Dienstag, 23. Oktober 2012

Herzog Widukinds Problem-Erben



Also so ganz optimal läuft es nicht für Angie.
Zwar kann sie sich immer noch damit in Szene setzen die absolute Euro-Koryphäe zu sein (was zwar nicht stimmt, aber ohnehin niemand überblickt), aber gänzlich irrelevant ist die Innenpolitik doch nicht.

Die Gurkentruppler und Wildsäue erinnern immer noch an ihr Dasein, indem die albernsten Dinge wie Praxisgebühr, Herdprämie, Großelterngeld, Frauenquote, und Wahlrecht auch nach drei Jahren unerledigt auf dem Tisch liegen. 
Merkel ist einfach zu schwach und unfähig, um ihre Kabinettskasper zum Regieren zu treiben.
Selbstredend liegen die richtig großen Brocken, die einer Reform bedürfen - Pflege, Steuer, Bildung,..- ohnehin unbeachtet umher und setzen Patina an.

Normalerweise kann sich eine CDU-Bundesregierung aus drei Gründen allerlei Kabale leisten.
  • CDU-Anhänger sind eher unkritisch und generell schon zufrieden, wenn überhaupt CDU’ler die Staatsspitzen besetzen. SPD-Basisleute sind erheblich anspruchsvoller und wollen, daß Minister und Bundeskanzler ihrer Partei auch noch GUT und in ihrem Sinne regieren.
  • Unionsregierungen wirken schon deswegen relativ stabil, weil sich die Opposition in der Regel selbst zerfleischt, in Grabenkämpfe ausbricht und pro Dekade eine neue Partei hervor bringt, die es noch schwerer macht eine oppositionelle Mehrheit zusammen zu bringen.
  • CDU-Kanzler können sich im konservativen Deutschland auf ein starkes Rückgrat in den Ländern stützen. Ministerpräsidenten stehen zudem stets als natürliche Führungsreserve zur Verfügung.
Punkt 1 und 2 gelten mit einigen Einschränkungen immer noch.

Problematisch ist für die Kanzlerin aber Punkt 3.

Bei Landtags- und Kommunalwahlen steht die CDU seit 2009 immer mit einem dicken Minus da.

Traditionell sind die Landesverbände BW und NRW die mit Abstand stärksten Truppen, dominieren die Parteitage und stellen auch eine ewig sprudelnde Personalquelle dar.

Nun befinden sich allerdings ausgerechnet die beiden Großen in Lyse.
Mappus, Rüttgers und Röttgen haben ihren Landesverbänden zugesetzt wie Attila der Hunne.
Als Merkel vor zehn Tagen im Stuttgarter Wahlkampf auftrat, schallte ihr ein gellendes Pfeifkonzert entgegen. Amtierende Landes-CDU-Größen, die Merkel zur Unterstützung gebraucht hätte, existieren leider nicht mehr.

Daß Merkel so ungeheuer schlau ist, wie die Presseleute immer wieder gegenseitig von einander abschreiben, würde ich nicht behaupten. 
Allerdings dürfte sie klug genug sein, um zu wissen, daß die Luschen Laschet und Strobel, Laschi und Strubbel, oder wie auch immer sie heißen, höchstens Kreisliga-Format haben und ihr kaum helfen können.
Dann gibt es die Landesverbände, die entweder auch demoralisiert und ausgeblutet sind (Hamburg, Brandenburg, Bremen), oder aber Führungs-Flitzpiepen haben, die absolut nicht gewillt und geeignet sind in der Bundespolitik mitzumischen (Saarland, Hessen, Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt).

Stattdessen setzt sie auf Frau Klöckner und Herrn McAllister.
Beide sind beliebt, beide fühlen sich zu Höherem berufen, beide sind jung.
Obwohl McAllister schon regiert, haben beide aber selbst noch nie eine Wahl gewonnen.
Aber genau den Reifetest benötigte es, um in Merkels Obergurkentruppe von Berlin mitspielen zu dürfen.
Die Mainzerin wollte sich eigentlich durch schlichtes Abwarten in Kurt Becks Staatskanzlei substituieren.
Aber das ist eine Konjunktiv-Formulierung.
Die neue Klöcker-Gegnerin heißt nun Malu Dreyer und ist ebenfalls jung, Frau und beliebt. 
Wenn sie bei der nächsten Landtagswahl auch noch ihren Amtsbonus und eine funktionierende Landespartei (Die RP-CDU ist eine korrupte Schlangengrube, bei der immer mal wieder einer wegen Untreue vorm Kadi steht) in die Waagschale wirft, wird das vermutlich nichts mit einer Ministerpräsidentin Julia Klöckner.

Und dann Niedersachen.
 Im Januar geht es für David McAllister um die Wurst.

Wir sind die Niedersachsen,
Trinkfest und verwachsen,
Heil Herzog Widukinds Stamm!

Der FDP-Heimatverband Röslers und Dörings kann natürlich nur unter der 5%-Hürde eintrudeln und allein wird die CDU keine Mehrheit bekommen.
Falls es dabei bleiben sollte, daß auch die schwer debakulierenden Piraten und die Linken-Loser nicht ins Parlament kommen, winkt eine satte rotgrüne Mehrheit.

Die einzige Hoffnung der Hannoveraner Union ist der Regierungschef. 
Auf ihn kommt es an, er steht nun mehr denn je im Scheinwerferlicht. 

Und das ist, gelinde ausgedrückt, nicht gut für ihn.

Seine Wahlkampfmethoden fallen unter die Kategorie peinlich und peinlicher.
Zunächst ließ seine Staatskanzlei ein McAllister-Interview mit McAllister-Fragen und McAllister-Antworten verschicken.
Die CDU Niedersachsen hat Anzeigenblättern ein Interview mit Ministerpräsident und CDU-Landeschef David McAllister zum kostenlosen Abdruck angeboten – fertig ausformuliert samt Bildmaterial.
"Das sogenannte Angebot eines Interviews mit dem Ministerpräsidenten ist der plumpe Versuch, die Anzeigenblätter in den CDU-Wahlkampf einzuspannen", hatte der Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Hendrik Zörner, dem Hamburger Abendblatt gesagt. ZEIT ONLINE sagte Zörner, McAllisters Parteisprecher Torben Stephan habe sich in der Folge beim DJV entschuldigt und die Schuld auf seine Kappe genommen.
Der nächste Coup war ein sogenannter Wahlkampfsong, der ebenfalls nur als Comedy rezipiert wurde.
Wahlkampfsongs sind so eine Sache, manches Lied hat sogar schon die eigenen Anhänger verschreckt, nicht immer trifft es den Geschmack. Bei den Christdemokraten hat man damit Erfahrungen gemacht: Jürgen Rüttgers, Ex-Ministerpräsident, ging mit "NRW in guten Händen" 2010 in die Landtagswahl an Rhein und Ruhr - und verlor. Das scheint seinen Parteikollegen, den Ministerpräsidenten David McAllister, nicht abzuschrecken. Er will am 20. Januar 2013 die Landtagswahlen in Niedersachsen für sich entscheiden.
McAllister hat sich nun auch einen Song produzieren lassen - um sich und sein Land in Stimmung zu bringen. Titel: "So machen wir das. Für Niedersachsen", 3.39 Minuten ist das Werk lang. Es preist Land und Leute - und natürlich besonders einen, nämlich ihn. Der 41-jährige Landeschef setzt im Wahlkampf auf sich (Slogan: "I'm a Mac") und seine schottischen Wurzeln. Der Sohn einer Deutschen und eines Schotten hat seine Werbematerialien deshalb mit blau-orangefarbenem Karomuster hinterlegen lassen, in dem CDU-Lied erklingt ein Dudelsack. […] Da heißt es dann zu einer Sequenz mit einem Fisch, der in ein Flugblatt des SPD-Organs "Vorwärts" gewickelt wird: "Bist du eine linke Sprotte, leg dich niemals mit uns an." McAllister erscheint im Bild - mit Shanty-Sängern, einem Nachwuchsgitarristen oder im Hubschrauber -, und die Stimme im Hintergrund trällert: "Unser Häuptling ist ein Schotte, und wir sind ein starker Clan. Niedersachsen ist uns wichtig."



Die Verweise auf den Jade-Weserport, das niedersächsische Milliardengrab, sind auch nicht eben hilfreich.


Und schließlich, man glaubt es kaum, existiert auch noch Realpolitik in Niedersachsen. 
Ein Politikum ist zum Beispiel die Wulff-Affäre, ist doch McAllister sein direkter Nachfolger in der Staatskanzlei. 
Will er, der  Kronprinz denn gar nichts mitbekommen haben?
Wieder eine dieser NoWin-Situationen. 
Hat er nichts von den Wulff-Glaeseker-Machenschaften gemerkt, ist er offensichtlich leicht dämlich und nicht geeignet für seinen Job. 
Hat er es nicht gemerkt und geschwiegen, ist es sogar noch schlimmer.
Die Fragen der Opposition versucht die Niedersächsische Landesregierung mit größtmöglicher Arroganz auszusitzen.

Auch ein Glaeseker-Gutachten, welches den Wulff’schen Ministern offensichtlich bescheinigt unfähig zu sein, ließ McAllister unter dubiosen Umständen verschwinden.
Als Christian Wulff in Hannover regierte, schrieb sein Sprecher ein vernichtendes Dossier über das eigene Kabinett. Nachfolger McAllister wäre das Machwerk gern los.  [….] Seine Staatskanzlei musste sich mit einer brisanten Hinterlassenschaft aus der Ära seines Vorgängers Christian Wulff befassen. Auf dem Computer von dessen ehemals engstem Mitarbeiter Olaf Glaeseker befand sich nämlich ein Dossier. Der Inhalt ist strafrechtlich wahrscheinlich eher nicht relevant, politisch dafür umso mehr. Denn in dem mehrseitigen Schriftstück zog der Autor, vermutlich Glaeseker, über die Leute aus dem eigenen Kabinett her.
Etliche von Wulffs Ministern und Staatssekretären dienen inzwischen in der Regierung McAllister. Es braucht wenig Phantasie, um sich vorzustellen, welche Sprengkraft die schonungslose Selbsteinschätzung im Wahlkampf entwickeln könnte. Die Opposition könnte sich kaum ein schöneres Geschenk erträumen als eine CDU, die über die eigenen Leute herfällt. Einige von Glaesekers Urteilen fielen offenbar vernichtend aus.
Das Papier sei "unflätig" und eines Regierungssprechers unwürdig, sagt jemand, der es gelesen hat. "So darf man einfach nicht über Mitglieder einer Regierung schreiben." Da werde schon einmal ein Minister als "fauler Hund" bezeichnet.
(SPIEGEL 42/2012)

Die CDU-Mandate des gegenwärtigen Niedersächsischen Landtages hat Wulff errungen. So zu tun, als ob es ihn nie gegeben hätte, fällt dem Deutsch-Schotten verständlicherweise schwer.

Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring hatte so richtig Spaß an jenem Tag im Januar. Eigentlich standen er und sein Regierungschef David McAllister gewaltig unter Druck. Die Affäre um den damaligen Bundespräsidenten Wulff hatte ihren Höhepunkt erreicht. Die Opposition stellte Dutzende berechtigte Fragen, sie attackierte mit gutem Recht. Die Christdemokraten hätten sich selbstkritisch prüfen können. Stattdessen wollte Möllring die Opposition vorführen. Überheblich schmetterte er ihre Fragen ab, als wäre nix gewesen, es war ein tollkühner Auftritt.
Nun hat Möllring und mit ihm Regierungschef McAllister von höchster Stelle eine schmerzhafte Rüge erhalten. Das Landesverfassungsgericht hat auf eine Klage der SPD festgestellt, dass die Regierung deren Recht auf Antworten nach bestem Wissen verletzt und so gegen die Verfassung verstoßen hat. Das Urteil zeigt auf, wohin Arroganz Politiker führen kann. Es ist ein Fiasko für McAllister.