Montag, 13. Juli 2015

Der gefährlichste Mann Europas.


Oh wie altmodisch ich doch bin. Ich sehne mich 30 Jahre zurück, als Typen wie Harold Wilson, Helmut Schmidt und Valéry Giscard d'Estaing in Rambouillet zusammen saßen, um mal wirklich Klartext zu sprechen, um die wirklich drängenden Fragen der Zukunft konstruktiv anzugehen.

2015 geht es schon lange nicht mehr um Sachpolitik.

Schließlich ist das fünf Jahre lang ausprobiert worden. Das Ergebnis ist klar: 30% der Griechen leben unter der Armutsgrenze, die Gesamtwirtschaftsleistung brach um 25% ein, die Jugendarbeitslosigkeit stieg auf unfassbare 50%.

Ungeniert präsentieren aber gerade mal wieder die ARD-Tagesthemen mit Merkels Büttel Reinald Becker dreiste Fehlinformationen („500 Milliarden Hilfsgelder sind nach Griechenland geflossen“ – NEIN sind sie nicht – fast alles ging in die Kassen der Gläubigerbanken in Deutschland und Frankreich!) und Hetze („Der Grieche hat jetzt lang genug genervt“).

Daß diese Art Politik in Berlin gemacht wird, hat einen Grund: Sie kommt bestens an beim desinformierten Urnenpöbel.

Schäubles und Merkels Beliebtheit stieg auf Rekordwerte, nachdem sie andere Länder mal so richtig gedemütigt hatten.


Da kommt der abscheuliche Dumpfdeutsche zu Tage, den man zu Recht nicht leiden kann.

Das ist zwar peinlich für Deutschland und schäbig für die CDU, aber es hat auch eine internationale Dimension.
Deutschland ist so wieder zum „hässlichen Deutschen“ geworden.
Merkel, die laut Amtseid eigentlich den Schaden abwenden und Nutzen mehren sollte, hat einen gewaltigen Imageschaden verursacht und nebenher auch noch mal eben mindestens eine Volkswirtschaft ruiniert.
Zu komisch, daß einst Oskar Lafontaine hartnäckig als der gefährlichste Mann Europas diskreditiert wurde, als er versuchte den entfesselten Finanzkapitalismus etwas zu bremsen.
Der gefährlichste und destruktivste Mann Europas ist Wolfgang Schäuble!


Der Mann, der sechs Jahre als Finanzminister auf ohne sein Zutun übersprudelnden Kassen sitzt, aber nicht in der Lage ist auch nur einen Vorschlag zu machen wie das deutsche Mehrwertsteuerchaos nur ein Fünkchen übersichtlicher werden könnte und nun von Syriza verlangt ein Mehrwertsteuergesetz in 48 Stunden zu verabschieden.


So scheitert Europa! Merkel und Schäuble haben dank einer ekligen Allianz alle deutschen Forderungen durchgesetzt. Das Ergebnis: ein Sanktions- und Zwangsregime.
[….] In einem noch nie dagewesenen Durchmarsch haben Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble alle deutschen Forderungen durchgesetzt. Sie laufen darauf hinaus, Premier Alexis Tsipras und seine Syriza zu bestrafen und Athen unter Kuratel zu stellen.
Nun kommt nicht nur die Treuhand-Anstalt nach DDR-Muster. Auch die verhasste Troika darf in Hellas wieder das Zepter übernehmen. Gleichzeitig wird das Parlament entmachtet: Es muss alle Spar- und Reformvorgaben abnicken und automatische Budgetkürzungen erlauben.
Ausgedacht hat sich diesen Coup unser beliebter Herr Schäuble. Mit seinem mittlerweile berühmt-berüchtigten Positionspapier hat er schon vor dem Gipfel die Weichen gestellt. Er kam damit Ländern wie Finnland entgegen, die Griechenland aus dem Euro drängen wollen und seit jeher Sicherheiten für neue Hilfen fordern.
[….] Beschämend ist auch, wie Merkel und Schäuble ihre traditionellen Partner vor den Kopf gestossen haben. Nachdem sie ihr Bündnis mit Finnland und anderen Hardlinern geschmiedet hatten, ließen sie alle Forderungen aus Italien oder Frankreich an sich abprallen.
Kein Wunder, dass die italienische Presse schon eine neue Berliner Mauer entstehen sieht. Auch in Frankreich ist man entsetzt über das autoritäre und egoistische deutsche Vorgehen. [….]
 (Eric Bonse taz 13.07.15)


[….] Griechenland hat kapituliert, Deutschland gesiegt - das ist die traurige Bilanz des Wochenendes. Denn die Diplomatie von Wolfgang Schäuble war die Rückkehr Europas zu früheren Machtgefügen, in denen der Stärkere seinen Willen durchsetzt.
Die Bundesregierung hat an einem einzigen Wochenende siebzig Jahre Nachkriegsdiplomatie zunichte gemacht. [….] Was am Wochenende in Brüssel passierte, war die Rückkehr Europas zurück zu Machtgefügen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in denen der Stärkere dem Schwächeren seinen Willen aufzwang. [….] Was Deutschland und die anderen Kreditgeber Athen da aufdrängen, ist so extrem, dass man nicht nur in Griechenland schockiert ist. Es wird einige Tage dauern, bis man dort die Ereignisse des Wochenendes verdaut hat.
Die entrüsteten Reaktionen, die ich wahrgenommen habe, kamen nicht einmal von den üblichen Verdächtigen, sondern von eher konservativ gesinnten Deutschland-freundlichen Ökonomen. Von Leuten wie Luis Garicano etwa, einem bekannten spanischen Wissenschaftler, der das politische Programm der neuen konservativen Partei Ciudadanos geschrieben hat und der in der Vergangenheit die deutsche Position eher zu verteidigen geneigt war. "Die Euro-Gruppe hat auf die Vorschläge von Tsipras falsch reagiert. Dort gerät die Diskussion jetzt außer Kontrolle und erzeugt irreparablen Schaden für die EU. Sehr besorgniserregend", schrieb er auf Twitter.
Deutschland stellt mit seiner Diplomatie sicher, dass das jetzt beschlossene Griechenland-Programm keinesfalls funktionieren wird. [….]


Warum ein Nobelpreisträger auf Deutschland losgeht
[….]   Derzeitiger Lieblingsfeind Krugmans allerdings ist die Bundesrepublik Deutschland, wegen der deutschen Sparsamkeit im Allgemeinen und des Kurses von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble gegenüber Griechenland im Besonderen. In seinem Blog "The Conscience of a Liberal" schrieb er am Sonntag: "Die komplette Kapitulation reicht Deutschland nicht. Es will einen Regimewechsel und die totale Demütigung." Krugman schloss sich damit einer Hasskampagne gegen Deutschland an, die am Wochenende die Netzgemeinde beschäftigte. Am Montag legte er noch nach: "Das europäische Projekt, das ich immer gelobt und unterstützt habe, hat einen schrecklichen, vielleicht sogar tödlichen Schlag erhalten. Und, was immer man von Syriza und Griechenland halten mag, es waren nicht die Griechen, die ihn ausgeführt haben." [….]

"Die Euro-Familie hat sich als ein kreditwucherndes Konglomerat entpuppt, das sich nicht um die Demokratie kümmert. (…) Die Welt sieht dabei zu, wie Griechenland im Namen der Stabilität entmündigt wird. (…) Die harte Linie ist nicht förderlich, sie ist einfach nur hart um des "Hart-Sein-Willens".
(The Guardian, Großbritannien, 13.07.15)


Die Nacht, in der Deutschland Tspiras in die Zange nahm. Ein Kompromiss? Eigentlich ist es eher etwas, das wie eine Kapitulation des griechischen Premier Alex Tsipras erscheint.
(Le Monde, Frankreich, 13.07.2015)


"Die größte Bedrohung Europas heute sind weder Putin noch der islamische Fundamentalismus, weder die USA noch China, weder die Euroskeptiker noch die Populisten. Die größte Bedrohung Europas heute stellt Wolfgang Schäuble dar, der deutsche Finanzminister. Schäuble weiss, dass er gar nicht im Recht sein muss. Es reicht, der Finanzminister des reichsten Landes der EU zu sein. Die jüngste Forderung eines Privatisierungsfonds, der von den Gläubigern kontrolliert wird, scheint aus dem schlimmsten Kolonialismus und Imperialismus des 19. Jahrhunderts zu kommen.
(Público, Portugal, 13.07.2015)

"Brüssel legt Athen auf die Folterbank“
 (Volkskrant, Niederlande, 13.07.2015)


"Der Weg zum harten Hilfsprogramm, was mehr als 80 Milliarden Euro für die Griechen sichern soll, war ein langsamer, erniedrigender Vorgang, ein Pokerspiel mit Multi-Milliarden-Beträgen, bei dem die ganze Welt zuschaute."
(The Irish Times, Irland, 13.07.15)

"Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone haben am Montagmorgen die Fortsetzung der gescheiterten "Rettungspolitik" beschlossen.“
(Frankfurter Rundschau, 13.07.2015)


"Europa hat in Alexis Tsipras einen charismatischen Vorkämpfer, einen, dem Europa wichtiger ist als der kurzfristige parteipolitische Vorteil, mancher bizarr anmutenden Volte zum Trotz. Sollte er über diese Haltung stürzen, wäre das ein Verlust vor allem auch für die europäische Idee."
(Berliner Zeitung 13.07.15)

Beinahe im Minutentakt feuert Jeffrey Sachs gerade Tweets ab. Das Ziel: Die deutsche Regierung und ihre - nach Meinung vieler US-Ökonomen - verfehlte Griechenland-Politik.
Jeffrey Sachs ist wütend auf Wolfgang Schäuble. Richtig wütend. Man muss dazu nur verfolgen, was der amerikanische Ökonom am Sonntag auf Twitter verbreitet, während in Brüssel die Euro-Gruppe um die Griechenland-Rettung ringt. Es ist eine ganze Serie von Tweets, und sie haben nur ein Thema: Wie Deutschland - und vor allem Schäuble - die Krise handhabt.
"Ich habe so etwas noch nie gesehen", schreibt Sachs, einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler der Welt in einem seiner Tweets. Schäuble sei absolut gegen Griechenland, sein Verhalten völlig irrational.
[….] Sachs war als Ökonom mit seiner Kritik an Schäuble am Sonntag nicht allein. Aus Äthiopien meldete sich am Abend Joseph Stiglitz zu Wort, der amerikanische Nobelpreisträger ist dort für eine Entwicklungshilfe-Konferenz der UN. Stiglitz warf der Bundesregierung einen "Mangel an Solidarität" vor. [….] Zuvor äußerte sich Paul Krugman - ebenfalls Nobelpreisträger - in seinem Blog für die New York Times. Er schrieb, die Nachrichten aus Europa seien "schrecklich". Griechenland habe schon sehr viel geleistet, aber offenkundig reiche Deutschland die "sustanzielle Kapitulation" der Regierung Tsipras nicht aus; vielmehr gehe es darum, Griechenland vollständig zu demütigen. [….]