Dienstag, 12. März 2013

Die spinnen, die Katholen.


Beim Bügeln habe ich mir heute die Sendung „WEST.ART am Sonntag“ vom 03.03.13 angesehen, bzw angehört.
Ich hasse es mit Brille zu bügeln, weil der Dampf die Gläser immer so beschlagen läßt.
Ohne Brille sehe ich aber den TV-Bildschirm etwas verschwommen. In dem Fall ist eine Talkshow natürlich sinnig. Deswegen habe ich immer eine aktuelle „Bügel-Videocassette“ mit den TV-Sendungen, die es mir eigentlich nicht wert sind meine Zeit damit zu verschwenden, die aber ganz gut beim Multitasking nebenher laufen können.
Thema war:
„Die missglückte Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, die Debatte um eine vergewaltigte Frau, der in katholischen Krankenhäusern die "Pille danach" verweigert wurde, der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. oder auch arbeitsrechtliche Streitigkeiten: Vor allem die katholische Kirche sorgte in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen. Und das in einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen von der Institution Kirche distanzieren. Katholische wie evangelische Gemeinden verlieren seit Jahren Mitglieder.“ (WDR.de)
Was man immer wieder bei Kirchenthemen in Talkshows erlebt, ist natürlich das enorme Unwissen der Moderatoren.
Dabei ist Holger Noltze eigentlich einigermaßen gebildet. („Jahrgang 1960; in Essen geboren und studierte Germanistik, Hispanistik und Geschichte in Bochum und Madrid. Das Studium schloss er mit einer Dissertation über den „Parzival“-Roman von Wolfram von Eschenbach ab. […] Seit 2005 beschäftigt er sich auch als Professor für Musik und Medien/ Musikjournalismus an der Universität Dortmund mit der Vermittlung von Kultur. 2010 ist sein neues Buch „Die Leichtigkeitslüge. Über Musik, Medien und Komplexität“ in der Edition Körber Stiftung erschienen. Holger Noltze schreibt nebenbei für die FAZ und „Literaturen““)

Dennoch haut Noltze dann mal en passant raus, er habe ja GAR NICHT GEWUSST, daß Kirchliche Kindergärten, Krankenhäuser und Schulen gar nicht von der Kirchensteuer bezahlt werden.

Das frustriert einen Atheisten wie mich natürlich schon, daß solche Basis-Informationen, die in Zeitschriften, Blogs, Vereinen, Artikeln und Dutzenden Büchern immer und immer wieder transportiert werden, scheinbar gar nicht adaptiert werden. 
Noch nicht mal promovierte Journalisten wissen das. 
Da wundert es wenig, daß das gemeine Volk erst Recht dem alten Märchen von der sozialen Mildtätigkeit der Kirchen anhängt.
Gleich mehrfach betonte Noltze sogar, daß er vorher noch nie gehört habe, daß die Kirchen der zweitgrößte Arbeitgeber Deutschlands wären.
Die Kunde hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Dabei ist doch nun gerade das Thema der entrechteten kirchlichen Arbeitnehmer seit langer Zeit öffentlich präsent. 
Gerdia betont zu meiner Genugtuung auch immer wieder, es könne ja wohl nicht angehen, daß weiterhin Juden, Muslime und Atheisten von den 1,3 Mio Arbeitsplätzen im Gesundheits- und Pflegebereich ausgeschlossen sind, die aber alle vom Staat bezahlt werden.
Eine Information zu veröffentlichen ist leicht in Deutschland.
Aber wie stellt man es an, daß sie auch in die Birnen des Urnenpöbels gelangt?
Ich weiß keine Antwort.

Und immer noch läßt eine große Redaktion die Pfaffen mit Falschinformationen durchkommen.
Natürlich waren die Gäste fast dieselben wie immer (Jürgen Domian, Weihbischof Jaschke etc) und der Erkenntnisgewinn lag im homöopathischen Bereich.
Doch da hatte dann auch Frank Plasberg schon keinen Sinn mehr fürs Konklave und eröffnete die allgemeine Aussprache: Kondome, Kitas, Kirchensteuer. Von allem ein wenig und nichts richtig. Als WDR-Kollege Jürgen Domian sein "Wenn Jesus heute auf der Welt wäre ..." anstimmte, schien die Zeit für den erlösenden Griff zur Fernbedienung gekommen zu sein. Doch dann wurde es tatsächlich noch spannend, und Domian ließ vergessen, dass er eben noch eine aus allen Religionen zusammengeklaubte Spiritualität mit persönlicher Geschmacksnote propagiert hatte. 
Wie kann es sein, so stellte er zur Debatte, dass Kirchen beider Konfessionen hierzulande leer stehen oder gar abgerissen werden, sich die Geistlichkeit aber mal lautstark, mal durch die Lobby in öffentliche Angelegenheiten von der Sterbehilfe über die Sexualerziehung bis zum geöffneten Supermarkt am Sonntag einmischt? Wie kann es sein, dass dies und viele Sonderrechte vom Grundgesetz weiter gedeckt werden, obwohl wir längst in einer nachchristlichen Gesellschaft leben? Lange schon ist bei uns eine Grundsatzdebatte über das Verhältnis von Staat und Kirche überfällig. Und auch, wenn die Amtskirchen an der Diskussionstheke nur mit einer B-Klasse vertreten waren - ein katholischer Weihbischof und eine Vize-Präses für den protestantischen Part -, so wäre es doch interessant gewesen, sich mit ihnen das immer offensichtlichere Missverhältnis zwischen kirchlichem Einfluss und schwindendem Rückhalt in der Bevölkerung vorzunehmen.

Doch schon grätschte Frank Plasberg dazwischen und leitete zur Lebens- und Leidensgeschichte einer ehemaligen Nonne über. In bekannter Manier stoppte er damit, was noch gar nicht recht begonnen hatte und verwies entschuldigend auf "die Struktur der Sendung".
TV-Bischof Jaschke konnte quasi unwidersprochen behaupten die kirchlichen Angestellten würden sehr gut behandelt und der enorme Zuspruch der christlichen Schulen und Kindergärten zeige ja, daß sie vieles richtig machen.
Ein aufgeweckter Moderator hätte so ein Scheinargument natürlich in der Luft zerfetzt:
In weiten Teilen gibt es gar keine anderen Anbieter von medizinischen Leistungen oder nichtchristliche KITA-Träger. 
Eltern sind also dazu GEZWUNGEN ihre Kinder dorthin zu geben. 
Sie sind auch GEZWUNGEN Mitglied der Kirche zu sein, ihre Kinder taufen zu lassen, um überhaupt einen Platz zu bekommen.
Genau das ist offensichtlich ja auch die Absicht der „Juden unerwünscht“-Politik von Caritas und Diakonie.
Plasberg hatte davon offenbar aber noch nie etwas gehört.

In der Noltze-Gesprächsrunde immerhin habe ich doch eine neue Information zur Kenntnis genommen.
Ludwig Ring-Eifel, der Chef der Katholischen Nachrichtenagentur „KNA“ und heimliche Zwilling von Ex-CDU-Generalsekretär Laurenz „Skinhead“ Meyer hatte seine ganz eigene Erklärung dafür weswegen Abschaum-Kurienerzbischof Müller von „Pogromstimmung“ gegen die Kirche und Kardinal Meisner von „Katholikenphobie“ spräche.
Tatsächlich würden nämlich in Deutschland neuerdings und fortwährend Kirchen tätlich angegriffen, indem beispielsweise Brandanschläge verübt würden.
 Die Presse schweige darüber aber, um keine Nachahmer auf den Plan zu rufen.
Lese man in atheistischen Blogs, bekäme man aber schnell einen Eindruck von der Gewalttätigkeit gegen katholische Gotteshäuser.

Ach was?
Nun bin ich sowohl links, als auch Atheist und Blogger.
Ich kenne auch viele andere sehr kirchenkritische Blogger und verfolge die Szene in den sozialen Plattformen.

Daß aber jemand jemals zur physischen Gewalt gegen kirchliche Einrichtungen aufgefordert hätte, habe ich noch nie gehört.
 Das ist so abwegig, daß der Gedanke mir ganz neu war.
Dazu muß man offensichtlich Hardcore-Katholiban sein, um sich so was auszudenken.

Natürlich ließ Noltze auch diese wahnwitzige Behauptung einfach so dahin geplappert dastehen und fragte nicht nach, ob es dafür auch nur die geringsten Belege gäbe.

Ach ja, der Chef der Nachrichtenagentur erklärte nebenbei bemerkt auch, die Demokratie habe sich aus dem Katholizismus entwickelt.
„Eine steile These“ befand Noltze immerhin – aber da war die Zeit zu Ende. 
Und Papst Ratzinger hätte die "Reinigung der Kirche" vom Missbrauch begonnen. Haha, Ring-Eifel. Ausgerechnet der Großvertuscher.

Neu ist ein lockerer Umgang mit dem Christlichen Glauben übrigens nicht.
Heute Morgen hörte ich das schöne Lied „Im Café zum zerbrochenen Schwan“ (Schröder Roadshow 1983) mit folgender Textpassage:
Der panierte Nyltest-Tarzan bindet seinen Schlips

Zur letzten Runde heut Nacht

Das versoffene Genie erzählt den alten Witz

Über den schon lange niemand mehr lacht

an der Endstation der verkauften Gefühle

bricht die Liebe in die Knie

und die Ausgekotzten der Gesellschaftsmühle

versinken in Agonie

hier hat der liebe Gott sein Schöpfungsdiplom verschenkt

während Jesus Christus sich im Herrenklo erhängt.