Sonntag, 7. April 2013

Wird das jetzt der Absprung?

Was zum Teufel soll man lesen, wenn man umfassend informiert sein will und nicht ewige Stunden im Internet rumklicken will?
Ein großes wöchentliches Politmagazin gehört nach meiner Meinung in jeden Haushalt. 

Neben der Tageszeitung.
Meine Abos für ZEIT und SPIEGEL bestehen schon seit Mitte der 1980er Jahre. Ich bin so sehr daran gewöhnt, daß mir die Periodika Montag und Donnerstag ins Haus flattern, daß ich mir gar nicht vorstellen kann, wie es „ohne“ gehen sollte.
Ohne SPIEGEL? Das ist einfach unmöglich.

Allerdings – auch wenn das Beispiel hinkt: Vor ca zehn Jahren lief mein persönliches STERN-Fass über. Die vollständige Boulevardisierung wollte ich keinen Tag länger unterstützen und kündigte mit einem entsprechenden Hass-Brief mein Abo.
Insgeheim wollte ich nur ein Zeichen setzen und dachte mir, daß ich ja den STERN dafür am Kiosk weiterhin kaufen könnte.
Erstaunlicherweise tat ich das aber nicht.
 Nein, es gibt auch ein Leben ohne STERN.
Heutzutage kaufe ich das Blatt nur noch ein, zweimal im Jahr, blättere schnell durch und stelle zufrieden fest, daß ich nichts verpasse.
Die Bindung zu ZEIT und SPIEGEL ist natürlich fester. Eine Trennung wäre härter.
Aber eigentlich bin ich soweit über den Schritt zumindest nachzudenken. 
Voraussetzung ist eine Alternative zu haben. 
Was sollte das sein, nachdem es „DIE WOCHE“ (1993-2002) nicht mehr gibt? (Ich vermisse sie immer noch!)
Es gibt noch den Standard (Wien, Tageszeitung, seit 1988, Aufl 70.000), die taz (Berlin, Tageszeitung, Aufl 55.000) oder den FREITAG (Berlin, seit 1990, wöchentl, Aufl. 14.000).
 Ich finde alle drei sympathisch (wobei Jakob Augstein in letzter Zeit auch immer religiöser wird..), aber sie sind einfach zu klein, um überall Korrespondenten zu haben und an Exklusiv-Infos zu kommen.

 Da sind ZEIT und SPIEGEL klar überlegen, weil die überall Korrespondenten hinschicken und in den Hintergrundrunden hocken.
 Ich ärgere mich jede Woche über den SPIEGEL - aber dennoch ist es immer noch bemerkenswert wie gut sie informiert sind. Gerade in der Innenpolitik zitieren sie permanent aus ganz kleinen Runden im Kanzleramt in wörtlicher Rede. So daß man weiß, es muß einer aus der Runde geplaudert haben. Solche Informationen sticht man aber eben nicht zur TAZ oder zum STANDARD durch.
Der jüngste kirchenrektalkriechende Ausfall der ZEIT hat mich allerdings so nachhaltig geschockt, daß ich das Bild des gläubigen Katholiken di Lorenzo, der stolz erzählt das gemeinsame Gebet vorm Essen sei immer der schönste Moment des Tages, nicht mehr los werde.
Will ich eine Zeitung mit so einem Personal unterstützen?
Nein.
Di Lorenzo und Evelyn Finger gehören dringend entlassen.
 Abgesehen vom Religiotischen haben den Chefredakteur auch seine Parteinahmen für Christian Wulff und insbesondere das Jubelbuch mit von und zu Guttenberg disqualifiziert.

Zunächst einmal werden aber die beiden SPIEGEL-Chefredakteure gefeuert.
Als nicht mehr länger tragbar wird angeblich auch Mascolo und sein mangelndes Gespür für die Auswahl der Titel gehalten – dass es daran hapert, beweist erneut die aktuelle Ausgabe: „Kim Jong Bumm. Nordkoreas verrückter Atomkrieger“ heißt es in bester „Bild“-Sprache, zu sehen ist der Diktator, der in Münchhausenmanier auf einer Rakete reitet. Ein Titel, der mal wieder deutlich macht, wie groß offenbar die Unsicherheit in der Chefredaktion angesichts der sinkenden Auflage ist. Verkaufte der „Spiegel“ zum Antritt von Mascolo und Blumencron 2008 noch 1,05 Millionen Exemplare, sind es heute rund 890 000 Stück – was teils strukturell, teils jedoch inhaltlich bedingt sein dürfte. Mascolo aber zeige sich „beratungsresistent“, berichten Mitarbeiter, auch würde Kritik aus Angst vor seiner „ruppigen“ Art zurückgehalten.
(Sonja Pohlmann, 06.04.13)
Wohl wahr!
Es ist nicht nur die Titelgeschichtenauswahl an sich, sondern auch die miserable Umsetzung.
Wie kann es sein, daß ein angeblich seriöses Magazin mit den Ressourcen des SPIEGELs eine Titelgeschichte zur Papstwahl raushaut, die von inhaltlichen Fehlern gespickt ist, obwohl ich die als Laie auf den ersten Blick erkenne?
Das ist unentschuldbar.

Und von devoten Guttenberg-Lobhudeleien fange ich gar nicht erst an.
„Die fabelhaften Guttenbergs. Paarlauf ins Kanzleramt“ – SPIEGEL-Titelgeschichte 18.10.2010.


Es fragt sich nun, wer von Mascolo und Blumencron, die verständlicherweise die Abonnenten in die Flucht trieben, folgen könnte.
Als Stefan Aust gefeuert wurde, hatte man schon nach externen Lösungen gesucht und sich beispielsweise bei Klaus Kleber Absagen geholt.
Nachdem jetzt aber die interne Lösung auch gescheitert ist, dürfte die Mitarbeiter KG des SPIEGELs mal wieder ihre Fühler ausstrecken. 
Wer käme in Frage?
Die einzig wirklich ideale Personalie, nämlich Tissy Bruhns – sie hätte das Know How, ist hoch angesehen und zudem auch noch sympathisch – scheidet leider aus.

Die Qualifikation brächte auch Kurt Kister mit, aber warum sollte er nach Hamburg wechseln wollen? 
Auch Heribert Prantl erscheint mir viel zu bayerisch zu sein, um mit den selbstbewußten SPIEGEL-Leuten fertig zu werden. Und ob er genug von Online-Medien versteht? Zudem treibt es Prantl immer in die Öffentlichkeit und dazu bliebe ihm als SPIEGEL-Chef keine Zeit mehr.

Die taz-Chefin Ines Pohl ist eine Gute.
 Aber der Sprung von dem kleinen, ärmlichen Tagesblättchen zu dem 300-Millionen-Umsatz-Mammut-Unternehmen wäre wohl zu heftig. 
Es fragt sich auch, ob sie den Gesellschaftern von Bertelsmann nicht zu links wäre.

Bei der Süddeutschen, die von der politischen Ausrichtung her am ehesten mit den SPIEGEL vergleichbar ist, gibt es natürlich weitere hochkompetente Vollblutjournalisten.
  Susanne Höll zum Beispiel. Aber verfügt sie über die nötige Härte und das betriebswirtschaftliche Interesse?

Meine Lieblings-Chefredakteurin wäre Franziska Augstein, die immerhin den richtigen Namen mitbrächte und zu 1000% für Seriosität stünde. 
Sie ist intellektuell ebenso brillant wie ihr Vater und hat sich in der Vergangenheit extrem kritisch zu Boulevardthemen im SPIEGEL geäußert.
Aber ob es sie in so eine Top-Position drängt? Dort wäre ihr ruhiges Leben endgültig vorbei. Mit Geld könnte man sie ohnehin nicht ködern. Als Rudolf Augsteins Erbin ist sie reich genug.

Bisher kursieren nicht viele Namen in der Presse. 
Aber die wenigen, die ich gelesen habe,  würden mich augenblicklich mein Abo kündigen lassen.
Gerüchte über eine Doppelspitze bestehend aus der Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel und Jakob Augstein, Gesellschafter und „Freitag“-Herausgeber, wurden von mehreren Seiten als „absurd“ bezeichnet. Vielmehr werde ein alleiniger Chefredakteur gesucht, als Kandidaten genannt werden dpa-Chefredakteur Wolfgang Büchner, der stellvertretende „Bild“-Chefredakteur Nikolaus Blome und Gabor Steingart, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Verlagsgruppe Handelsblatt.
Steingart und Blome wären eindeutig weit, weit jenseits dessen, was ich noch tolerieren könnte.

Meine Vorstellungskraft reicht aber ohnehin nicht aus, um mir auszumalen, daß das trudelnde Magazin einen BILD-Mann oder den stramm rechten Neoliberalen Steingart auf den Chefsessel setzen könnte.