Freitag, 25. April 2014

Der Depp des Tages. Teil II



Ja, ich bin Mitglied der SPD, aber deswegen bin ich nicht automatisch mit jedem SPD-Politiker und jedem Satz des SPD-Programms einverstanden.
Im Jahr 2014 finde ich die SPD-Politik sogar überwiegend verkehrt.
Unser politisches System funktioniert aber nun einmal so, daß die Parteien zwischen Volk und Staat stehen. Will man überhaupt Einfluß auf das Land nehmen, MUSS man eigentlich Mitglied einer Partei sein.
Dazu muß man die Partei finden, mit der man die größten Schnittmengen hat. Mit einigem Glück stimmt man sogar mit >51% des eigenen Parteiprogramms überein.
Parteien ändern aber ihre Positionen, wechseln Führungspersonal aus und feilen an ihren Strategien. Man selbst lernt dazu. Es kann also durchaus vorkommen, daß sich ich Parteimitglied so sehr von seiner eigenen Basis entfernt, daß es in einer anderen Partei besser aufgehoben ist.
Das ist völlig in Ordnung. Ich begrüße das Aussterben des klassischen Stammwählers. Etwas mehr kritische Distanz zu den Volksvertretern ist sicher angebracht.
Meine Parteipräferenz ist selbstverständlich auch in Bewegung.
Bis 1982 war insbesondere die Hamburger FDP als linksliberal-intellektueller Verband sehr attraktiv.
Nach Genschers perfiden Wortbruch und dem Wechsel zu Kohl, traten aber die Hälfte der FDP-Mitglieder in Hamburg aus; dafür gingen Makler, Maurer und Anwälte hinein.
Sie transformierten die Partei in eine muffige, intrigante von einigen halbseidenen Hamburger Multimillionären (Kai Wünsche und Co) gesteuerte  Lobbygruppe.
Vor circa 15 Jahren tickte ich hingegen sehr rotgrün; war von der grünen Bundestagsfraktion regelrecht begeistert und erfreute mich an deren kompetenter Parlamentsarbeit.
Zu der Zeit hätte ich theoretisch genauso gut grün wie SPD wählen können. Der Mut über die drastische Verteuerung von Benzin („Liter fünf Mark!“) und Energie zu sprechen, hätte belohnt werden müssen.
Die völlig verblassten Grünen von 2014 sind hingegen so ziemlich die letzte Partei, die ich loben würde. Dümmlich-frömmelndes Spitzenpersonal – Volker Beck, Kathrin Göring-Kirchentag und Anton Phlegma-Hofreiter – die sich verzweifelt an die CDU ranwanzen und nach dem Saarland, Hamburg nun in Hessen sogar einen Braunschwarzen zum Ministerpräsident machen.

Gegenwärtig sind meine Sympathien für die Linke dafür recht hoch. Also eine Partei, die sich trotz ihrer extrem schwachen Vorsitzenden durch sinnige Informationspolitik und hervorragende Sacharbeit im Bundestag profiliert.
Insbesondere die Außen- und EU-Politiker sind oft die vernünftigsten Stimmen im ganzen Parlament.

Dabei hatte ich noch wenige Jahre zuvor die LINKEn unter Lafontaine als unseriöse Krawallmacher, die ihrem Hass auf die SPD frönten, gebrandmarkt.

So ändern sich die Zeiten.
Üblicherweise haben aber Parteien gewissen Grundüberzeugungen, die auf bestimmte Menschen anziehend und auf andere abstoßend wirken.
In der SPD ist das immer noch der Sinn für Gerechtigkeit, die Solidarität mit den Schwachen, bzw Minderheiten, sowie das Friedensengagement.
Bei den Grünen stehen Umweltschutz und Anti-AKW-Überzeugungen im Mark der Partei.

FDP’ler hingegen sind die Unterstützer der Starken und lehnen Solidarität als gefährlichen Irrweg ab.

Die CDU hat inzwischen gar keine klassischen Grundüberzeugungen mehr. Die CDU-Mitglieder eint hingegen die Lust am Ressentiment. Ihnen ist es am wichtigsten sich abzugrenzen und auch (relativ) hochzusetzen, indem sie Minderheiten herabsetzen. Schwule, Schwarze, Türken, Ausländer, Atheisten, Umweltschützer – all das ist Teufelszeug und muß abgewehrt werden.

Die Linken pflegen eine weniger realpolitische und dafür fundamentalistische Friedensvorstellung.

Also Parteihopping ist gut.
Aber es gibt Grenzen.

Wer eine drastische Vermögenssteuer einführen möchte und dafür die HartzIV-Sätze verdoppeln möchte, wird in der FDP nicht weit kommen.

Die Trennung von Staat und Kirche durchzuboxen wird man nicht unbedingt in der CSU versuchen.

Der völligen Deregulierung der Kapitalmärkte ist wiederum keine Forderung, die in der LINKEN viel Erfolg haben wird.

Sich als Türke für Migrantenthemen (doppelte Staatsbürgerschaft, Türkei in die EU,..) ausgerechnet bei der CDU zu engagieren, ist es schon wert als „Depp des Tages  tituliert zu werden.
Das ist ähnlich sinnvoll wie der Versuch die Grünen auf totalen Atomstromkurs umzupolen.
Die CDU hat sich gerade in den letzten Jahren immer wieder als klar xenophobe Partei präsentiert. Da wurde mit „Kinder statt Inder“ geworben, die „deutsche Leitkultur“ verlangt, gegen Rumänen und Bulgaren polemisiert, mehrere klar ausländerfeindliche Wahlkämpfe veranstaltet („Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben?“ Hessen 1999), ein sinnvolles Staatsbürgerschaftsrecht blockiert, die rechte Gewalt beschönigt, Muslime verunglimpft, Integration verschleppt, massenhaft abgeschoben, von Brüssel verlangt „deutsch zu sprechen“, das Asylrecht verschärft, die Grenzen dicht gemacht, der Türkei die EU-Perspektive verhagelt und gegen die EU gehetzt.

Yasar Calik aus Neuss hat da irgendwas verpasst, wenn er denkt in die CDU zu passen.

Man sollte als Jude auch nicht unbedingt in der NPD politisch arbeiten und soweit ich weiß sind auch ganz wenige Afro-Amerikaner im KluKluxKlan aktiv.
Der 37-Jährige Calik tritt an das CDU-Mandat im Wahlkreis Barbaraviertel/Neuss zu gewinnen.

Der Betreiber einer Fahrschule wollte es ein bißchen lockerer angehen und verzierte das CDU-Logo auf individuelle Art.


Das kam gar nicht gut an bei seinen türkophoben Parteifreunden.

Der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU, Bodo Löttgen, erklärte, Çalık sei nur einer von weit über 20 000 Kandidaten für die bevorstehenden Kommunalwahlen am 25. Mai. Die CDU dulde keine Verfremdung ihres als Markenzeichen geschützten Logos. Vermutlich habe Çalık selbst nicht übersehen, was er durch das mit einer türkischen Mondsichel verfremdete CDU-Logo auf einer als Wahlkampfgeschenk gedachten Tragetasche auslöse.
Dem Deutsch-Türken, der immerhin Bundeswehroffizier ist, würden jetzt religiöse und politische Intentionen unterstellt, die er damit niemals beabsichtigt habe. Gleichwohl sei Çalık bzw. dem Werbeträgerhersteller, den dieser beauftragt hatte, hier ein Fehler unterlaufen, der von ihm selbst bedauert werde und von der CDU umgehend korrigiert worden sei, erklärte Löttgen. Zu einer christlichen Partei gehörten schließlich auch die Tugenden der Toleranz, Nächstenliebe und des Verzeihens.

Nächstenliebe und Verzeihen als Teil des Christentums sind aber besser ins Sonntagsreden aufgehoben.
In der CDU-Praxis sieht das etwas anders aus. Ein türkisches Nationalsymbol im Christlichen CDU-C auf einer Neuessener Stofftasche? SO GEHT ES NICHT in Angela Merkels Partei!

Die Kampagne löst in der tiefschwarzen Region Glaubenskämpfe aus. Der Hass ist so groß, dass manche Deutsch-Türken in der Union sich fragen, ob ihr Engagement ein Missverständnis war.   […] Natürlich schaltete sich auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ein, der im sehr katholischen Neuss seinen Wahlkreis hat und als Protestant dort ohnehin unter Beobachtung steht. "Wir müssen das CDU-Logo vor politischen Missverständnissen schützen", sagt Gröhe.
[…] In den sozialen Netzwerken wird gepoltert, der sogenannte Kirchenhistoriker Michael Hesemann sagte dem Neusser Stadt-Kurier, im Zeichen des Halbmondes seien Millionen Armenier ermordet worden. Und so weiter. Calik muss derweil betonen, was für ein guter Christdemokrat er doch sei, dass er es in der Bundeswehr bis zum Hauptfeldwebel gebracht habe. Er habe sich nicht gegen das Christentum wenden wollen. "Falls es falsch verstanden wurde", sagt Calik, "möchte ich mich entschuldigen."



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