Freitag, 5. April 2013

Langsam reicht es – Teil VII



Wochenend und kein Sonnenschein, da nahm ich mir zum Glück allein die aktuelle ZEIT vor.
Da es der Auflage dient, haben Giovanni di Lorenzos Leute auf die Titelseite mal wieder ein riesengroßes Adolf-Hitler-Konterfei gesetzt.
Billigste Kiosk-Psychologie. Hast Du keinen guten Aufmacher zur Hand, setze auf Hitler – das verkauft sich immer.
Bei der aktuellen Geschichte, „Hitlers letzter Sieg“, geht es übrigens bloß um das 30-Jährige Jubiläum der STERN-Hitler-Tagebücher. Wahrlich nothing to write home about.
Also wenden wir uns gleich den anderen ZEIT-Themen zu.

Es ist nicht neu, daß in der einst so vorbildlichen Qualitätszeitung konservative Leitartikel und schwer religiotische Kirchenhuldigungen stattfinden.

Inzwischen vergeht aber kaum eine Woche, in der die ZEIT nicht schwere Religiotie verbreitet.
Grundsätzlich freue ich mich natürlich darüber, wenn religiöse Themen von einer ernstzunehmenden Warte aus erörtert werden; erst recht wenn es sich um Papst und Kurie dreht.
Der Katholizismus ist eine unerschöpfliche Quelle des Wahnsinns. 
Aber eben nicht nur das, denn die Christlich-totalitäre Megaorganisation beeinflusst auch alles andere - Politik, Kultur, Psychologie, gesellschaftliche Debatten.
Nun erwarte ich nicht ernsthaft, daß die völlig unkritische Katholikenbewunderin Evelyn Finger, die das ZEIT-Ressort „Glauben & Zweifeln“ leitet, aus den allgemeinen Franziskus-Festspielen ausbricht.
Mit eingeschaltetem Hirn wird nur sehr wenig über den neuen Papst berichtet.
Eine der wenigen Ausnahmen war mal wieder das Hamburger Magazin „ZAPP“, welches in wohltuender Weise immer wieder wagt das zu berichten, was kein anderer Journalist anfasst.
In der Sendung vom 27.03.2013 thematisierten die NDR-Jungs die schwierige Recherche zu Bergoglios Verhältnis zur faschistoiden Militär-Junta in Argentinien.
Die Fragen sind nämlich tatsächlich tabuisiert. 
Wer es wagt überhaupt Fragen zu stellen, wird vom Vatikan scharf abgebügelt.
Der besonnene Journalist Horacio Verbitsky forscht seit vielen Jahren zu dem Thema. Veröffentlichte mehrere Bücher, in denen er keineswegs als reiner Kirchenkritiker auftritt, sondern alle Seiten ausführlich zu Wort kommen läßt.
Der konservative Ex-Kardinal Bergolio, heute Franziskus, soll eine größere Nähe zur argentinischen Militärjunta gehabt haben, als offiziell zugegeben. […] Ist der Papst also ein Komplize der Diktatur? Nach seiner Wahl zum obersten Hirten Gottes wurde Verbitskys Recherche wieder zum Thema. Argentinische Medien unterstellen dem Journalisten jetzt eine linke Kampagne und tun sich mit der Aufarbeitung der Rolle der Kirche in Zeiten der Junta schwer.
Die wenigen Priester, die nicht auf Seiten der Junta standen, lebten sehr gefährlich. Myriaden Regimekritiker wurden verschleppt, gefoltert und getötet.
Horacio Verbitsky: Einige von diesen Pastoren wurden verschleppt, und sie beschuldigten später [Bergoglio], sie den Militärs ausgeliefert zu haben, insbesondere Orlando Yorio und Francisco Jálics. Beide waren verschleppt und fünf Monate in der Esma gefoltert worden. Yorio äußerte später sogar den Verdacht, dass bei einem Verhör, als er mit verbundenen Augen auf ein Bett gefesselt war, Bergoglio selbst anwesend war. Das hat er mir so gesagt. […] Die Jesuitenuniversität in Buenos Aires vergab unter Bergoglios Regentschaft einen Ehrendoktortitel an Emilio Massera*. Der hielt zur Verleihung eine Dankesrede, die von Antimarxismus, Antifreudianismus und Antisemitismus geprägt war. Bergoglio gab grünes Licht für die Verleihung, nahm aber nicht daran teil. Deshalb findet auch niemand ein Foto von den beiden zusammen. Wenig später reiste Massera nach Washington und hielt einen Vortrag an der dortigen Jesuitenuniversität. Auch das wäre ohne die Empfehlung des Leiters der argentinischen Jesuiten nicht denkbar gewesen. Ein so umstrittener Diktator wird an keiner Jesuitenuniversität empfangen, ohne dass man sich vorher mit dem Chef der Jesuiten aus seinem Land abstimmt. [….] Viele Bischöfe haben die Militärregierung sehr offen unterstützt und in Reden und Erklärungen zum „Krieg Gottes“ ermutigt. Aber es gab einige wenige, die gegen die Diktatur kämpften, die Verfolgte beschützten und sich für die Menschenrechte einsetzten. Aber das war nicht mehr als ein halbes Dutzend. […] Unter [Bergoglios] Regentschaft bei den Jesuiten wurden Dutzende Artikel veröffentlicht, die sich vehement gegen die Befreiungstheologie aussprachen. „Papst der Armen“ – das kann schon sein, denn er ist ein konservativer Populist. Er ist sehr bedacht darauf, dass alle Welt weiß, dass er U-Bahn und Bus fährt, dass er alte Schuhe trägt und gebrauchte Kleider, dass er den kirchlichen Pomp ablehnt. Er ist ein großer Schauspieler. Seine Predigten übt er vorher ein, um ihnen dramatische Effekte zu geben, er gestikuliert viel. Er ist ein hemmungsloser Populist, recht flexibel in Fragen der Doktrin, allerdings unerbittlich gegen die Befreiungstheologie. Er redet sehr viel von den Armen – ein Populist eben.
* argentinischer Admiral und von 1976 bis 1978 eines der führenden Mitglieder der argentinischen Militärjunta. Er gilt als einer der Hauptverantwortlichen für die operative Durchführung der massiven Menschenrechtsverletzungen während der Militärherrschaft, denen bis zu 30.000 Menschen zum Opfer fielen. (Wikipedia)
Wie sehr die Frage nach Bergoglios Vergangenheit unterdrückt wird, ist in der Tat erstaunlich.

Es geht immerhin um keine Kleinigkeit, sondern um die Unterstützung einer brutalen menschenrechtsfeindlichen Killertruppe, die zigtausende Menschen ermorden ließ.

Und Bergoglio war nicht wie Ratzinger zur Hitlerzeit ein Knabe, sondern ein erwachsener Mann, der die Karriereleiter bereits weit emporgestiegen war.

Aber ganz genau werden wir es nicht erfahren, weil Argentiniens Journalisten bis auf eine Ausnahme a.) im „Wir-sind-Papst“-Taumel das kritische Denken abgeschaltet haben und b.) ohnehin keine Neigung besteht die jüngere sehr widerliche Vergangenheit aufzuarbeiten.

Auch in Europa huldigt man unkritisch dem Pontifex Maximus.
Wer es wagt kritische Fragen zu stellen, wird vom Jesuiten Federico Lombardi scharf gerüffelt.
Der Radio-Vatikan-Chef und „Regierungssprecher“ des Papstes müßte sich allerdings gar nicht so ins Zeug legen. 
Die Europäer stellen weitüberwiegend ohnehin nur wohlwollende Fragen und zensieren sich gegenseitig.

Und das war der Bogen zurück zur ZEIT von gestern.
Evelyn Finger widmet sich in einem Meinungsartikel nämlich nicht etwa den Fragen nach Bergoglios Vergangenheit, sondern nach den Motiven derjenigen wenigen, die nicht a priori devot schweigen.
Was die Kritik am Papst über die Kritiker verrät.

Misstrauen ist manchmal ein Zeichen von Klugheit, aber meistens ein Zeichen von Schwäche. Vielleicht kommt das Wort deshalb in der Bibel nicht vor, weil gegen das Gift des unbegründeten Argwohns sogar der Papst machtlos ist. Schon am ersten Abend des Pontifikats, als der Neue sich weigerte, ein protziges Kreuz umzuhängen, gifteten die Kommentatoren, nun beginne das große Bescheidenheitstheater. […] Je bescheidener er auftritt, desto weniger wird man ihm glauben. Das ist die Schizophrenie unserer Zeit. […] Wir sind eine misstrauische Gesellschaft, und das Misstrauen ausgerechnet gegen den neuen Papst wirft kein gutes Licht auf uns. […] Das Misstrauen gegen den neuen Papststil ist auch Missgunst. […] Dass aus der Liste der Päpste nun der seit Langem glaubwürdigste besonders beargwöhnt wird, enthüllt einen destruktiven Charakterzug unserer Gesellschaft: Offenbar misstrauen wir uns selbst. […]  Nun aber kommt ein Papst und zeigt uns, dass man nicht feige sein muss, sondern mal etwas Aufrichtigkeit riskieren kann.
(Evelyn Finger, 4. APRIL 2013, DIE ZEIT  No 15)
Man muß schon nach all den Jahren, die der überzeugte Katholik Giovanni di Lorenzo die ZEIT leitet mit der Lupe suchen, um noch Unterschiede zu Kath.net auszumachen.