Sonntag, 24. Februar 2013

Rasismus


Zugegeben, von Fußball habe ich keine Ahnung. 
Aber das ist ja scheinbar auch der Grund, weswegen Fußball so ein Massenphänomen ist: Man muß nicht viel darüber wissen, um mitdiskutieren zu können. 
Anders als bei Basketball reicht es auch in der Regel, wenn man bis drei zählen kann, um sich die Ergebnisse zu merken.
Wenn man Montags zur Arbeit kommt, kann man eben mit fast jedem über das Fußballereignis von gestern Abend sprechen. 
Würde man stattdessen die Modalitäten des ESM-Rettungsschirms, oder die verschiedenen Modelle für die Finanzmarkttransaktionssteuer diskutieren wollen, scheitert es daran, daß 99% der Menschen nicht genug darüber wissen. Obwohl das wichtiger als Fußball wäre.

Aber die Welt der Rasenraser ist schön simpel.
Auf der Titelseite der HH Mopo vom Samstag prangte beispielsweise:
„Heiss auf Hannover: HSV will 3. Sieg in Serie!“
Donnerschlach.
Auch als völliger Laie wäre ich ja glatt von selbst auf die Idee gekommen, daß die Stadtmannschaft HSV gewinnen will.
Meiner Ansicht nach ist es überhaupt weit verbreitet, daß Sportler gewinnen wollen.

Das Problem an Mannschaftssportarten ist, daß das Publikum seine Sympathien nach lokalpatriotischen und nationalistischen Gesichtspunkten vergibt. Bei Individualsportarten kann man hingegen seiner Nationalität viel besser entwachsen, weil das Publikum einen Einzelcharakter geboten bekommt.
So sind im Tennis beispielsweise die vielen Osteuropäer immer im PR-Nachteil, weil die klassischen Tennisnationen Amerika, Frankreich und England sich von ihnen überrumpelt fühlen. Serben beispielsweise mag niemand, weil dabei auch noch an den jüngsten Krieg und die Gräuel und Milosovic und Mladic assoziiert werden.
Für serbische Sportmannschaften ist das bei Olympiaden durchaus ein Nachteil.
Die Nummer Eins im Herrentennis, der 25-Jährige Belgrader Novak Đoković streifte dieses Manko ab. Er ist inzwischen überall beliebt, weil er einfach ein toller Typ ist, der neben seinen Fähigkeiten als Sportler auch ein begnadeter Komödiant und Entertainer ist.
 In Hamburg hat auch jeder vergessen, daß die Klitschkos eigentlich Ukrainer sind. Sie sind solche Sympathen, daß sie einfach adoptiert wurden und bei jedem Boxkampf bejubelt werden.

Im Fußball hingegen schwingt der Nationalismus viel mehr mit.
Und unglücklicherweise kommt Nationalismus selten allein, sondern bringt meistens seine Geschwister Rassismus, Homophobie und Misogynie mit.
Bekanntlich sind Profifußballer neben Kardinälen die einzige absolut homofreie Berufsgruppe.
Für Profispieler schließen Bekenntnis und Karriere einander bislang offenbar aus; erst Mitte Februar beendete der ehemalige US-Nationalspieler Robbie Rogers, 25, seine Laufbahn im Moment des Coming-out.
(SPIEGEL, 25.02.13)
Schwulsein ist grundsätzlich OK, aber spielen kann man dann natürlich nicht mehr und muß den Sport an den Nagel hängen.
Da im Fußball gigantische Summen zu verdienen sind und weltweit Fifa- und IOC-Funktionäre Millionen in den Hintern gesteckt bekommen wollen, unternimmt man auch nichts gegen die systematische Intoleranz der „Fans“.
Fußball ist der Rückzugsbereich. Nur dort wird Intoleranz toleriert.
Das gilt im Übrigen weltweit.
Legende sind die antiafrikanischen Grölereien der Italienischen Fußballfans, die sofort in Affenlaute ausbrechen, wenn ein dunkelhäutiger Spieler den Ball bekommt.
Dem schwarzen Deutschen Kevin-Prince Boateng werden als Mannschaftsmitglied des AC Mailand schon mal Bananen zugeworfen. Rassismus ist in Italienischen Stadien so normal, daß alle Welt wie vom Donner gerührt war, als Boateng sich dies nicht mehr gefallen lassen wollte und einfach während eines Spiels ging.
Der Ghanaer Boateng, der in Berlin geboren wurde, hatte am Donnerstag in einem Freundschaftsspiel gegen den Viertligisten Pro Patria in der 26. Minute das Spielfeld verlassen, nachdem er und seine Teamkollegen von den gegnerischen Fans rassistisch beleidigt worden waren. Das gesamte Team folgte Boateng, das Spiel musste abgebrochen werden.

In Italien – ein Land, in dem Rassismus in Stadien immer noch an der Tagesordnung ist – ist die Botschaft angekommen: Die einflussreiche Sportzeitung Gazzetta dello Sport titelte "Wir alle sind Boateng" und nannte seine Handlung eine "historische Reaktion" auf die "Rassismus-Schande" im Stadion von Busto Arsizio. Der Corriere dello Sport schrieb, Milan habe dem Fußball "eine großartige Lektion" erteilt.
Übelste Zustände herrschen auch in Israel, wo der vielfache Meister Beitar Jerusalem einen gewalttätigen Fanaufstand provozierte, nachdem erstmals zwei Nicht-Juden in die Mannschaft aufgenommen wurden.
 Israel ist zwar eine Einwanderernation – aber nur Juden sind willkommen. 
Der schwerreiche russischstämmige Klub-Besitzer Arkadi Gaydamak holte den 23-jährigen Stürmer Zaur Sadajew und den 19-jährigen Abwehrspieler Dschabrai Kadijew aus Grosny – da war was los.

"Beitar bleibt für immer rein": Weil zwei muslimische Spieler beim Jerusalemer Traditionsverein Beitar anfangen wollen, laufen militante jüdische Fans Sturm. […]

Die beiden gelten als Talente, billig waren sie obendrein, und eine Verstärkung kann das Team aus Jerusalem gewiss gebrauchen. Der sechsmalige israelische Meister liegt derzeit in der Liga nur auf dem enttäuschenden siebten Platz. Doch außer dem Klub-Magnaten wollte sich kaum jemand freuen über die Neuverpflichtung. Der Grund: Die tschetschenischen Kicker sind muslimischen Glaubens und das hat es bei Beitar noch nie gegeben in 77 Jahren der Vereinsgeschichte.

[…]   Im nächsten Heimspiel schon brach die Hölle los. Auf der Tribüne wurde ein Banner entrollt mit der Aufschrift: "Beitar bleibt für immer rein", und rein heißt in diesem Fall rein jüdisch. Der Anklang an den Nazi-Terminus "judenrein" war die geschmacklose und geschichtsvergessene Beigabe zu einem Fan-Krawall, der selbst im israelischen Fußball einmalig ist.  Bei der Ankunft mussten die beiden Neulinge von der Polizei geschützt werden, Grosny wird ihnen beschaulich vorgekommen sein im Vergleich zu Jerusalem. Ein Trupp des berüchtigten Fanklubs "La Familia" lauerte den Spielern auf, bespuckte sie und bewarf ihre Autos mit Steinen. Als Höhepunkt ging am Wochenende der Vereinssitz von Beitar in Flammen auf. Es war Brandstiftung, und dem Feuer fielen nicht zuletzt auch wertvolle Trophäen und historische Trikots zum Opfer.

[...]  Fußball ist für sie oft eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Von den Rängen dröhnen rassistische Schlachtrufe wie "Tod den Arabern" und Verhöhnungen des Propheten Mohammed. Während bei anderen Vereinen und auch in Israels Nationalmannschaft mittlerweile Spieler aus der arabischen Minderheit, die 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht, eine Selbstverständlichkeit sind, musste sich der Beitar-Kapitän öffentlich bei den Fans entschuldigen, als er einmal einen solchen Transfer vorschlug. Bei einem dermaßen begrenzten Horizont ist es wenig verwunderlich, wenn auch die Tschetschenen nun zu unerwünschten Arabern erklärt wurden.

In Russland sieht es nicht anders aus. 
Der Top-Club Zenit St. Petersburg geriet unter Druck seiner Fans, die prophylaktisch verlangten keine schwarzen oder schwulen Spieler zu verpflichten.

Fans des russischen Top-Clubs St. Petersburg haben für einen großen Skandal und heftige Empörung gesorgt. Sie veröffentlichten ein "Manifest für einen traditionellen Fußball", in dem sie sich gegen dunkelhäutige und homosexuelle Spieler ausgesprochen haben.  Der Club verliere seine Identität, wenn Fußballer aus anderen Regionen der Welt dort spielten, hieß es in dem Text, den der Fanclub Landskrona veröffentlichte. Ihre Forderung: Zuerst sollte Zenit slawische Spieler verpflichten, zur Not Europäer. Nur wenn man intensiv gesucht und nichts Passendes gefunden habe, könnten die Scouts "nach Südamerika fliegen", wie es in der Schrift heißt. Eine weitere Forderung ist, dass Zenit-Profis weder rauchen noch trinken dürfen.[…]

Auslöser des Manifests war offenbar ein teaminterner Streit, auf den sich die Fans beziehen. Demnach hätte sich Nationalspieler Igor Denisow beschwert, dass Hulk sehr viel mehr verdiene als die russischen Profis im Kader. Der Brasilianer war im vergangenen Sommer für geschätzte 40 Millionen Euro vom FC Porto zu Zenit gewechselt. […]   In Russland, Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft 2018, gibt es im Fußball immer wieder rassistische Vorfälle. Unter anderem werden dunkelhäutige Spieler regelmäßig mit Bananen beworfen.

Das kann ja eine fröhliche Fußball-WM 2018 werden.
 Am besten man schließt Mannschaften aus Afrika a priori aus. Schon zu ihrer eigenen Sicherheit. Die korrupten Funktionäre finden da sicher eine Dreh und den Europäischen Fußballfans wird es gefallen unter Ariern zu sein.
Die Fifa wußte worauf sie sich einlässt, als sie im Jahr 2010 die WM 2018 nach Russland vergab.

In Russland wird keine zwei Wochen nach der Vergabe der WM 2018 zur Hatz auf Ausländer geblasen, es gibt Tote und Verletzte. Militante Neonazis instrumentalisieren rechtsradikale Fußballfans für ihre Zwecke. […]

Im Internet ruft die russische SS ihre Kameraden zur Schlacht um Moskau. Die "Slawjanskij Sojus", die Slawenunion - abgekürzt SS, gehört zu den berüchtigtsten rechtsradikalen Vereinigungen in Russland. Ihr Führer Dmitrij Djomuschkin posiert gern in Tarnfleck und mit Baseballschläger, er trägt ein Hakenkreuztattoo auf dem Oberarm. "Es ist Krieg", verkündet die Slawenunion in roten Lettern auf ihrer Homepage. Auf einer apokalyptisch anmutenden Fotomontage stehen links finstere Bewohner des Kaukasus, rechts jene Fußballfans, die am Samstag im Zentrum von Moskau wüteten. Zwischen den beiden Lagern liegt Moskau, das von schwarzen Rauchschwaden verhüllt wird. "Auf wessen Seite aber wirst Du stehen?" fragen die rechten Propagandisten.

Der Krieg, den Russlands Rechtsextreme ausrufen, hat in der Nacht zu Montag die nächsten Opfer gefordert: Im Süden der Stadt attackierte ein Dutzend Jugendlicher einen Mann aus Zentralasien und tötete ihn durch Messerstiche in die Milz. Im Osten feuerten Unbekannte aus einer Gaspistole sieben Mal auf einen Verkäufer aus Aserbaidschan und verletzten ihn schwer. Ein zweiter Aserbaidschaner wurde im Zentrum der Metropole niedergestochen.

[…]  Rechte Gruppierungen wie die Slawenunion machen sich jetzt den Unmut der Fans zu Nutze. Am Samstag geriet der zunächst friedliche Trauermarsch für Swiridorow außer Kontrolle. Unweit des Roten Platzes skandierten Tausende Slogans wie "Russland den Russen" und reckten den Arm zum Hitlergruß in Richtung Kreml.

Die Toleranz gegenüber dem Rassismus des Rasens ist in allen Regierungszentralen grenzenlos.

Es gibt aus keiner Partei auch nur vereinzelte Rufe dieses rassistische Mordtreiben ein für alle Mal durch ein Fußballverbot zu stoppen. Zu sehr befürchtet man vom Mob (vulgo: Wähler) abgestraft zu werden.
Elende rückratlose Schwächlinge, diese!