Donnerstag, 29. August 2013

Parlamentarischer Unsinn


In Deutschland werden immer mal wieder völlig schwachsinnige Gesetze erlassen, weil sich die Ministerialen irgendwelche Texte von Lobbyvertretern in ihren eigenen Reihen aufschwatzen lassen haben.
Manchmal, wie beim „Meldegesetz“ vor einem Jahr, fällt sofort nach der Verabschiedung eines Gesetzes auf, daß das ein Schuß in den Ofen war.
Dann wird man mal wieder kurz an den Politalltag von heute erinnert:
Keiner hat mehr die Zeit und den Gripps dafür sämtliche Gesetzentwürfe vorher zu lesen, geschweige denn zu verstehen.
Stattdessen stimmt man eben entlang der Parteilinien so, wie der jeweilige Fraktionsgeschäftsführer festgelegt hat.
Geht es schief, schämt man sich eben a posteriori ein bißchen.

 In 57 Sekunden hatte der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen mal eben so auf Wunsch von ein paar Lobbyhörigen CSU- und FDP-Parlamentariern verfügt, daß Ortsämter zukünftig private Daten der Bürger verkaufen dürfen.

Dabei sind die Parlamentarier von CDU, FDP und CSU so unfassbar dämlich, daß sie gar nicht merken, welches Gesetz sie da verabschiedeten.

So löppt dat im Bundestag!

Von einem Datenschutzskandal ist jetzt die Rede, von einer "Nacht- und Nebel-Aktion" des Bundestages. Die Abgeordneten müssen Hohn und Spott über sich ergehen lassen.
 Für Außenstehende muss es tatsächlich merkwürdig wirken: Innerhalb von 57 Sekunden wird das Gesetz vermeintlich durchs Parlament gejagt. Die Reden dazu werden lediglich zu Protokoll gegeben. Die Redner sind während der Sitzung gar nicht anwesend - ihre Texte lediglich im schriftlichen Protokoll nachzulesen.

Es ist eine Sache sich mit Bundestagsparteien zu beschäftigen, die andere Meinungen vertreten, als die, die ich klug finde.

Aber diese sagenhafte UN-Professionalität, mit der insbesondere Merkels Laienschar durch das politische Theater stolpert, bereitet mir ernsthaft Kopfschmerzen.

Die derzeitige Form des Parlamentarismus in Deutschland scheint ungefähr so gut zu funktionieren wie der Verfassungsschutz. Wenn sich struktureller Informationsmangel und Arbeitsüberlastung sehr lieb haben, dann bekommen sie ein Kind namens Unprofessionalität.
Wir werden unprofessionell regiert in Zeiten, in denen handwerkliche Professionalität der absolute Mindeststandard sein müsste. […]
Nach Informationen von Abgeordnetenwatch soll Hans-Peter Uhl (CSU) die seltsamen Änderungen am Meldegesetz vorangetrieben haben. Uhl fordert hauptberuflich bei jeder Gelegenheit und auch zwischen den Gelegenheiten die Vorratsdatenspeicherung. Offenbar wird Uhl von einer großen Liebe zur Datenspeicherung um jeden Preis getrieben, vielleicht sollte er Archivierungskurse geben beim Verfassungsschutz.
[…] Die eingangs erwähnte, erschütternde Unprofessionalität der Regierung ist auch überdeutlich geworden, während sich das regierte Volk so einig ist wie niemals zuvor. Bei einer nicht repräsentativen Online-Umfrage von tagesschau.de haben sich von über 65.000 Teilnehmern unfassbare 99,1 Prozent gegen das Gesetz ausgesprochen.

Auch wenn ich es für falsch halte; es ist kein Wunder, daß mehr und mehr Desillusionierte ihre Parteibücher zurückgeben.

In den USA geht es genauso antidemokratisch zu – manchmal bekommen die Abgeordneten die Gesetzesvorschläge, über die sie abzustimmen, haben erst Stunden vorher. Benutzt wird oft eine Sackkarre, weil so ein Lobbyentwurf durchaus mal viele Tausend Seiten stark sein kann.
Selbst der fleißigste und willensstärkste Parlamentarier könnte sich also kein Bild mehr machen.
Zum Glück sind die Amerikaner so gut wie schamlos und stellen sich jubelnd vor die gesetzlichen Texten des Wahnsinns.
Stolz ließen die US-Parlamentarier 2003 mit ihrer GOPer-Mehrheit Pommes Frites (frz. „pommes frites“, engl. „french fries“) in Freedom Fries umbenennen, um das französische Nationalgericht von den US-Speisekarten zu eliminieren.
Daß Pommes Frites gar kein französisches Gericht sind, sondern aus Belgien stammen und zudem in der französischen Küche nichts zu suchen haben, ahnten die verblödeten GOPer natürlich nicht.

Die Kantinen im US-Repräsentantenhaus werden ihre Pommes frites demnächst als patriotische Sättigungs-Beilage servieren: Nach einem Beschluss des von republikanischen Abgeordneten geleiteten Verwaltungsausschusses am Dienstag gibt es ab jetzt nur noch "Freiheitsfritten". In den Speisesälen des Regierungsgebäudes sollen in den nächsten Tagen die Menüs geändert werden.
Neben den Pommes frites wird auch der "French Toast" in die Freiheit geführt und demnächst als "Freedom Toast" in den neuen Speisekarten geführt. "Dieser Entschluss ist eine kleine, aber symbolische Geste, den großen Unmut vieler Regierungsmitarbeiter gegenüber unseren so genannten Verbündeten in Frankreich auszudrücken", sagte der Abgeordnete Bob Ney, der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses.
Eine Sprecherin der französischen Botschaft wies darauf hin, dass die "French Fries" eigentlich aus Belgien kommen. "Wir befinden uns in einer sehr ernsten Situation mit ernsthaften Problemen, und deswegen beschäftigen wir uns derzeit auch nicht mit Namen für Kartoffeln", fügte sie an.

Wegen antifranzösischer Reflexe eine Belgische Spezialität umzubenennen, ist erbärmlich, aber wenigstens auch einigermaßen irrelevant.
Schlimmer sind außenpolitische Selbstkastrationsgesetze, die in ernsthaften Krisen den US-Präsidenten handlungsunfähig machen und damit die Lösung internationaler Konflikte blockieren können.

Aber niemand glaubt im Ernst, der Westen sei willens oder in der Lage mit Panzern und Bomben in das riesige Syrien einzufallen. Der Schlüssel für Damaskus liegt in Teheran.
Aber seit einigen Jahren spricht Washington nicht einmal mehr mit Iran. […]  die Amerikaner haben an einem gemäßigten Iran kein Interesse. Sie wollen den Regimewechsel.   Es gibt starke Kräfte in Amerika, die Obama die Hände binden wollen. In der Iran-Politik kann der Präsident nicht frei handeln. Ein umstrittenes Gesetz, der Iran-Threat-Reduction-Act aus dem Jahr 2011, will einen Politikwechsel gegenüber Iran geradezu verbieten. Die Administration wäre danach verpflichtet, die Opposition zu unterstützen und direkte Kontakte mit dem iranischen Regime sind ohne vorherige Zustimmung des zuständigen Kongress-Ausschusses nicht erlaubt.
Der Nahostexperte Michael Lüders hat dazu geschrieben: "Ein vergleichbares Gesetz hat es nie zuvor in der Geschichte der Vereinigten Staaten" gegeben. Die Vorschrift wurde zwar noch nicht ratifiziert. Aber sie bestimmt dennoch den Handlungsspielraum des Präsidenten. Im vorigen Dezember, schreibt Lüders, sei das Gesetz noch weiter verschärft worden. Eine Normalisierung der Beziehungen zu Teheran sei erst dann zulässig, wenn der US-Präsident vor dem Kongress erklärt, "dass Iran weder für die USA noch für Israel eine Bedrohung darstelle und den Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet sei". Das wäre dann, wenn die Flüsse aufwärts fließen und die Hasen Jäger schießen.

Eine geniale Lösung zeichnet sich auch bezüglich des internationalen Gerichtshofes in Den Haag ab.
Die USA mögen zwar ganz gern ab und an einen missliebigen Ex-Tyrannen dort abwerfen, aber ihrer eigenen Taten dürfen niemals in Den Haag verhandelt werden, weil sie den Gerichtshof nicht anerkennen wollen.

Parlament und Regierung in den Niederlanden sind empört: Beide Häuser des US-Kongresses haben einem Gesetz zugestimmt, das, falls amerikanische Bürger vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt werden, sogar die Invasion im Nato-Partnerland vorsieht.
"Ich habe hier ein Diagramm, unter dem steht 'Vorschlag für eine Invasion der Niederlande'", meint David Obey, ein demokratischer Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus. "Es zeigt, dass wir es vielleicht auf dem Seeweg tun, oder aus der Luft, vielleicht mit Fallschirmjägern. Um sicherzugehen, dass der Gentleman aus Texas diesmal auch weiß, wo Den Haag liegt, ist es auf der Karte markiert." Die Abgeordneten grinsen amüsiert.
Das Schreiben, das Obey in der Debatte im amerikanischen Kongress vorstellte, war die sarkastische Reaktion eines niederländischen Diplomaten auf einen republikanischen Gesetzesvorschlag, der gute Chancen hat, tatsächlich verabschiedet zu werden. Er verbietet US-Behörden, mit dem Internationalen Strafgericht zusammenzuarbeiten und ermächtigt den Präsidenten ausdrücklich, im Ernstfall "alle notwendigen und angemessenen Mittel zu nutzen", um amerikanische Staatsbürger und Bürger ihrer Alliierten aus der Obhut des Gerichtshofs zu befreien, der ab Juli seine Arbeit im niederländischen Den Haag aufnehmen soll. Weil der Entwurf Militäreinsätze ausdrücklich einschließt, wird in Holland schon vom "Den-Haag-Invasions-Gesetz" gesprochen.
[…] Das niederländische Parlament hat deshalb am Montag geschlossen Außenminister Jozias van Aartsen aufgefordert, Protest gegen das amerikanische Vorgehen einzulegen. Das Gesetz, so die Beschwerde, unterminiere die Autorität des Internationalen Strafgerichtshofs.