Dienstag, 25. Juni 2013

Postdemokratische Regierungschefin.


Das ist ja schon etwas albern, wie jetzt die Journaille unisono Merkels Spendierhosen-Wahlprogramm auf Realitätstauglichkeit abklopft und mürrisch die Daumen senkt.   
Nachdem das CDU/CSU-Wahlprogramm aus dem Dunst der Hinterzimmer seinen mysteriösen Weg in dieses Blog fand und bereits über 15000x heruntergeladen wurde, finden sich heute schon die ersten Bewertungen der Gesamtausgabe von Merkels Märchenbuch in der Presse. Wir haben die schönsten Zitate für euch gesammelt.   (Und versprochen, wir setzen uns auch noch damit auseinander, sind aber gerade noch auf der Suche nach den Inhalten.)

Die Zeit 31.5.:
„Die programmatische Wundertüte ist also ganz nach Merkels Geschmack, und sie steht in der Tradition der Union. Innerparteiliche Demokratie wurde dort nie großgeschrieben.“

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 9.06.:
„Glaubt Angela Merkel eigentlich selbst an die Versprechen, die sie Wahlkampf gibt? Früher dachte sie, dass man den Wählern am besten die Wahrheit sagt. Sie hat sich eines Besseren besonnen.“
„Fast alles, was sie (Merkel) an vollmundigen Versprechungen in Wahlprogramme aufnahm, hatte sie zuvor entschieden bekämpft.“

FAZ 10.6.:
Dass die steuerähnlichen Beitragssätze zu den Sozialversicherungen ebenfalls stabil bleiben, darauf wollen sich leider weder die Liberalen noch die C-Parteien festlegen.“
„Mit den Ideen der anderen“
„Ob später doch eine Steuerfinanzierung (sprich: Steuererhöhung) nötig sein wird, steht dahin.“

Der Tagesspiegel, 18.06.
„Da will die CDU ein Wahlprogramm – aber diskutieren darf die Partei darüber nicht. Kann sie auch gar nicht mehr. (…) Zeit zur Debatte? Unnötig. Kanzlerinwahlverein, das muss reichen.“

Spiegel Online 18.6.:
„Nun muss sich die Führungsriege mit dem Lesen sputen: Am Sonntag soll sie das Programm bei einer gemeinsamen Sitzung von CDU und CSU abnicken, bevor das Ganze am Montag in den Berliner Opernwerkstätten feierlich präsentiert wird. So viel zum Thema Mitmach-Partei, ein Label, das sich die Union zuletzt so gerne angeheftet hat. Und das auch bei der so vollmundig beworbenen Internet-Basis-Beteiligung nicht ganz der Wahrheit entsprach. Am Ende wurde eben doch alles in kleinen Zirkeln um die Generalsekretäre Hermann Gröhe (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) zusammengeschustert.“

Süddeutsche Zeitung 19.6.:
„Wir schenken – Ihr zahlt“
„Und im Fall der Bundeskanzlerin kommt sogar noch eines hinzu: Über all ihre Versprechen, von der Mütterrente über mehr Kindergeld bis zu höheren Infrastrukturausgaben, wird seit Jahren diskutiert. Warum eigentlich hat sie diese Ideen nicht längst umgesetzt?“


Auch die Opposition nörgelt genüsslich.

Anlässlich der Vorstellung des Wahlprogramms von CDU und CSU erklärt der  wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Wolfgang Tiefensee:

Dieses Wahlprogramm ist ein Offenbarungseid. Es wirkt fast so, als hätte die  Union die Zeit zwischen den beiden Wahlprogrammen in der Opposition  verbracht. Teilweise haben CDU und CSU einfach die Forderungen von 2009  kopiert. Forderungen, die dann auch mit der FDP im Koalitionsvertrag  vereinbart worden sind. So wird das Programm von 2013 zum Ausweis der  miserablen Regierungsbilanz von Schwarz-Gelb.

Beispiel steuerliche Forschungsförderung: Zwar lobt die Union stets die  Innovationskraft des Mittelstands und der deutschen Wirtschaft insgesamt, die  versprochene Unterstützung in Form einer steuerlichen Forschungsförderung  wurde jedoch nie eingeführt. Es wird die Unternehmen kaum trösten, dass das  Versprechen von 2009 auch im neuen Programm zu finden ist.

Beispiel Breitbandausbau: Schon 2009 versprachen CDU und CSU den zügigen  Ausbau der Breitbandversorgung im ländlichen Raum. Passiert ist wenig –  zum Leidwesen vieler Betriebe außerhalb der großen Städte. Auch im  Programm 2013 ist die Zusage enthalten, schnelles Internet flächendeckend  verfügbar zu machen, „bis 2018“.

Beispiel Wirtschaftsförderung: 2009 hat die Union sich dafür ausgesprochen,  die Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftsstruktur (GRW) „auf  hohem  Niveau“ fortzuführen. Und auch 2013 steht das Bekenntnis zu einer  „verlässlichen Förderung“ im Programm. Anstatt für Verlässlichkeit zu  sorgen, hat Schwarz-Gelb die GRW-Mittel 2013 jedoch gekürzt.

Wo CDU und CSU keine alten Ideen wiederverwerten, schreiben sie entweder bei  der SPD ab – Beispiel Finanztransaktionssteuer – oder entwerfen Wahlversprechen ohne Gegenfinanzierung. So ist das Programm der Union ein  Gemisch aus alten Positionen, kopierten Ideen und unsoliden Forderungen. Kein  Wunder, dass auch die eigenen Leute – wie der CDU-Wirtschaftsrat – dieses  Programm bereits abgeschrieben haben.
(SPD-PM Nr. 764 vom 24.06.13)




Ich staune mal wieder.
Wie sehr sind doch SPD, Grüne, Linke und Hauptstadtpresse der Regierungschefin auf den Leim gegangen!
Die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt ist ohnehin so niedrig, daß der Urnenpöbel schon lange keine Ehrlichkeit erwartet.


 Das beste Beispiel dafür waren die FDP-Märchenversprechen der radikalen Steuersenkungen von 2009. Das glaubte natürlich auch niemand. Zu klar waren Westerwelles Versprechen angesichts der Weltfinanzkrise unfinanzierbar, zu sehr war das Image des damaligen Parteichefs als unseriöser Hallodri betoniert.
Der Wähler ist schon einen Schritt weiter: Wenn man schon keinem mehr glauben kann, dann wählen wir wenigstens das Märchen, das sich am besten anhört.

Merkel hat begriffen wie Wahlkampf geht.
Zunächst nimmt sie den Sozis und Grünen den Wind aus den Segeln, indem sie einfach alles fordert, was die schon gefordert haben.
 Die alten Sozis werden deswegen nicht unbedingt zur CDU überlaufen.
 Aber das müssen sie auch nicht. 
Merkel hat schon gewonnen, wenn die irgendwie Unzufriedenen so irritiert sind, daß sie nicht zur Wahl gehen.
Ihr Wahlprogramm der großen Versprechen ist außerdem ein Geschenk an ihren Vize Fipsi.
Die FDP hatte bekanntlich kein einziges ihrer Wahlversprechen eingehalten und sich durch offensichtliche Regierungsunfähigkeit so blamiert, daß sie kein einziges Thema mehr besetzen kann.
Der Sturz unter die 5%-Hürde drohte.
Dank des Milliarden-Füllhorns, welches Merkel auf einmal hervorzauberte, bekamen die inhaltlich darbenden Umlaut-Politiker (Döring, Rösler und Brüderle) nun eine Steilvorlage, um auf sich aufmerksam zu machen.
Sie können sich als Gegner von Merkels Ausgabenorgie profilieren und den Urnenpöbel an ihre ordoliberale Überzeugung erinnern.
Endlich kommen sie wieder vor!

Merkel hat in weiser Voraussicht ihre Partei schon längst gründlich enteiert.
Die CDU darf schon lange nicht mehr mitbestimmen und ist zu einem kläglichen Kanzlerinnenwahlverein ohne Eigen-IQ zusammengeschrumpft.

Willkommen in Merkels Staatstheater.

CDU und CSU tun in Berlin so, als diskutierten sie ihr Wahlprogramm – das am Vortag bereits beschlossen wurde

Doch, doch, es wird diskutiert auf dem "gemeinsamen Kongress von CDU und CSU" über das "Regierungsprogramm für Deutschland 2013– 2017". Kontrovers sogar. Beinahe entzündet sich ein Streit – aber nur an der Frage, ob der Ort gut gewählt ist: die Opernwerkstätten in Berlin-Mitte. "Industrial chic", jubelt Axel Wallrabenstein, Chairman einer PR-Agentur, und erklärt die Union über Twitter gleich zur "#hipsterpartei". Andere wundern sich über die schlecht gelüftete Halle, die von Stahlträgern dominiert wird, von denen die abgeplatzte Farbe bröckchenweise ins Publikum rieselt. […] An diesem Montag führen CDU und CSU ein Theaterstück auf. Der Saal ist mit Parteilogos geschmückt, es gibt Reden beider Vorsitzenden, es gibt Applaus, dessen Länge mit Stoppuhren gemessen wird, es gibt ein Programm, und am Ende singen alle gemeinsam die Nationalhymne – wie auf einem Parteitag. Nur beschlossen werden kann nichts. Das ist schon am Vortag geschehen. Da haben die Vorstände beider Parteien in der "Humboldt-Box" (noch so eine "location") ohne Gegenstimme oder Enthaltung das 127-seitige gemeinsame Wahlprogramm beschlossen, das sie "Regierungsprogramm" nennen.

Demokratie schadet einer Partei wie der CDU ohnehin nur. 
Was das ewige Diskutieren und Mitbestimmen anrichtet, sieht man ja bei der im 20%-Tal vegetierenden SPD.

Direkte Demokratie: Darf's ein wenig mehr sein?

Die CDU lebt, im Gegensatz zu den Grünen, auf Kosten ihrer Zukunft.

Politik ist ein undankbares Geschäft, und Demokratie nicht immer gerecht. Darunter hat schon manche Partei gelitten; in diesen Tagen trifft die bittere Erkenntnis die Grünen. Da kungelt die CDU-Spitze ihr Wahlprogramm im Geheimen aus, selbst Vorstandsmitglieder haben noch keinen Entwurf gesehen. Einen Parteitag soll es auch nicht geben. Die Basis hat nichts zu sagen. Doch es gibt keinen Aufschrei, die CDU-Führung kommt mit ihrem vordemokratischen Verhalten durch. Stattdessen ergießt sich ausgerechnet über die Grünen Häme.

Die grüne Partei hat ihr Programm von allen Delegierten beschließen lassen, die Spitzenkandidaten wurden per Urwahl bestimmt. Und jetzt haben die Mitglieder sogar darüber entscheiden dürfen, mit welchen Themen der Wahlkampf bestritten wird. Mehr Demokratie geht kaum. Doch weil bei dem Mitgliederentscheid die Lieblingsthemen der Grünen-Spitze nicht oben landeten, muss diese sich jetzt im ganzen Land als basisfern verspotten lassen. Angela Merkel - die CDU-Spitzenkandidatin durch Selbstausrufung - macht derweil unbehelligt Wahlkampf. […]

Die Merkel-CDU hat sich angesichts dieser Risiken dafür entschieden, auf direkte Demokratie gleich komplett zu verzichten. Die Mitglieder durften sich jetzt zwar an einer "Mitmachaktion" im Internet beteiligen, entscheiden konnten sie dabei aber nichts. Kurzfristig wird die CDU mit dieser Ignoranz gegenüber ihrer Basis Erfolg haben. Bisher gibt es keine offene Kritik am Kurs der Parteiführung, diese Ruhe hilft im Wahlkampf. Stattdessen muss sich die Grünen-Spitze prügeln lassen.

Die Kanzlerin ist auf dem besten Weg zur Wiederwahl.
So wolkig-unbestimmt mögen es die Deutschen.
Angesichts dieser postdemokratischen Plan-Politik der großen Vorsitzenden wird es natürlich immer schwieriger Realität von Comedy zu unterscheiden.
Was der doppelt grimmegepreiste Postillon über das CDU-Programm schreibt, wirkt absolut realistisch.

Wahlprogramm von CDU/CSU als jederzeit editierbares Wiki veröffentlicht

Berlin (dpo) - Bei der Vorstellung des offiziellen Wahlprogramms der Unionsparteien hatten Angela Merkel und Horst Seehofer heute eine faustdicke Überraschung im Gepäck. Erstmals überhaupt erscheinen die Wahlversprechen von CDU und CSU nicht auf Papier sondern in Form eines sogenannten "Wikis", wie man es etwa vom Online-Lexikon Wikipedia kennt. Dadurch kann das Programm bis zum Tag der Wahl und darüber hinaus jederzeit aktualisiert werden.

Im Gegensatz zu anderen Wikis kann das Wahlprogramm der Union jedoch nicht von jedem Internetnutzer editiert werden. Alleinige Administratoren- und Schreibrechte haben nur die beiden Parteivorsitzenden. [....]