Mittwoch, 3. Juli 2013

Das Paradox


Wer neugierig ist, Dinge hinterfragt, Spaß am Denken hat, den Dingen auf den Grund geht, Behauptetes nicht unkritisch akzeptiert, ist intelligent.
All dies sind Eigenschaften, die es begünstigen alte ausgetretene Pfade zu verlassen.
Psychologen finden daher immer wieder Korrelationen zwischen Intelligenz und politischer Einstellung oder zwischen Intelligenz und Religion.
Die Ergebnisse sind immer gleich: 
Je klüger und gebildeter, desto linker. Je doofer, desto religiöser.
Unter Akademikern ist der Anteil von Rechtsradikalen geringer als in der Durchschnittsbevölkerung und unter Nazi-Skinheads ist der Anteil von Studenten geringer als im Durchschnitt der Bevölkerung.
So weit, so logisch und erwartbar.
Es macht also aus Sicht eines rechten Parteitaktikers überhaupt keinen Sinn in Bildung zu investieren. Je verdummter die Bevölkerung, je besser für die Konservativen.
Vermutlich gilt dieser Zusammenhang weltweit. Die amerikanischen Universitätsstädte an der Ostküste sind Hochburgen der Demokraten. Nirgendwo gibt es so viele Atheisten.
Die Rednecks im bible belt, von denen nie einer einen Highschool-Abschluß gemacht hat, sind tiefreligiös und stramme Republikaner.
Einige Rechte fürchten Gebildete regelrecht.
Ich werde nie vergessen wie abfällig ein konservativer Cousin mal auf meine Bücher starrte, sich aber fing, weil er nicht unhöflich sein wollte und dezent erklärte, daß man in Amerika Menschen mit so viel Büchern misstraue, weil die vom Leben nichts verstünden und womöglich zu den verhassten „liberals“ gehörten.

Insofern muß Felix Menzel ein echter Spinner sein.
Er ist Herausgeber der fremdenfeindlichen, stockkonservativen Zeitschrift „Blaue Narzisse“, gehört zum Kreis der „Konservativ-Subversive Aktion“ (KSA) und mischt in der nationalistischen Burschenschaftler-Szene mit.
Martin Gerster und Alexander Geisler wiesen darauf hin, dass die Blaue Narzisse ausländerfeindliche Gesinnung zur Schau trage, etwa indem der Einsatz im Ausland geborener Fußballspieler in Nationalmannschaften kritisiert, türkischstämmige Menschen als unzivilisiert dargestellt und Ausländern als Tätern kategorisch Deutsche nur als Opfer gegenübergestellt werden. Dieses Schema werde nur durchbrochen, wenn es gelte, „linksgerichtete“ Deutsche in ein schlechtes Licht zu rücken.
Die KSA hingegen ist quasi der Schlägertrupp-Arm des rechten Schreiberlings. Sie stören gezielt Veranstaltungen von Antifaschisten und Friedensbewegten.
Der 27-Jährige Menzel ist außerdem gut verdrahtet mit der Jungen Freiheit, rechten Gruppen der JU und sogar PI.
Menzel hält beispielsweise Vorträge für PI, in denen er erklärt, wie das Zusammenleben zwischen Deutschen und Ausländern läuft.
Dort, wo sich Täter und Opfer nicht kennen, sind mit großer Wahrscheinlichkeit Deutsche das Opfer von Migranten. Nur selten ist es umgekehrt. Sind Migranten die Täter, dann handelt es sich nahezu ausschließlich um Gewalt von Türken, Libanesen, Nordafrikanern oder Südost-Europäern (Balkan), so gut wie nie sind Nord- und Westeuropäer, Amerikaner, Australier oder Asiaten die Täter. Scheiß Deutscher oder Kartoffel begleiten immer häufiger die Attacken auf Deutsche in ihrer eigenen Heimat. Dabei spielt die gezielte Demütigung der Opfer, weil sie Deutsche sind, eine immer größere Rolle (T-Shirt ausziehen, Urinieren auf das am Boden liegende Opfer etc).
(PI news 13. März 2012)
Dieser Menzel will in Hamburgs Partnerstadt Dresden eine „neue gebildete Rechte“ formen und lud am 01.07.13 in einem angemieteten Keller zur Gründung einer „Bildungsanstalt“, dem „Zentrum für Jugend, Identität und Kultur.“
Er will die rechten Deutschen kulturell rein erhalten, bevor sie von den Multikulti-Horden überrannt werden und nur noch Döner fressend ihre Schwestern vögeln.
Der Schwerpunkt der inhaltlichen Arbeit des Zentrums wird Europa sein, denn wir wissen, daß heute die gesamte europäische Kultur und Lebensform auf dem Spiel steht. Ihre Verteidigung ist unser Auftrag. Unsere Mitarbeiter lassen sich von den Ideen der bedeutendsten Künstler und Intellektuellen der letzten Jahrhunderte und Jahrzehnte inspirieren. Es spielt dabei keine Rolle, wie sie sich politisch zu ihren Lebzeiten positioniert haben. Entscheidend bleibt die Qualität der Kunst und der Gedanken. Eine Auswahl: Agamben, Cioran, Eichendorff, Eliade, Gombrowicz, Havel, Houellebecq, Kafka, Kracht, Kundera, Ortega y Gasset, Pasolini, Rilke und Schiller.

Die bürokratische EU muß mit einer neuen Vision von Europa überwunden werden. Diese Vision sucht die „Einheit in der Unterschiedlichkeit“ (Václav Havel). Sie stellt sich insbesondere der Nivellierung der Unterschiede der Völker in Gestalt von Kapitalismus und Massenmigration entgegen.

Wir wissen dabei, daß diese Vision nur von einer Jugend, die um ihre Identität und Kultur weiß, umgesetzt werden kann. Nur wer weiß, wer er selbst ist, und wo er herkommt, kann eigenverantwortlich handeln! Ein Teil dieser notwendigen europäischen Jugendbewegung wollen wir sein und in Dresden ein kleines Zeichen setzen: mit scharfen Gedanken, kontroversen Debatten und viel Enthusiasmus.
(Blaue Narzisse)
Bis jetzt haben ihm allerdings die NPD-Jugendlichen noch nicht die Türen eingerannt, um sich über José Ortega y Gasset und Emil Cioran zu informieren.
Die beiden Philosophen werden übrigens einen heftigen Drehwurm haben von all den Rotationen, die sie im Grab verführen müssen, weil ausgerechnet sie als Kronzeugen eines rechtsradikalen Bürschchens in Ostdeutschland herhalten müssen.
Ein stramm Rechter nistet sich ein, mitten im Dresdner Bürgertum. Einer, dessen Aufsätze aus dem Gemeinschaftskunde-Unterricht der zwölften Klasse bereits vom Verfassungsschutz mitgelesen wurden und der gerne zum Thema 'Skandalokratie' promovieren würde. Muss man sich deshalb Sorgen machen? Vermutlich nicht allzu sehr, weil es hinter dem hellen Kellergeist Menzel mehr Schatten als Licht gibt. Mandy und Kevin jedenfalls beteiligen sich am Montagabend nicht am intellektuellen Diskurs über den Begriff Heimat.   [….]  Menzel und sein Adlatus stellen den Gästen ein Bier bereit, diese wiederum stellen die richtigen Fragen. Was genau machen Sie dann hier? 'Politische Bildungsarbeit', sagt Menzel. Stimmt das, dass Sie rechts sind? 'Da müssen wir uns nicht von distanzieren. Die ganz Bösen sind wir aber auch nicht.' Wie war das noch mal mit der Zuwanderung? 'Wir möchten die abendländische Seele rein halten', sagt Menzel. Die reine abendländische Seele riecht an diesem Abend übrigens nach Aftershave von Rossmann und Rauch. Im Konferenzraum steht ein Bild von Ernst Jünger auf dem Boden.

'Ich glaube, ich habe genug gesehen', sagt Frau Nachbarin nach einer Weile. 'Solche Leute sind viel gefährlicher als irgendwelche Dumpfbacken', sagt Herr Nachbar über Menzel. Aber 'rechtlich können wir da wahrscheinlich nichts machen'. […] Die Beschäftigung mit 'Freiheit' und 'Heimat' soll einen sanften Einstieg in rechtskonservatives Denken ermöglichen. Ein nobles Viertel ist dafür kein schlechter Ort. Das Kalkül: Wo Wohlhabende komplett unter sich sind, könnte die Angst vor Überfremdung und Euro-Desaster doch am größten sein. Menzel sagt: 'Ich glaube schon, dass uns hier sehr viele Leute verstehen. Und wenn Sie hier spazieren gehen, da treffen Sie schon den einen oder anderen Leser.'

Am liebsten sähe er in seinem Zentrum 'vor allem junge Menschen', sagt Menzel, und da will er natürlich nicht auf die meist jungen Anhänger der Identitären verzichten. Denn letztlich geht es beiden um die Deutungshoheit für Identität und Heimat und darum, wer diese Begriffe in Deutschland auf sich anwenden darf. Auf einen Unterschied zwischen sich und den Identitären legt Menzel allerdings besonderen Wert. Er habe das Wort 'identitär' viel eher entdeckt und verwendet, er habe ihn nur nie als tauglich empfunden als Begriff für eine ganze Bewegung: 'Das Wort ist doch eigentlich viel zu schwer auszusprechen.
(Cornelius Pollmer, SZ vom 03.07.2013)