Donnerstag, 20. Dezember 2012

Business as usual - Teil II


Nach den knapp 100 Amokopfern des Jahres 2012 in Amerika, war man nach der letzten Katastrophe von Newtown doch ernsthaft geschockt - immerhin hatte es 20 Kleinkinder erwischt.


Im Grunde genommen war das für amerikanische Verhältnisse nicht der Rede wert.
Die Amerikaner haben ein sehr emotionales Verhältnis zu Waffen. Es herrscht eine enorme Paranoia: Wie bei dem Vater, der sich mit seinem Baby auf dem Arm und einem Revolver in der Hand fotografieren ließ. Er beruft sich auf sein verfassungsmäßiges Recht, eine Waffe zu tragen, um sich und seine Familie zu schützen. Nur: Tatsächlich kommen jeden Tag zehn Kinder durch Schusswaffen ums Leben. Zahllose Todesopfer werden von ihren Familienmitgliedern, Verwandten oder Freunden erschossen, im Streit oder bei Unfällen. Waffen bieten keinen Schutz, sie richten ein Gemetzel an: In den USA kosten sie im Jahr fast 40.000 Menschen das Leben.
(Zed Nelson, Photograph von „Gun Nation“)
 20 tote Kinder schafft Amerika ganz üblich in zwei Tagen abzuknallen, ohne daß das irgendeine Meldung wert wäre.
Für die Waffenlobby NRA (National Rifle Association) ist so eine Ballung unter PR-Gesichtspunkten etwas suboptimal, weil die emotionalen Amerikaner es nicht lieben, die Opfer mit Namen zu versehen und trauernden Eltern aus der Anonymität herausgeholt zu bekommen.
Die namenlosen schwarzen oder Latino-Straßenkids, die täglich in den Ghettos umgenietet werden sind für die frommen Christen der NRA hingegen absolut irrelevant.
Direkt nach einem großen Shooting tauchen die Republikaner und NRA-Fuzzis immer einige Tage ab.
In dieses Vakuum stoßen dann die usual suspects von der Psychopathenfront, die sofort die wahren Schuldigen für diese Massenmorde identifizieren:
Atheisten, Schwule, Barack Obama, die Trennung von Kirche und Staat oder die Abtreibung. 
Die üblichen Erklärungsmuster also, die genauso herhalten müssen, um Sandy, Fukushima oder Katrina zu deuten.


Es war absolut vorhersehbar, 
„that right-wingers would see in such a dreadful event an opportunity to promote their paranoid vision of a perfect America as one where every citizen is armed to the teeth, and trembling in awe of their vengeful God”
(Adele M. Stan, alternet, 16.12.12)
 Unter den ersten hassfanatischen Vakuumköppen, die sich vorwagten, waren:
 Mike Huckabee: Massacre the result of church-state separation. Apparently, former Arkansas governor and pastor Mike Huckabee thinks that if only the Constitution had been rewritten to allow for the mandatory worship of his God in public schools, the massacre would not have happened.  […]


Bryan Fischer: God let massacre happen in public school because he's not wanted there. […]



Steve Deace: Killings caused by widespread child-murder by parents and a school assignment in France. […]



 Glenn Beck: Killings caused by soul problems. Taking to his Twitter stream, Glenn Beck was quick totweet [14], at 12:24 p.m.: "Our communities are suffering and it is because of the ever expanding lack of self control & personal responsibility."  […]



Larry Pratt: Making schools gun-free zones caused the problem.
 Ganz kurz sah es so aus, als ob die Waffengegner Oberwasser hätten, aber heute klingt das schon wieder anders.
Ein schwacher Obama sagt nun lediglich noch, daß er auch gegen freiverkäufliche halbautomatische Waffen sei. 
Nun will er erst mal eine Kommission einberufen - als ob es zu dem Thema noch irgendetwas gäbe, das nicht schon diskutiert wäre.

 Wenn Du nicht mehr weiterweißt und Angst hast, Dich mit jemand anzulegen, gründe eine Kommission.

Drei, vier Tage später sind aber diejenigen, die ernsthaft den 2. Verfassungszusatz von 1791 schleifen wollen, schon wieder in der Defensive.
 Zwar stammt dieser Zusatz aus dem Jahr 1791, als noch die ganz reale Gefahr bestand, dass König George III. versuchen könnte, die abtrünnige Kolonie zurück ins Empire zu holen. Und doch kann man aus einer wörtlichen Lesart den Schluss ziehen: Wer gegen das Recht auf das Waffentragen ist, der ist auch gegen das grundlegende Freiheitsrecht Amerikas. Die Freiheit ist nach dem amerikanischen Verständnis das höchste aller Güter. Ganze Generationen waren während der vergangenen Jahrhunderte bereit, dafür zu sterben.
 Die „normalen“ GOPer und NRA’ler kommen wieder aus ihren Löchern gekrochen.

 
Newt, „der Molch“ Gingrich, ehemaliger Sprecher des Repräsentantenhauses,  Man Of The Year 1995 und GOP-Präsidentschaftskandidatenkandidat von 2012, weiß auch um die tieferen Ursachen des Schoolshootings: „school massacre was tied to godlessness in contemporary American society“ 
When you have an anti-religious, secular bureaucracy and secular judiciary seeking to drive God out of public life, something fills the vacuum. And that something, you know, I don’t know that going from communion to playing war games in which you practice killing people is necessarily an improvement.

I think the fact is if you look at the amount of violence in games that young people play, at 7, 8, 10, 12, 15 years of age, if you look at the de-humanization, if you look at the fact that we refuse to say that we are endowed by a creator, that our rights come from God, that if you kill somebody you’re committing an act of Evil.
 Der ganz alltägliche Wahnsinn bricht wieder aus, die Partei, die eben noch eine komfortable Mehrheit im „house“ erhielt, findet ihre Stimme wieder.


Republikaner fordern, Lehrer und Hausmeister zu bewaffnen, um Schulkinder zu verteidigen. […] Einige Republikaner fordern angesichts der Tragödie von Newtown nicht weniger, sondern mehr Waffen. Ihre Logik: Nur mit Waffen lassen sich Amokläufer stoppen.

So argumentiert zum Beispiel Louie Gohmert, Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus, die ermordete Direktorin Dawn Hochsprung hätte ihre Schüler mit einem Sturmgewehr verteidigen können - wäre sie nur entsprechend ausgerüstet gewesen: "Bei Gott, ich wünsche mir nichts mehr, als dass sie eine M4 in ihrem Büro gehabt und ihn erschossen hätte, bevor er all diese wunderschönen Kinder töten konnte", erklärte er im TV-Sender Fox News.

Der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat Rick Perry hat sich an die Spitze der "Teacher-with-gun"-Bewegung gestellt. Geht es nach ihm, sollen künftig Lehrer, Hausmeister, vielleicht sogar Abiturienten im Schulalltag Waffen tragen dürfen. […]

Die republikanische Politikerin Michele Fiore hat für ihren Bundesstaat Nevada einen Gesetzentwurf angekündigt, der es nicht nur Lehrern und Verwaltungsmitarbeitern, sondern auch Schülern erlaubt, sich zu bewaffnen. [….]

Auch in Oklahoma, South Dakota, Tennessee und Arizona haben Abgeordnete die Idee von Louie Gohmert aufgegriffen. […]

In Texas gibt es bereits Schulen, die es ihren Mitarbeitern erlauben, sich zu bewaffnen - ein Bezirk hat sich schon 2008 dafür entschieden. Als Perry den Bezirk bei einer Rede vor Tea-Party-Anhängern erwähnte, konnte er minutenlang nicht mehr weitersprechen. Er wurde er von begeistertem Beifall unterbrochen.
 Tja, meine lieben Landsleute, ihr wollt es ja so.


10 erschossene Kinder täglich, mindestens.
 
Gods Own Country.