Donnerstag, 25. Oktober 2012

Aua, aua, au.




Jetzt habe ich seit einer Woche wieder dieses pochende, dicke, rote Ei am rechten Oberarm.
So reagiere ich immer auf Impfungen. 
Vor ein paar Jahren habe ich mich einmal überreden lassen die Injektion in den Hintern zu bekommen - „damit du nicht beim Schreiben gehandicaped bist!“
Das war ja noch blöder. So ein Arm hängt ja meistens nur freischwingend umher, während man auf seinen vier Buchstaben sitzt oder liegt. Das mache ich nie wieder.

Wenn man zwei Ärzte fragt, ob man sich grippeimpfen lassen sollte, bekommt man dazu drei Meinungen. Relativ unstrittig ist nur, daß sich Alte und Schwache impfen lassen sollten.

 Ich klammere mich an die Theorie, daß neben der echten Influenza die Grippeimpfung auch indirekt ein bißchen gegen grippale Infekte helfen könnte, weil das Immunsystem schon mal in Wallung gebracht wird.

Ob stimmt? Letztes Jahr hatte ich mal wieder einen Totalausfall mit fast 40°C Fieber und einer Woche stramm im Bett liegen (trotzdem gebloggt!); davor ging es ein paar Jahre gut.

Jedenfalls gehöre ich wohl zur Influenza-gefährdeten Spezies Mensch, da ich regelmäßig in Wartezimmern, Krankenhäusern und mit Pflegepersonal verkehre.
Also lieber doch impfen.

Man liest ja dauernd von den Lieferschwierigkeiten, die Apotheker mit den aktuellen Seren haben. 

Zum Glück ist meine Apothekerin, Frau Dr. Gül Özdemir, richtig gut und bemüht sich immer intensiv um alle ihre Kunden, also auch um mich.

Vor ca zwei Wochen rief ich sie an und bekam das OK. 
Sie habe das Serum nun da; ob sie den Boten schicken solle, oder wolle ich das selbst abholen.

Nein, nein, ich käme selbst, da ich noch vorher zum Internisten müßte, um ein weiteres Rezept für einen alten Herren abzuholen, um den ich mich kümmere.
Der gute Mann ist bettlägerig und wird vom Pflegedienst versorgt. 
Irrtümlich denkt man, so einer könnte sich ja nicht anstecken, wenn er nie rausgehe. Aber weit gefehlt, denn die Pflegerinnen sind echte Virenschleudern. Schließlich gehen sie den lieben langen Tag von einem Kranken zum Nächsten.
Für jemanden, der schon aus dem letzten Loch pfeift, kann aber eine Influenza der Exitus sein. An Grippe sterben in Deutschland mehr Leute als im Verkehr.

In Deutschland erkranken jedes Jahr vier bis zehn Prozent der Bevölkerung an Grippe (Influenza). Bis zu 4,5 Millionen Krankschreibungen gibt es deswegen. Das Robert-Koch-Institut geht von jährlich 5000 bis 15 000 Grippetoten in Deutschland aus.

 Alt und krank und schwach ist eine gute Indikation, um sich grippeimpfen zu lassen. 
Also lieh ich mir seine Barmer-Ersatzkasse-Karte, ging zu seinem Internisten und bat um ein Rezept für eine Grippeimpfung.

Aber das ginge leider gar nicht, bedeutete man mir. Der Impfstoff sei noch gar nicht fertig und es könne noch Wochen dauern, bis er ausgeliefert würde.

Verblüffende Information. 
Ich hätte doch aber heute Morgen mit Frau Özdemir gesprochen und die habe den Impfstoff da!

Aber nicht den für die Barmer-Patienten, Herr Tammox. Sie sind ja privat-versichert.

Ach so.

Daher habe ich jetzt das Ei am Arm.

 Kostete € 22,66. Afluria 2012/2013 mit Nadel von Merck. Kosten erstattet meine PKV. 

Die Barmer GEK hat aber einen exklusiven Vertrag mit Novartis ausgehandelt.
 Daß die Schweizer nicht liefern können wissen wir schon seit sechs Wochen.
 Die gesetzlichen Krankenkassen legten seit dem aber intensiv die Hände in den Schoß und beschäftigten sich mit Däumchendrehen. 

In Hamburg und Teilen von Norddeutschland fehlt ausreichend Wirkstoff für die jährliche Grippeschutzimpfung. Der Hersteller Novartis kann anders als in früheren Jahren erst Ende September liefern. Die Krankenkassen haben aber nach einer Ausschreibung einen Vertrag mit Novartis geschlossen, sodass allein dieser Hersteller zum Zuge kommen soll. Novartis hat mit Kassenvertretern für heute einen Krsiengipfel anberaumt.   Denn Hamburger Hausärzte warnen bereits: Wenn chronisch Kranke, Kinder und Menschen in Altenheimen zu spät geimpft werden, könnte der Schutz nicht mehr reichen, wenn die Grippeviren sie angreifen. "Das ist eigentlich ein Skandal, dass die Firma, die mit den Krankenkassen einen Vertrag abgeschlossen hat, nicht liefern kann", sagte Dr. Stephan Hofmeister dem Hamburger Abendblatt. Er ist der Vize-Vorsitzende der Vertreterversammlung in der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. Hofmeister sagte, die Grippewelle in Australien sei stärker ausgefallen als gedacht.

 Aber auch Ende September wurde das nichts. 

Mitte Oktober gab es immer noch kein Serum für Kassenpatienten. 

Exklusivverträge mit dem Hersteller Novartis für Begripal gibt es Hamburg, Schleswig-Holstein und Bayern.
Wer also im hohen Norden oder im Südosten privat versichert ist, kann sich schützen, Kassenpatienten müssen einkalkulieren womöglich zu sterben.

Frau Özdemir ist entsetzt und sagt die Kassen spielten mit der Gesundheit ihrer Patienten.
So ist das in der Zweiklassenmedizingesellschaft Deutschlands. 
Mein Nachbar, der bettlägerig und ausgemergelt ist, hat zwar kein schmerzendes Ei am Arm, aber dafür stirbt er womöglich an Influenza.

Ein echter Skandal. 
 Müßte da nicht eigentlich das Gesundheitsministerium einschreiten?
Ach nein, Gesundheitsminister ist ja ein FDP-Mann, der sich ohnehin nur um Privatpatienten kümmert.
 FDP-Mitglieder bekommen bei meiner Privatkrankenkasse sogar einen speziellen Rabatt von 5 %.

Die Nähe der Liberalen zur privaten Versicherungswirtschaft geht über politische Kontakte weit hinaus. Zwischen der FDP und der Deutschen Krankenversicherung gibt es auch eine geschäftliche Kooperation: ein vergünstigtes Rundum-sorglos-Paket allein für Parteimitglieder.
"Exklusiv für FDP-Mitglieder", so lautet das Angebot. Genauer: die "liberale Alternative zur Gesundheitsreform". So wirbt die Deutsche Krankenversicherung DKV, Europas größter Privatversicherer, auf der FDP-eigenen Internet-Plattform netzwerk-mit-nutzwert.de. Weitere Informationen? Nur für den, der sich als "FDP-Mitglied verifizieren" kann.
Auf den Seiten der DKV selbst wird es noch deutlicher. Das Logo der Liberalen prangt unter dem der DKV. Daneben drei glückliche Anzugträger und der Claim: "Freie Demokratische Partei und DKV - starke Partner".
Eine Partnerschaft, die sich auszahlt für FDP-Mitglieder und Mitarbeiter. Es gibt Fünf Prozent Rabatt. Vorerkrankungen sind - anders als üblich - kein Grund, den Versicherungsschutz zu verweigern.

 Ich frage mich, ob ich einen bestimmten Aufpreis bezahlen müßte, wenn heraus käme, daß ich SPD-Mitglied bin.

Mein bettlägeriger Nachbar kann noch etwas länger auf seine Novartis-Impfung warten. 

Zwar sind erste Chargen inzwischen nach Deutschland gekommen, aber die sind gleich wieder verboten worden.

Nachdem in Ampullen zweier Grippeimpfstoffe des Herstellers Novartis weiße Partikel entdeckt worden waren, schlugen italienische Behörden Alarm. Die Aktion endete zunächst in dem Verkaufsstopp der beiden Impfstoffe Fluad und Agrippal in Italien, später auch in der Schweiz und in Österreich. Jetzt haben auch die deutschen Behörden ein Verkaufsverbot verhängt.
Das Verbot betrifft vier Chargen des Impfstoffs Begripal und eine Charge des Impfstoffs Fluad.

Was sagt der Gesundheitsminister dazu?
Nichts.
Wozu auch. In Merkels Tu-nichts-Regierung ist das üblich und so kommt die regierende CDU auf satte 12 Prozentpunkte mehr in den Umfragen als die SPD.
Dem Urnenpöbel gefällt es.