Mittwoch, 5. März 2014

Misskonstruktion.


Seit mindestens sechs Jahren hört man von linken Politikern den richtigen Satz: Wir dürfen nicht Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren.
Eins schien endlich Konsens zu werden: Die Hauptursache der Weltfinanzkrise und der drastisch zunehmenden Einkommensungerechtigkeit ist eine von Verantwortung entkoppelte Managerkaste, die ohne persönliches Risiko pro und contra alles wetten dürfen. Sharholder Value, also das unbedingte Primat des kurzfristig maximalen Gewinns vor jedem ethischen, sozialen oder nachhaltigen Gedanken ist die Wurzel allen Übels.
Jeden Monat kann man in einem der großen Wirtschaftsteile Lobpreisungen der Familienunternehmen lesen. Sie kommen besser durch Krisen und gehen seltener pleite.
Die Gründe liegen auf der Hand: Wer einen Betrieb womöglich schon seit Generationen führt, wird nicht am Ende des Geschäftsjahres jeden Cent des Gewinns abziehen, sondern so investieren, daß die Firma eine Zukunft hat.
Man wird Produkte nicht maximal verteuern, um seine Kunden so kräftig wie möglich auszupressen, sondern man wird einen fairen Preis kalkulieren und kurzfristig damit weniger verdienen – dafür aber einen zufriedenen Kunden gewinnen, der auch in den nächsten Jahren Kunde bleibt.
Ein ähnliches Prinzip wurde im heutigen „Hamburger Abendblatt“ über das Ladensterben in Hamburgs nagelneuer todschicker Hafencity beschrieben.
Die von CDU-Beust gebaute seelenlose Luxusstadt für die Schönen und Reichen hat ungefähr so viel Flair wie eine Containerhalde.
Die Gebäude gehören milliardenschweren Immobiliengesellschaften, die Ladenflächen für mindestens 45 Euro pro Quadratmeter an Eisdielen und Blumenhöker vermieten.
Wie so viele Hamburger, gehöre ich zu denjenigen, die sich das im Grunde nur einmal angesehen haben, über die abstoßenden sterilen Betonflächen staunten und die armen däumchendrehenden Ladenbesitzer bedauerten, die einsam in den Türen standen und in die menschenleere Umgebung starrten.

Zu wenige Kunden, zu teure Mieten: Immer mehr Geschäfte müssen aufgeben.
Manchmal sehe es in den Straßen aus "wie in einer Geisterstadt", sagt ein Blumenhändler. In der HafenCity, die eigentlich Hamburgs pulsierender Stadtteil am Wasser werden sollte, müssen immer mehr Läden schließen.
Zu wenige Kunden, zu teure Mieten: Allein in der Ladenzeile am Großen Grasbrook stehen fünf der insgesamt 13 Ladenflächen leer. "Insgesamt hat mich das Abenteuer HafenCity 100.000 Euro gekostet", sagt der Optiker Kevin Schütt, in dessen Geschäft Sehkunst seit einigen Tagen der Räumungsverkauf läuft. Ende März ist die Schließung geplant, Schütt wird für die GmbH Insolvenz anmelden.
Kein Einzelfall. Auch der Unternehmer Nic Mühlenkamp musste vor wenigen Monaten seine Boost Juice Bar aufgeben.
(HH Abla 05.03.14)

Das ist genau das was dabei rauskommt, wenn man wie die CDU nur Immobilienheuschrecken planen läßt, die für ihre Investoren die maximalen Gewinne erwirtschaften wollen: Sie pressen ihre Kunden (in dem Fall: Mieter) so aus, daß sie binnen kurzer Zeit ruiniert sind und nie wieder etwas mieten.
Eine Immobilie in Familienbesitz wäre womöglich weitsichtiger geführt worden. Man hätte den Mietern eher geholfen, wäre ihnen entgegen gekommen, so daß sie prosperieren und weitere Läden anlocken würden.

Die Ladenzeile am Großen Grasbrook gehört aber der „Union Investment“ (Union Asset Management Holding AG), der Investmentgesellschaft der DZ Bank-Gruppe und verwaltet ein Vermögen von 206 Milliarden Euro.
Da sollen die Aktionäre glücklich gemacht werden und so ließ man Schütts Laden "Sehkunst", eine Eisdiele, ein Schuhladen, ein Asia-Restaurant, Mühlenkamps
Saftladen "Boost Juice Bar" und Ünsals Geschäft "Blume Fresh" ohne mit der Wimper zu zucken pleite gehen. Vermutlich ist der zuständige Mitarbeiter der Union Invest ein 23-Jähriger Controler, der eben irgendeine Business-school abgeschlossen hat seine Chefs mit Profitmaximierung beeindrucken will.

Zunächst einmal werden allerdings gar keine Mieteinnahmen mehr fließen. Aber was macht das schon? Schlimmstenfalls gerät die „Union Investment“ in „finanzielle Schieflage“ und jammert dann Herrn Schäuble an, der sofort die Systemrelevanz der DG-Bank ins Spiel bringen wird und daraus messerscharf schließt, daß Bankenabgaben keinesfalls eingeführt werden dürfen.
Unser 23-Jähriger Controler hat unterdessen einen fetten Jahresbonus eingestrichen, zahlt seinen ersten 911er Porsche an und schimpft auf die faulen HartzIV-Schmarotzer.

Dabei reichen eigentlich drei Hirnzellen aus, um sich auszumalen, daß das Vermieter-Geschäft nur funktionieren kann, wenn man die Mieter nicht ruiniert, sondern konstruktiv mit ihnen zusammen arbeitet.

A propos drei Hirnzellen:
Viel mehr Intelligenz hätte man auch nicht gebraucht, um zu erkennen, daß es herkömmlicher Kohle- und Atomstrom in Zukunft schwer haben wird.
Als einer der vier Energieoligopolisten sollte man also den zukünftigen Konkurrenzdruck der vielen Windräder und Solaranlagen fürchten. Man wüßte; die Zukunft liegt in alternativen Energien und hätte deswegen so viel wie möglich in derartige Techniken investiert.
Der zweitgrößte deutsche Energiekonzern RWE hatte aber jahrelang Tomaten auf den Augen und setzte tumb weiter auf dicke umweltverpestende Kohlkraftwerke.

Der zweitgrößte deutsche Energieversorger RWE ist erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik tief in die roten Zahlen gerutscht.  Nach der am Dienstag in Essen präsentierten Bilanz stürzte das Nettoergebnis auf minus 2,8 Milliarden Euro ab. Im Vorjahr hatte RWE noch 1,3 Milliarden Euro verdient.   Grund für den hohen Verlust waren Abschreibungen in Milliardenhöhe vor allem auf konventionelle Kraftwerke. RWE fährt unter Konzernchef Peter Terium einen harten Sparkurs.
Zudem wurden im vergangenen Jahr knapp 3900 Vollzeitstellen gestrichen. RWE hat außerdem bereits mehrere Kohlekraftwerke von Netz genommen, weil sie keinen Gewinn mehr abwarfen.

Häme von Greenpeace – niemand hatte so massiv für Atomstrom und gegen die Energiewende gearbeitet wie Ex-RWE-Chef (2007-2012) Jürgen Großmann. Der 1,4 Milliarden schwere 2-Metermann (Großmann stand damit auf Platz 83 auf der Liste der reichsten Deutschen) ist Mitglied von zwei schlagenden Verbindungen und initiierte im August 2010 den Energiepolitischen Appell, eine Lobbyinitiative der vier großen Stromkonzerne um die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke voranzubringen. Niemand propagierte so sehr den Atomstrom bei Merkel und Rösler wie Jürgen Großmann.
Er wollte einfach nicht wahrhaben und muß jetzt zusehen, wie die von ihm jahrelang verspotteten Greenpeacler Recht hatten.

Gern erwecken die deutschen Stromriesen den Eindruck, als sei die Energiewende vor drei Jahren, nach der Katastrophe von Fukushima, ganz plötzlich über sie gekommen. Tatsächlich wurde das Gesetz, das vielen Energiemanagern heute als Quell allen Übels gilt, schon im Jahr 2000 geschaffen: das Erneuerbare-Energie-Gesetz, kurz EEG.
Auch der Stromkonzern RWE hatte also sehr viel Zeit, sich darauf vorzubereiten, dass in Deutschland Sonne, Wind oder Biomasse die klassischen Energiequellen ersetzen sollen. Doch was tat RWE? Das Unternehmen aus Essen startete noch 2005 ein milliardenschweres Programm, um Kohle- und Gaskraftwerke in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien zu bauen; einen Teil der investierten Milliarden muss das Unternehmen nun abschreiben. […] Man sei spät, vielleicht sogar zu spät in die erneuerbaren Energien eingestiegen, räumte Unternehmenschef Peter Terium ein, als er am Dienstag bekannt gab, dass RWE erstmals seit 1945 einen Verlust gemacht hat. [….]
 (Ulrich Schäfer, SZ vom 05.03.2014)

Man muß sich wohl keine Sorgen um Jürgen Großmann mit seinem privaten Milliardenvermögen machen.
Aber wie sieht es für den armen Peter Terium aus, der seit zwei Jahren RWE leitet und nun aufgrund der Doofheit der RWE-Führung fast 4000 Menschen entlassen hat???

Für Konzern-Boss Peter Terium, der im Juli 2012 vom Vorstandsmitglied zum Vorstandschef aufstieg, erhöhte sich das Einkommen 2013 von 3,7 auf 4,5 Millionen Euro.

Es ist Deutschland hier.