Freitag, 14. Februar 2014

Absurditäten in Berlin.



Da sage noch mal einer, Politik sei nicht spannend.
Klar, seit zwei Tagen beschäftige ich mit den Fragen der unermesslichen Doofheit unserer Politiker.

Einer der wenigen richtig guten SPD-Bundesparlamentarier, dem man immer gerne zuhörte bei seinen sachlichen, klaren Wortbeiträgen, wird bei der Postenexplosion der neuen Bundesregierung komplett übergangen. Dann gibt er überraschend sein eben errungenes Bundestagsmandat auf. Aus Gesundheitsgründen.
Ich dachte zuerst, er sei auch ein Opfer des Niedersachsenfluches, weil er als a) MANN und b) NIEDERSACHSE die denkbar ungünstigsten Proporz-Karten in der Hand hatte. Von den sieben großen Jobs, die Gabriel zu verteilen hatte (sechs Minister plus Fraktionsvorsitzender) konnten maximal vier an Männer gehen und davon waren mit Oppermann, Gabriel und Steinmeier (eingeschränkt) schon drei Niedersachsen, so daß die anderen 15 Bundesländer mit einem Posten abgespeist werden mußten.
Mit der Vita kann man der kompetenteste Mann des Parlaments sein und muß dennoch auf der Hinterbank sitzen bleiben.
Wer sollte es Edathy verdenken, daß er als derjenige, der in der letzten Legislatur als NSU-Ausschuss-Chef nicht nur den wichtigsten, sondern auch den besten Job gemacht hat, frustriert war, daß statt ihm Barbara Hendricks einen Ministerjob bekam?
Plötzlich aber filmte eine bis dahin überregional vollkommen unbekannte Mini-Postille namens „Die Harke“ die Edathy’schen Büros bei einer Hausdurchsuchung ab und streute den Trigger „Kinderpornographie“.
Wieso ausgerechnet „die Harke“ und kein anderer Pressevertreter VORHER von den Hausdurchsuchungen informiert war und bereits parat stand, als die Staatsanwaltschaft anrückte, bleibt rätselhaft. Jedenfalls tritt deswegen heute der CSU-Landwirtschaftsminister zurück.
Erstaunlich. Friedrich, der größte Depp, der jemals das Amt des Verfassungsminister inne hatte, auf dem rechten Auge blind das größte Debakel der deutschen Sicherheitsdienste (NSU-Terror) verantwortete, der mehrfach der Lüge überführt wurde (behauptete er habe nicht die Ergebnisse seiner Islamstudie vorab an die BILD geschickt, obwohl er genau das gemacht hatte), der Grundgesetz-widrig vom „Supergrundrecht Sicherheit“ plapperte und in noch nie dagewesener Weise bei der Causa Snowden-NSA versagte, bleibt ungerührt auf seinem Sessel kleben, um dann später als abgewerteter Minister für Euter und Spargel zurückzutreten.
Willkommen in Schilda.

Da ich nicht weiß auf welche Art sexuelle Stimuli Herr Edathy steht und keine Ahnung habe, was er sich tatsächlich diesbezüglich im Internet besorgt hat, erspare ich uns die moralische Bewertung.
Es ist sowieso heute jede Zeitung und jedes Internetportal voll mit derartigen Spekulationen.

Was mich viel mehr verblüfft ist die Kurzsichtigkeit und Naivität unserer Spitzenpolitiker.
Wer kauft denn im Internet Nacktbilder von der IP-Adresse des IT-Referates des Deutschen Bundestages und zahlt dann brav mit seiner eigenen Kreditkarte?
Glaubte er, das würde im NSA-Zeitalter nie bemerkt werden?
Und wie kann ein amtierender Innenminister so verblödet sein die Ermittlungen darüber gleich an Oppermann und Gabriel auszuplaudern?
Wer plaudert da überhaupt hinter den Kulissen so frisch von der Leber weg, daß die Staatsanwaltschaft Hannover mitten im laufenden Verfahren an die Presse geht und jammert sie sei „relativ fassungslos“ über die Indiskretionen?
Und wie kann Gabriel so auf den Kopf gefallen sein, zu denken, daß er ein Thema mit den Zutaten „Kindersex“, „Bundestag“ und „Strafvereitelung im Amt“ unter den Teppich kehren kann?
War doch völlig klar, daß die das nicht auf Dauer verschleiern können!

Wenn es stimmt, daß Friedrich der SPD-Spitze im Okt 2013 sagte, Edathy habe Kinderpornos downloaded, hätten sie ihn sofort abschießen müssen. Ausschluß aus der Fraktion und Aufforderung zum Mandatsverzicht. Einzige Möglichkeit es nicht viel schlimmer zu machen
Und genau den Salat haben sie jetzt.
Kinderpornos sind das ultimative Schmuddelthema. Auch wenn jetzt schon einige Leute auf Facebook Nacktfotos von sich selbst veröffentlichen mit Bemerkungen wie diesen:

„Ein Kinderfoto von mir - auch als Signal jetzt bitte nicht über das Ziel hinaus zu schießen und in eine im Hinblick auf das Problem fatale Hysterie zu verfallen ...“

Die verstehen die medialen Mechanismen nicht. Es ist egal, ob sich eine öffentliche Person hardcore-Kinderpornos ansieht, in denen Dreijährige penetriert werden, oder ob es „lediglich“ Posingfotos Pubertierender ohne sexuelle Handlungen waren.
Beim Trigger „Kinderporno“ ist es für die Öffentlichkeit egal worum es genau geht, ob es sich noch im legalen Bereich abspielte.
Allein der Verdacht reicht aus, um für immer erledigt zu sein. Selbst wenn Edathy völlig unschuldig sein sollte und man ihm diese Geschichte einfach aus Rache für seine scharfen Fragen an die versagenden Schlapphüte in der Causa NSA angehängt hätte.
Der Mann ist erledigt und kann nun entweder aus Deutschland irgendwo hin auswandern wo ihn niemand kennt, oder aber er muß sich einen Strick nehmen.
Jetzt kommt er aus der Nummer nicht mehr raus - auch wenn es vielleicht einigermaßen harmlos war, denken jetzt alle das Schlimmste
Dabei ist gerade Edathy eindeutig NICHT dumm. Das war, bzw IST einer der richtig GUTEN im Parlament.

Der Ball liegt jetzt im SPD-Spielfeld. Offensichtlich hatte Friedrich – wieder einmal – gar nicht bemerkt wie sehr seine Hütte brannte und befand sich gemütlich auf dem Rückweg nach Bayern ins Wochenende, als ihn Merkel anrief und seinen Kopf forderte.

Damit ist die Union aus der Schusslinie und kann mit Recht darauf verweisen Konsequenzen gezogen zu haben.
Aber was ist mit Gabriel und Oppermann? Können die einfach so tun, als ob nichts war und im Amt bleiben?

Wenig überraschend auch, daß die blamabelste Ministerin der SPD sich öffentlich erneut als Fehlbesetzung bewies.
Nahles war im fraglichen Zeitraum SPD-Generalsekretärin und wurde selbstverständlich bei ihrem heutigen öffentlichen Auftritt von der hungrigen Presse zu Edathy befragt. Wann wußte sie was? Und durch wen? Hatte sie etwa Edathy gewarnt; ihm empfohlen  seine Festplatten zu zerstören? Die Fragen MUSSTEN kommen.
Nur Nahles war perplex und stand blöd schweigend da. Sie ließ lieber die PK in einem Eklat platzen, als irgendetwas zur Aufklärung beizutragen.
Und wieder einmal bleibt es rätselhaft wie solche Typen zu Ministern aufsteigen können.
Es muß ihr doch seit vier Monaten klar gewesen sein, daß genau diese Fragen kommen werden. Aber dennoch wird sie völlig unvorbereitet davon getroffen und gibt eine jämmerliche Figur ab.

So lustig kann Politik sein – ohne daß man eine Sekunde über Sachpolitik spricht.

Und weil nun schon ein CSU-Mann und drei Sozis ihre Dosis Häme bekommen haben, sollen der Fairness halber auch noch CDU- und ein FDP-Mann ausgelacht werden.

Es handelt sich um den frommen Waffenschieber Volker Kauder und den FDP-Landesminister Sven Morlok, der gestern die CDU im Bundestag zur Weißglut brachte.
Zwar ist kein FDP-Parteimitglied mehr im Bundestag vertreten, aber die beiden letzten verbliebenden FDP Landesminister, nämlich der Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Sven Morlok (FDP), sowie der Staatsminister der Justiz und für Europa Jürgen Martens (FDP), beide aus Sachsen, haben noch Rederechte im Bundestag.

Das Grundgesetz garantiert den Bundesratsmitgliedern nun aber besondere Privilegien. Die Verfassung gewährt ihnen nicht nur Zutritt zu allen Sitzungen des Bundestags, die Bundesratsmitglieder müssen dort auch "jederzeit gehört werden". So steht es in Artikel 43 Grundgesetz. In der ersten Debatte über die Rentenpläne der großen Koalition hat Morlok davon auch Gebrauch gemacht. Es wurde eine Abrechnung mit Union und SPD.

Der CDU-Fraktionsminister war aber nicht nur aus inhaltlichen Gründen not amused, sondern zusätzlich verärgert, weil die Redezeit Morlocks dem CDU-Minutenkontingent abgezogen wurde.

Dass Morloks Auftritt bei der Koalition keine große Freude auslösen würde, war klar. Einer ärgerte sich über den Besuch aus Sachsen aber besonders: Unionsfraktionschef Volker Kauder. Er strafte die Rede mit demonstrativer Missachtung. Kaum dass Morlok zu sprechen begonnen hatte, stand Kauder auf, wandte dem Minister den Rücken zu - und ratschte mit Kollegen. Als die Grünen Morlok Beifall zollten, ätzte der Unionsfraktionschef: "Sie klatschen für die FDP!"
Dass Kauder so allergisch auf den Sachsen reagierte, war allerdings kein Wunder. Denn Morlok durfte die Redezeit der Union nutzen, um die Union zu beschimpfen.
Schuld an dieser absurden Situation sind die Usancen des Bundestags. Damit es zu keinen Unwuchten in den Debatten kommt, wird die Redezeit von Bundesratsmitgliedern immer der "politisch entsprechenden" Fraktion abgezogen. Da es keine FDP-Fraktion mehr gibt, wird die Zeit Morloks der am nächsten stehenden Fraktion weggenommen. Weil Morlok in Sachsen mit der CDU regiert, trifft es die Union.

Ich gehöre nicht zu den wahnsinnigen 25% in Deutschland, die nach einer Umfrage die FDP vermissen. Aber wenn sie ihren Ex-K.O.alitionspartner so sehr ärgern, amüsiert es mich natürlich.
Offensichtlich sind 25% der Deutschen echte Komödianten (oder Masochisten).
Daß Comedians ihre Gag-Lieferanten ungern verloren haben, ist verständlich

Jeder vierte Deutsche – so will man's per Umfrage herausgefunden haben – vermisst die FDP im Bundestag, würde sie aber nicht wählen. Das kann ich nur zu gut verstehen. Schließlich habe ich auf der Bühne von diesen Figuren gelebt – vom Westerwelle, unserem english-speaking Comedian im Aussendienst; von Brüderle, dem Spezialisten für Dirndl-Füllungen; von Rösler, dieser späten Rache des Vietcong. Das waren meine Dealer, die mich ständig mit Stoff beliefert haben.
Der Westerwelle hat mich sogar mal persönlich heimgesucht – bei den "Wühlmäusen", meinem Stammhaus in Berlin. Ich kam eines Abends auf die Bühne, und da sass er in der ersten Reihe direkt vor mir. Keiner hatte mich vorgewarnt. So etwas kann ein Schock für's Leben sein. Nach einer Viertelstunde ist er dann türenschlagend abgehauen. Und ich hab mich geschämt, dass es so lange gedauert hat.
Anlass war eine Passage in meinem damaligen Programm, in der ich auf die Untoten in der Politik zu sprechen kam. Ich sagte, es gäbe da Zombies, die längst schon in die politische Verwesung übergegangen seien, die aber immer wieder Freigang von der Friedhofsverwaltung erhalten. Ich fügte hinzu: "Dann wird der Totenschädel frisch onduliert und uns als Westerwelle präsentiert."
Daraufhin zog er wutschnaubend ab und schrieb noch am selben Abend eine Protest-Mail an Dieter Hallervorden, dem Hausherrn der "Wühlmäuse": Das sei unterhalb der Gürtellinie gewesen, behauptete er.