Samstag, 1. September 2012

Impudenz des Monats August 2012.





Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Diesen Monat gibt es zwei Sieger - die Ideologie und die Lüge.

It’s the ideology, stupid!

Gleich zwei meiner amerikanischen Cousins entzogen mir die Facebook-Freundschaft, nachdem ich es gewagt hatte, der These zu widersprechen Ronald Reagan sei der größte Mensch des 20. Jahrhundert gewesen.
(Noch immer leide ich deswegen an einem schweren emotionalen Tief)

Kein GOPer erträgt Kritik an Reagan, the great. Er ist die Ikone schlechthin und ist für die ideologisch-radikalisierten Republikaner längst des menschlichen Status‘ entrückt und zur Gottheit geworden. 
Was er eigentlich für Politik gemacht hat, ist tabu. Über Fakten wird nicht diskutiert, Wahrheit braucht niemand, RR war der Allergrößte und damit basta.
Nur zu verständlich, daß ein Wurm ohne Persönlichkeit, wie Mitt Romney versucht sich mit Verweisen auf RR größer zu machen.
Hauptsache er wird nicht politisch konkret. 
Das könnte die Erbsenhirn-Basis völlig verwirren.


Selbst wenn Romney wollte: Er dürfte auch gar nicht den Spuren des Idols folgen. Mal unterstellt, Ronald Reagan wäre auferstanden und aufgetreten in Tampa - die Delegierten hätten ihren Heiligen vermutlich als "Sozialisten" und "Verräter" aus dem Saal gejagt. Amerikas Republikaner sind im vergangenen Vierteljahrhundert radikal nach rechts gerückt. Sie mögen sich auf Reagan berufen. Aber dessen Politik würden sie verfluchen.
Denn Reagan war erfolgreich. So erfolgreich, dass seither viele Demokraten (inklusive Bill Clinton und Barack Obama) seinem prinzipiell marktwirtschaftlichen Kurs folgen. Reagans Diktum von 1981, dass die Regierung nicht die Lösung, sondern das Problem sei, ist längst Allgemeingut: Vier von fünf Amerikanern haben kein Vertrauen in Washington. Aber Reagan war zugleich Pragmatiker: Am Ende seiner Amtszeit 1989 standen 300.000 mehr US-Bürger im Dienst des Staates als beim Amtsantritt 1981, er stimmte einem Dutzend Steuererhöhungen zu, und er schmiedete Kompromisse mit den Demokraten, wo immer er konnte. All das gilt heute unter Republikanern als Häresie.
Was Romney anbietet, sind nostalgische, aber hohle Appelle an Amerikas vergangene Größe - und kalter Sozial-Darwinismus für eine Gesellschaft, die schon jetzt zerrissener denn je ist. Wieder und wieder beschwört Romney, der Sohn aus bestem Hause, den klassenlosen amerikanischen Traum, also die Verheißung, dass jeder, der nur wolle, es in den USA vom Tellerwäscher zum Millionär bringen könne. Studien widerlegen dies jedoch längst als Mär: In den USA gelingt solch ein Aufstieg mittlerweile weit seltener als früher - seltener sogar als in Europa.
Romney und sein Vizekandidat Paul Ryan reden vage von Opfern. Aber unterm Strich würde sie nur denen etwas abverlangen, die ohnehin nichts oder zu wenig haben. Sie wollen Obamas verhasste Gesundheitsreform zurücknehmen. Sie wollen die Steuern von Einkommensmillionären um 200 000 Dollar senken - und die Mittelschicht belasten.


Viele Menschen in Deutschland, die Obama nach wie vor lieben, fragen sich was Romney eigentlich für Alternativen hätte. Das sei doch alles sehr oberflächlich, was die GOPer böten.

Die Frage nenne ich „vermessen“. 
Immerhin stehen sie selbst mit ¾-Mehrheit zu einer Kanzlerin, die schon immer konkrete Pläne vermissen läßt, sich auf nichts festlegt und ihren Kurs beliebig nach dem Winde dreht.
2009 wurde Merkel für eine reine  Valium-Kampagne ohne Inhalte wiedergewählt. 
Als sich bei den Koalitionsverhandlungen herausstellte, daß kein SchwarzGelber wußte was jetzt zu tun sei, stellten sie eben die Arbeit ein und gammelten alle wichtigen Projekte auf die lange Bank schiebend vor sich hin. 
Ergebnis: Der Urnenpöbel findet es super und bewertet Merkels Kompetenz mit weitem Abstand am höchsten von allen Politikern. Die CDU nähert sich augenblicklich der 40 %-Marke. So gut stand sie seit vielen Jahren nicht da.

In Deutschland aber kann man zumindest vereinzelt auch mal Kritik an der Bundesregierung erfahren - selbst, wenn man nur rechte Springerblätter konsumiert und Sat1 guckt.

In Amerika sind die medialen Sphären hermetisch abgeriegelt. 
Wer rechts denkt, kommt gar nicht erst mit neutralen Medien in Kontakt, sondern ist vollständig in eine ultrakonservative Verschwörungstheoretiker-Welt hinüber diffundiert. Dort geben radikale Hetzer den Ton an. Der Boden der Tatsachen wurde längst verlassen. 
Daher können Romney und Ryan auch nach Herzenslust lügen - es stört keinen ihrer Anhänger, weil sie es gar nicht bemerken. 
Während die offiziellen Positionen der GOP-Wahlkampfprogramme seit einigen Dekaden kontinuierlich immer radikaler und rechtsgerichteter werden*, sind die Wahlkämpfer in die „Post-Truth-Politics“ eingetreten. 

Verunglimpfe den Gegner nach Herzenslust.


Einfallslose Versprechen der US-Republikaner, die Präsident Obama beißwütig gegenüberstehen, mit Paul Ryan einen gefährlich netten Mann der Zukunft aufbieten und die Fakten nach Belieben beugen. […] Die gesellschaftliche Spaltung verstärkt sich täglich und die Überzeugung des Tea-Party-Ultras Richard Mourdock, wonach ein Kompromiss darin bestehe, "dass die Demokraten unsere Meinung übernehmen", war in Tampa ständig zu spüren.
Dass Ideologie wichtiger ist als Argumente, zeigt das Parteiprogramm. Nicht nur in ihrer Verehrung für Ronald Reagan blicken die Republikaner nostalgisch in die Vergangenheit zurück. Abtreibung soll ohne Ausnahme verboten werden, die Homo-Ehe wird strikt abgelehnt, das Recht auf Waffenbesitz gepriesen und der Einfluss des Staats kritisiert. Alle vier Jahre rückt die Grand Old Party weiter nach rechts und erschwert überparteiliche Lösungen. […] Hinzu kommen die ritualisierten Attacken auf Barack Obama, der bei der Basis und vielen republikanischen Politikern verhasst ist. Dem Demokraten wird abwechselnd völlige Unfähigkeit und kurz darauf ein diabolischer Plan einer sozialistischen Revolution unterstellt. […] Die Rede von Paul Ryan war typisch für den Wahlkampf 2012: Romneys Vize ging äußerst selektiv mit der Wahrheit um und hielt sich nur kurz mit Details auf (The Atlantic hat alle im Web kursierenden Korrekturen gesammelt). Sogar Sally Kohn, Kolumnistin beim konservativen Leib-und-Magen-Sender Fox News, schimpfte über die "zum Himmel schreienden Lügen".   Beobachter wie James Fallows oder EJ Dionne sprechen bereits von post-truth politics, die in Amerika dominierten


Die dreisten Lügen Romneys und Ryans sind breit dokumentiert.

Ryan:


So I am impressed, in a bad way, that Ryan thought he could just brazen it through. But it is also impressive that, at least in the short run, parts of the press are responding as they must in an era when politicians don't care. That is, they're not simply quoting "critics" about things Ryan made up. They are outright saying that he is telling lies. For instance:
The Washington Post's Glenn Kessler, with the headline, "Ryan misleads on GM plant closing in hometown."
A more omnibus fact-check item also by Kessler, with half a dozen similar exaggerations, distortions, etc.
A very tough item by Jonathan Bernstein, on the WaPo's Plum Line blog, with the headline "Paul Ryan fails -- the truth."
And another on the Post's site by Ezra Klein. Sample: "Quite simply, the Romney campaign isn't adhering to the minimum standards required for a real policy conversation."
And even a WaPo editorial on the misleading nature of the speech.
An excoriation by Jonathan Cohn, in The New Republic, under the headline, "The Most Dishonest Convention Speech ... Ever?" As Cohn adds: "I'd like to talk... about what Ryan actually said--not because I find Ryan's ideas objectionable, although I do, but because I thought he was so brazenly willing to twist the truth.
"At least five times, Ryan misrepresented the facts. And while none of the statements were new, the context was. It's one thing to hear them on a thirty-second television spot or even in a stump speech before a small crowd. It's something else entirely to hear them in prime time address, as a vice presidential nominee is accepting his party's nomination and speaking to the entire country."
I know that TNR is not "mainstream" in the sense that the NYT, WaPo, AP, etc., are. Still this is a very powerful item. And it leads to:
An AP item headlined, "FACT CHECK: Ryan takes factual shortcuts in speech."
An item from NPR with a mildly "he said, she said" headline ("Fact Checkers Say Some of Ryan's Claims Don't Add Up") but that gets the main points across.
One just now from the NYT, with the headline "In Ryan Critique of Obama, Omissions Help Make the Case." It begins this way: "In his speech accepting the Republican nomination for vice president at the Republican National Convention, Representative Paul D. Ryan criticized President Obama for seeking Medicare cuts that he once sought as well, and for failing to act on a deficit-reduction plan that he too opposed."
Another excoriation by Michael Tomasky, in the Daily Beast, that is headlined "Paul Ryan's Convention Speech and his Web of Lies" and which begins, "It just boggles the mind to imagine how Paul Ryan can stand up there and lash Barack Obama for abandoning Bowles-Simpson when he did exactly that himself."
An item on the Fox News site for which there must be an interesting backstory, in which contributor Sally Kohn says that "Ryan's speech was an apparent attempt to set the world record for the greatest number of blatant lies and misrepresentations slipped into a single political speech."
On TPM, a catalogue with the headline "Top 5 Fibs in Paul Ryan's Convention Speech."
Update An excellent item I had somehow missed before, by Jonathan Chait in NY Mag, about "Paul Ryan's Large Lies and One Big Truth." Worth reading in general, and to see what that "truth" is.
And Dave Weigel in Slate, plus Zack Beauchamp in Think Progress, about the euphemisms some reporters still use in order to avoid saying that Ryan "lied."


Romney:



Mitt Romney tells 533 lies in 30 weeks, Steve Benen documents them
I’ve written about or linked to a great deal here “chronicling Mitt’s mendacity” — to borrow Steven Benen’s phrase.
Mitt Romney says many, many things that are not true. He says this despite being in possession of the correct facts of the matter.
Which is to say that Mitt Romney lies. A lot. He lies more than any other national candidate for office in my lifetime. And I was born before the Nixon administration.
This is documented. Proven. Validated, verified, demonstrated, catalogued and quantified. Mitt Romney lies.
Here are 30 — 30! — of Benen’s weekly “chronicling” posts. These are all backed up and sourced. These are not assertions, interpretations or allegations. These are facts, actual instances.
Over the past 30 weeks, Mitt Romney has told lie after lie after lie: I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII, IX, X, XI, XII, XIII, XIV, XV, XVI, XVII, XVIII, XIX, XX, XXI, XXII, XXIII, XXIV, XXV, XXVI, XXVII, XXVIII, XXIX, XXX.
Click those links. Read the lists. List after list of lie after lie. Hundreds of them — 533, to be exact, although Benen does not make any claim to providing a comprehensive chronicle.
This is unprecedented. “We’re not going to let our campaign be dictated by fact-checkers,” Romney’s pollster, Neil Newhouse, said.
This has produced what James Fallows calls the “post-truth” age — a relentlessly dishonest onslaught of brazen falsehoods with which the media and the political system are struggling to cope. What do you do when every article, every “fact-check,” every arbiter denounces a lie and corrects it, but then a politician just keeps repeating it?
It’s remarkable to behold.
One of the weirder aspects of this for me is watching this unfold in the politically conservative culture of my evangelical world. The most partisan evangelical conservatives are also those most likely to rant against “relativism” and to trumpet their status as defenders of “absolute truth.” Those same folks will dismiss this post — and all 30 of Benen’s posts above — as mere partisan attacks without ever bothering to examine the 533 factual instances of Mitt’s mendacity, chronicled.


Lügen nach Herzenslust. 
Wichtig ist nur, daß immer herausgestellt wird:
Obama ist der Antichrist und allein Schuld an allem was in Amerika schief geht.


Paul Ryan hat seinen ersten großen Auftritt als Vizepräsidentschaftskandidat von Mitt Romney zu einer offenen Attacke gegen Barack Obama genutzt.
In einer von zahlreichen Halbwahrheiten und einigen echten Lügen gespickten Rede machte Ryan am Mittwochabend in Tampa den US-Präsidenten für sämtliche wirtschaftlichen Übel des Landes verantwortlich – von dem hohen Defizit über die Krise des Immobilienmarktes, die Arbeitslosigkeit und das Downgrading der US-Kreditwürdigkeit bis hin zur Schließung einer Autofabrik in seiner eigenen Heimatstadt. […] Ryan behauptet auch, die Demokraten wollten der Gesundheitsversorgung von SeniorInnen Milliarden entziehen. Dabei unterschlägt er, dass sein eigenes Haushaltsprogramm das Medicare-Programm privatisieren – und damit für die heute unter 55-Jährigen ganz abschaffen – und durch ein Couponsystem ersetzen will. Sein unredlichstes Extrem erreichte Ryan in Tampa, als er eine Fabrikschließung, die noch zu Amtszeiten von George W. Bush stattfand, in die Verantwortung von Obama schob.


Das Tolle ist: Die Methode funktioniert!

Die Republikaner haben aufgeholt, liegen in den meisten Umfragen gleichauf mit den Demokraten. In einigen Umfragen führt Romney vor Obama.

Obamas Demokraten müssen nun auf ihrem am Dienstag beginnenden Parteitag in Charlotte eine Antwort auf die Tatsache finden, dass der Herausforderer Romney nicht mehr so chancenlos wirkt wie noch Ende Juli.    […] Romney war bis Ende Juli in den Umfragen deutlich zurückgefallen. Der Obama- Kampagne gelang es damals, ihn in unzähligen Werbespots als gierigen und kalten Ex-Manager darzustellen, der die Alltagssorgen der durchschnittlichen Arbeitnehmer nicht verstehe. Seit Anfang August aber holt Romney wieder auf. Das zeigen die Mittelwerte diverser landesweiter Umfragen, die das Institut Real Clear Politics zusammenfasst. Demnach liegt Obama im Schnitt der vergangenen beiden Wochen nur noch 0,6 Prozentpunkte vor Romney. In vereinzelten Umfragen lag Romney sogar vor dem Amtsinhaber. In den kommenden Tagen dürften die Erhebungen noch stärker zugunsten Romneys ausfallen; dies ist eine regelmäßige Folge der Parteitags-Inszenierungen.
(Nikolaus Richter SZ, 01.09.12)

Ronald Reagans Wahlkampf-Slogan 1980 lautete “Morning in America”


Diesmal muß es heißen: Gute Nacht Amerika.
 


*What it means to be a Republican has changed enormously over the past half-century. The GOP opposed a Palestinian state as late as 1992, went silent on the issue for eight years, then endorsed the idea in its past two planks. During the George H.W. Bush presidency, Republicans acknowledged global warming and boasted of efforts to commit billions of federal dollars to finding solutions. The party then spent two election cycles saying there was too much “scientific uncertainty” before accepting in 2008 that humans have a role in altering the climate.
[…]
Throughout the 1960s and ’70s, the GOP platform includes vigorous support for an equal-rights amendment to protect women. Then, in 1980, the party stalemates: “We acknowledge the legitimate efforts of those who support or oppose ratification.”
In the 1960s and ’70s, the party positions itself as a strong advocate for D.C. voting rights, in the Senate as well as the House. Then, in 1980, all mention of voting rights vanishes; the subject has not appeared since.
The first appearance of the abortion issue represents a party very much split between business-oriented moderates and religious conservatives: Abortion “is undoubtedly a moral and personal issue” on which Republicans disagree, the 1976 plank says.
Four years later, the issue has been settled: The GOP seeks a constitutional amendment protecting “the right to life for unborn children.” By 1992, the platform includes a call to appoint judges who oppose abortion.
Words such as “faith” and “heritage” rarely appear until the 1980s. (In 2000, religion plays an even larger role in the platform as the party goes beyond supporting prayer in public schools by seeking to allow them to post the Ten Commandments.)
[…]     By 1992, “family values” become a major theme. The platform states that “the media, the entertainment industry, academia and the Democrat Party are waging a guerrilla war against American values.”  […] The ’92 plank, the first to mention same-sex relationships, rejects any recognition of gay marriage or allowing same-sex couples to adopt children or become foster parents. The stand against adoption and foster care does not reappear.
The passage about marriage grows longer and more strident every four years, culminating in the 2004 call, echoed in 2008, for the amendment defining marriage as the union of a man and a woman. From 1996 through 2008, Republicans repeat that “homosexuality is incompatible with military service.”