürchten: Die USA führen die Verhandlungen als Diener der Konzerne. Die EU kann sich darauf kaum noch einlassen. [….]

Die Amis sind richtig pissed und Profikriecherin Angela Merkel, die zuvor gerade erst vor der NSA, dann vor Präsident Erdogan und zuletzt noch einmal vor der deutschen Autoindustrie auf Knien rutschte, versucht zu retten was zu retten ist.

Im rauen Verhandlungsklima sind am Ende auch andere Optionen denkbar. Brüssel könnte weich werden. Bisher fehlen wirklich klare Worte in der Öffentlichkeit: Wenn sich Washington nicht bewegt, dann gibt es kein Abkommen!  So deutlich war das bisher aus Brüssel nicht zu hören. Die europäischen Bedingungen könnten also leicht unterlaufen werden. [….]

Wer soll ausgerechnet einer Merkel-dominierten EU glauben, sie würde nicht ihre Werte verraten?

Die Kanzlerin will einfach so weiterwurschteln und TTIP schnell abschließen.

Die Parteien der deutschen Regierungskoalition sind sich offenbar nicht einig über die Bewertung der veröffentlichten TTIP-Dokumente. Die Kanzlerin will an einem schnellen Abschluss der TTIP-Verhandlungen festhalten. "Wir halten den zügigen Abschluss eines ehrgeizigen Abkommens für sehr wichtig", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Grundsätzlich wolle die Bundesregierung alles tun, um bei den Verhandlungen voranzukommen. […]

Und hier bin ich an dem Trudeau-Punkt angelangt.
Ich will gar nichts mehr hören darüber wie dringend die Regierung TTIP will und wie toll das alles werden könnte.

Es soll endlich veröffentlicht werden worüber überhaupt verhandelt wird, because it’s 2016.

In welchem Jahrhundert leben wir denn, daß Merkel meint solche weitreichenden Dinge buchstäblich im geheimen Hinterzimmerchen tun zu können?
Das Feudalzeitalter, in dem alles von oben entschieden wird, ist vorbei.
Es gibt nichts zu erklären, zu vermuten, zu eruieren und abzuwägen beim Thema Transparenz im Internetzeitalter.

Bermerkenswerterweise trat für die SPD und Gabriels Ministerium heute nur sein Staatssekretär Matthias Machnig vor die Kamera und der klang keineswegs mehr so, als ob TTIP kommen müsse.
Weg mit den albernen Konstruktionen wie Geheimleseraum und Sprechverbot.

Wenn Obama tatsächlich auf diese hochabstruse Form der Geheimniskrämerei besteht, dann soll man ihm die Tür vor der Nase zuschlagen.
So wollen wir Europäer nicht mehr behandelt werden, because it’s 2016.

2 Kommentare:

  1. Es ist zumindest interessant zu wissen, wo die Interessen verortet sind. So bekommt die Torpedierung deutscher Automobilhersteller ein völlig neue Fascette. Man schwächt seine Gegner, um Druck aufzubauen. Sicherlich hat die NSA das Geheimnis der Betrüger aufgespürt und so konnte man ihnen die Maske herunterreißen.

    Interessant auch, dass man es plötzlich so eilig hat. Noch dieses Jahr will man das Abkommen unterzeichnen! Das wird die Profiteure freuen. Also die Konzerne, die dann noch mehr Geld scheffeln können und noch weniger um den Verlust ihrer Spekulationen fürchten müssen. Wenn Europa neue Regeln erlässt, kann man sich den Schaden einfach über ein Verfahren vergelten lassen!

    Vermutlich denken die Amerikaner, dass Europa unter dem Kommunisten Trump noch weniger Vertrauen erübrigen wird. Recht haben sie! Also schnell, schnell...

    Ein Gesetz mehr, dass gegen den Volkswillen abgeschlossen wird. Toll, dass unsere Demokratie wirklich funktioniert.

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    1. Gerade wurde ich gefragt was man dagegen tun könne, wenn doch die bisherigen Unterschriftensammlungen nichts gebracht hätten:

      Wenn ich Anfragen und Links zu Online-Petitionen bekomme, klicke ich das inzwischen sowieso immer gleich weg. Das interessiert doch niemanden in einem Ministerium oder einer Konzernzentrale.

      ABER man kann natürlich die Politiker unter Druck setzen, indem man die Abgeordneten penetriert, Briefe schreibt, aus Parteien austritt, anders wählt.

      Ich DENKE, das hat bei der SPD durchaus schon funktioniert. Sigmar Gabriel hatte sich ja erst immer für TTIP stark gemacht,
      Inzwischen hat er aber begriffen, daß ihm das massiv schadet. Die Leute finden ihn kacke, wählen nicht mehr die SPD und treten aus der Partei aus.
      Wenn die SPD unter 20% gerät, verlieren auch viele Dutzend Abgeordnete ihren Job - DAS wollen sie nicht!!!
      Deswegen tritt in der SPD-Spitze auch keiner mehr für TTIP ein. Ich denke, da ist ein echter Dissens zur CDU und die Sozen wissen, daß sie an der Wahlurne kastriert werden, wenn sie den Vertrag im EU-Parlament einfach abnicken sollten.

      Grüne und Linke sind ohnehin gegen TTIP.
      Also hängt es an der Union.

      Wäre natürlich schön, wenn CDU/CSU-Wähler ebenso massiv vorgingen gegenüber ihren Parteien, aber die sind natürlich vom ganzen Habitus her viel indolenter.

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