Montag, 30. September 2013

Drei Irre



Gewiss, nicht jede Gesetzesübertretung ist moralisch verwerflich.
Da gibt es kleine Verstöße, die auf den ersten Blick niemand besonders schaden, die aber auf Dauer nicht toleriert werden können.
Das ist dann Aufgabe von Richtern und Staatsanwälten, eine Lösung zu finden.
Ein Job, der gemacht werden muß, den ich aber persönlich extrem unangenehm finde.
Als juristischer Laie rätsele ich immer über den Begriff der „Schuldfähigkeit.“ Ich neige dazu für so ziemlich jedes Verbrechen psychische Co-Ursachen zu finden. Ist man nicht bei jedem Gewaltverbrechen irgendwie in einer seelischen Ausnahmesituation? Und wer das nicht ist, also cool und skrupellos vorgeht, muß doch erst Recht ein Defizit haben. Was ist bei dem bloß mal schief gelaufen, daß er so wurde?
Zum Glück bin ich weder Richter, noch Gerichtspsychiater!
Die Schuldunfähigkeit von unverbesserlichen Wiederholungstätern ist logischerweise immer eingeschränkt, da sie offensichtlich nicht alle Murmeln zusammen haben.
Da ist juristische Kreativität gefordert.
Denn in die Gesellschaft sind diese Totalirren nie wieder eingliederungsfähig.

Dazu drei Beispiele.

1.)
Walter Josef Fischer kennt in Hamburg jeder, auch wenn der Name kaum bekannt ist.
Es handelt sich in Wahrheit um den Sprayer „Oz“, der seit Dekaden die gesamte Stadt mit „Oz“-Kürzeln zusprayt. Das nervt. Ich kann es nicht mehr sehen.
Die Justiz ist damit allerdings überfordert.

Der 63-Jährige gebürtige Heidelberger und Hauptschulabbrecher brachte es zu einer abgebrochenen Lehre als Damenfriseur und verbringt seit mindestens 1977 jede freie Minute damit auf jedes Schild, jede Häuserwand, jede Glasscheibe, jeden Stromkasten und jedes Schaufenster seinen „tag“ zu sprühen.

Seinen Tag Oz soll er laut unbestätigten Medienberichten allein bis 2002 mehr als 120.000 Mal in Hamburg verbreitet haben. Zunächst sprühte er nachts „Smileys“ auf Verkehrsschilder, später auch Oz-Schriftzüge, Kringel (Spiralen) und Punkte. Eine seiner Begründungen 1997 im Hamburger Landgericht: „Immer stehen die Autos im Vordergrund, nicht die Mütter. Ich hatte nie eine Mutter.“

Ohne die Schwere seiner Taten beurteilen zu wollen, so kreide ich ihm doch stark an, daß er durch seine für jeden sichtbaren Aktivitäten eine quasi hilflose Justiz vorführte, die im Schillwahlkampf 2001 so eine so große Rolle spielte, daß der rechte Kokser mit dem Hitler-Herpes Zweiter Bürgermeister wurde.
Danke „Oz“! Natürlich hat auch die CDU-Regierung Fischer nie stoppen können. Zwar wurde er aufgrund des hohen Sachschadens immer und immer wieder zu Haftstrafen verurteilt (er saß insgesamt acht Jahre im Gefängnis), aber ein Lerneffekt stellte sich nie ein. Sobald er wieder freigelassen wurde, ging es wieder mit dem "Oz, Oz, Oz“-Gesprühe los. Es bleibt offenbar nur auf die biologische Lösung zu warten.

2.)
Martin Semmelrogge.
Der bekannte und durchaus begabte Schauspieler („Das Boot“) besuchte eine Waldorfschule und hat auch im Alter von 57 Jahren noch Probleme mit dem Einhalten von Regeln.
Der Yellowpress ist er insbesondere als geisteskranker Immerwieder-Autofahrer bekannt, weil er nie einen Führerschein machte und dennoch leidenschaftlich gern Auto fährt. Seit 1980 erhielt er dafür ständig Haft- und Geldstrafen. Mich beeindruckt dabei wie er es schafft überhaupt immer wieder erwischt zu werden. Ich habe seit den 80er Jahren einen Führerschein und fahre auch täglich. Aber ich bin erst in ein oder zwei Kontrollen geraten. Außerdem: So praktisch Autofahren ist; in den Knast gehen würde ich dafür nicht. Und schon gar nicht wiederholt. Zuletzt erwischte es den manischen Wiederholungstäter im Januar dieses Jahres.

Knapp sieben Wochen nach seiner Verurteilung ohne Bewährung sei der 57-Jährige seit Montag im offenen Vollzug, sagte ein Sprecher des Schweriner Justizministeriums am Dienstag. Darüber hatte die «Ostsee-Zeitung» am gleichen Tag berichtet. Semmelrogge war im April 2012 ohne gültigen Führerschein auf der Autobahn 9 in Bayern in eine Kontrolle geraten. Die Behörden erkannten seine spanische Fahrerlaubnis nicht an.
Die Richterin des Amtsgerichts Nürnberg hatte Ende November 2012 in ihrem Urteil eine Bewährung «wegen ungünstiger Sozialprognose» abgelehnt. Semmelrogge hatte in der Vergangenheit wegen Verkehrsdelikten mehrfach Ärger mit der Justiz.

Im September 2013 trat Semmelrogge seine ultimative Strafe an, die schlimmer als jeder mittelalterliche Pranger ist. Um sich vor einem Millionenpublikum hämisch auslachen zu lassen, bezog er mit elf Z-Promis dass Debilencamp „Promi-BigBrother“, um die bisher schon unterirdisch schlechten deutschen Trash-TV-Formate qualitativ noch einmal deutlich zu unterbieten. Dabei war die Mitschäm-Moderation der Niveau-Limbo-Akrobaten Pocher und Cindy schon deutlich unkomischer als Teil eines Auffahrunfalls zu sein. Semmelrogge aber stellte sich am helllichten Tage bei herbstlichen Temperaturen vor den 100 Kameras in Pose, zog blank und präsentierte seine „Semmelknödel“ (O-Ton und Brüllwitz Sat1). Die Promis, die so unprominent sind, daß sich noch nicht einmal gegenseitig kennen, reagierten ebenso unlustig, wie vorhersehbar: Mit lautem Kreischen.

3.)
Annette Schavan. Die in Ulm beheimatete fromme Abiturientin war 17 Jahre lang auf Bundes- und Landesebene Wissenschafts- bzw Schulministerin.
Unter ihrer Ägide verrotteten die Schulen, entstanden 7,5 Millionen funktionale Analphabeten und wurden weltweit Negativpreise für das schlechteste und undurchlässigste Schulsystem errungen. Wir haben die niedrigste Studierendenquote, einen Fachkräftemangel von mindestens 300.000 Stellen und produzieren jedes Jahr 70.000- 80.000 Schulabgänger völlig ohne Abschluß und Qualifikation.
Da Schavan frommer als Ratzi und TVE zusammen ist, laufend religiöse Bücher schreibt und sich jeden Tag mit dem Stundengebet aufhält, ist es wenig überraschend, daß sie nie Zeit für ihre politische Arbeit hatte.

Soll jeder nach seiner Façon glücklich werden.
Um mal ein extremes Beispiel zu nehmen, stellen wir uns eine leicht pyknische, minderattraktive, mittelalte Frau mit Kurzhaarfrisur, Mitte 50 vor, die kein Interesse an Männern hat, Theologie studierte, jeden Tag das Stundengebet durchführt, theologische Bücher schreibt (Gott ist Licht, Aachen 1986, Impulse für eine zukunftsfähige Kirche, Kevelaer 1994, Der du die Zeit in Händen hältst. Reden über eine Zukunft mit Gott, München 2000, Der Geist weht, wo er will., Ostfildern 2002, Leben aus Gottes Kraft. Denkanstösse, Ostfildern 2004, Gott ist größer, als wir glauben. Visionen für Kirche und Welt, Leipzig 2010), im ZK der Katholiken sitzt (1994 bis 2005 Vizepräsidentin), dem ZDF-Fernsehrat angehört und nebenbei auch noch eine Honorarprofessur für Katholische Theologie an der Freien Universität Berlin inne hat.

Spannend ist anders - meiner Meinung nach.
Aber wie schon Jürgen Becker über seine Erfahrungen als Kind beim lateinischen Hochamt sagte - „das war so ungeheuer öde! Wer das überstanden hat, langweilt sich nie wieder im Leben. Ich kann jetzt stundenlang eine weiße Wand ansehen und finde es spannend!

Dieses Stundengebet beschäftigt einen natürlich den ganzen Tag - logisch, daß man da kaum Zeit für andere Aktivitäten hat.

Wer das Stundengebet betet, vollzieht öffentliche Liturgie und tut dies in Stellvertretung für die ganze Kirche. Kraft ihres Standes zum Stundengebet verpflichtet sind Bischöfe, Priester, Diakone und die meisten der Ordensleute. Als eingeladene Beter sollen sich aber auch die getauften und gefirmten Laien in der Welt kraft ihres "allgemeinen Priestertums" am Stundengebet beteiligen (vgl. Sacrosanctum Concilium, 100). Das hat auch historische Gründe und Vorbilder: Zur Zeit der frühen Kirche war die Stundenliturgie eine Gemeindeliturgie. Daraus ergibt sich, dass jeder diese Liturgie feiern und eine solche Feier in der Öffentlichkeit leiten kann. So sollen die gläubigen Laien und alle Menschen guten Willens wissen, dass sie stets hineingenommen sind ins Gebet der ganzen Kirche. Da das Stundengebet auch in den protestantischen (insbesondere in den evangelischen Orden) kirchlichen Gemeinschaften verwurzelt ist, kann es ein Weg wahren ökumenischen Betens sein.
Das römische Stundengebet umfasst nach der Reform durch Papst Paul VI. die folgenden Teile:
Terz,
Sext,
Non,
Vesper und

Durch das Stundengebet wird der Tag in etwa in einen 3-Stunden-Rhythmus strukturiert. Außerdem kann man eine Vigil vor einem Hochfest oder den Sonntagen beten. Terz, Sext und Non stellen die sogenannten "Kleinen Horen" dar, von denen für Priester nur eine verpflichtend ist. Diakone sind in Deutschland nur zu Laudes und Vesper verpflichtet.
(Kathpedia)

Aber bitte - wem’s gefällt…

Für Bildungspolitik blieb dabei ebenso wenig Zeit wie für ihre akademische Ausbildung.
Einen Magister sparte sie sich und versuchte es mit einer plagiierten Direktpromotion.
Ihr schöner Dr.-Titel war allerdings Anfang dieses Jahres weg. Ihre Universität entzog ihr die Dr.-Würde, weil sie betrogen hatte.
Der Rest ist Geschichte: Merkel sprach ihr „das vollste Vertrauen aus“ und kurz danach mußte sie zurücktreten, verlor außer ihres Titels auch noch Amt, Würde und Parteiposten.
Ein normaler Mensch würde sich jetzt schämen und aus der politischen Arena zurückziehen.
Nicht so die auf ganzer Linie versagende Annette Schavan. Sie nahm sich ein Beispiel an Semmelrogge und Fischer.
 Sie beharrt einfach weiterhin stur auf ihrem Titel, den ihr ihre Uni schon längst entzogen hat.
Stur ließ sie zur Bundestagswahl am 22.09.2013 „Dr. Schavan“ auf den Stimmzettel drucken.

Dr. Annette Schavan tritt im Wahlkreis 291 zur Wahl an - und steht auch so auf dem Stimmzettel.

Mit ihrem Wahlkreis kann die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan ziemlich zufrieden sein: 42,8 Prozent der Erststimmen erhielt sie vor vier Jahren. Mit 96-prozentiger Zustimmung wurde die CDU-Politikerin von Kreisverband Alb-Donau/Ulm zu Beginn des Jahres als Kandidatin für den Bundestag nominiert.
Zur Bundestagswahl 2013 landete Schavan also in Baden-Württemberg ganz oben auf dem Stimmzettel. Auf den Wahlunterlagen für den Wahlkreis 291 (Ulm) steht bei der Politikerin weiterhin: "Dr. Annette Schavan"

Die Frau ist völlig schambefreit und ahnt offenbar noch nicht einmal zu was für einer Witzfigur sie sich macht. Dabei ist es eine Sache sich zum Spott des Internets zu machen.


Weniger komisch ist es, daß sie heute noch jedem seriösen Doktoranden den Stinkefinger zeigt.
Der verblödete Urnenpöbel ist übrigens schmerzbefreit und gab der Titelfälscherin nach 42,8 % Erststimmen im Jahr 2009 diesmal satte 52,1%! Die Wähler wollen verarscht werden. Dem Wunsch konnte sich die fromme Ulmerin nicht entziehen und ließ sich in den Hochschulrat ihrer alten Uni wählen.

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.

Da könnte man genauso gut Martin Semmelrogge zum Präsidenten des Verkehrsgerichtstages machen und ihn zukünftig selbst über seine Delikte entscheiden lassen.
Als Kollege Guttenberg beim Dr.-Schummeln erwischt wurde, hatte die strenggläubige Katholikin noch betont, sich „nicht nur heimlich“ für ihn zu schämen.
Die Doppelmoral der organisierten Christen schlägt mal wieder dem Fass den Boden aus.
Schavan in den Hochschulrat gewählt

Trotz des entzogenen Doktortitels wegen Plagiatsvorwürfen hat die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) in den Hochschulrat der größten deutschen Universität berufen. Zwar hatte es Vorbehalte gegen den Vorschlag von LMU-Präsident Bernd Huber gegeben, letztlich stimmte der Senat der LMU, der die Hälfte des Hochschulrats stellt, aber einstimmig zu. Das bayerische Wissenschaftsministerium hatte schon vorher grünes Licht gegeben. Die Landtags-SPD kritisiert die Personalie scharf.
[…]  Wie es um die Glaubwürdigkeit der LMU in einem künftigen Plagiatsfall bestellt wäre, will Huber nicht bewerten: "Das Leben hat so viele Risiken und so viele Fragen", das sei jetzt kein Thema. [….] Nicht nur die zehn Professoren im Senat haben Schavans Berufung zugestimmt, sondern auch die Vertreter der wissenschaftlichen Mitarbeiter und der Studenten. Bernhard Emmer, Vertreter der Mitarbeiter, spricht von einer "problematischen Vorgeschichte" Schavans. […]
Isabell Zacharias, hochschulpolitische Sprecherin der SPD im Landtag findet die Berufung Schavans "während eines schwebenden Verfahrens in höchstem Maße irritierend. Das geht grundsätzlich gar nicht. Da bleibt mir fast die Spucke weg". Die LMU hätte "auf jeden Fall" den endgültigen Richterspruch über den Entzug des Doktortitels abwarten müssen.