Freitag, 3. August 2012

Auf dem rechten Auge blöd Teil II.



Immer wieder ungern erinnere ich mich an den Fall Lutz Battke, den NPD-Stadtrat, Fussballtrainer im 3000-Seelen-Städtchen Laucha an der Unstrut. 
Der Rechtsextreme Battke trainiert nicht nur die Kinder der Stadt, sondern ist außerdem Lauchas Schornsteinfeger, so daß jeder ihn kennt.

Im April 2010 geschah das Ungeheuerliche. Ein 17-Jähriger, der ebenfalls beim Lauchaer Fußballklub BSC 99 mitmachen wollte, wurde von Rechtsradikalen mit der Absicht das „Judenschwein platt zumachen“ schwer verletzt.
Angestiftet waren sie offensichtlich von ihrem Hitler-verehrenden Trainer Battke, der den Neuen aus vollem Herzen hasste, da dessen Mutter aus Israel stammt.

Als der Fall Schlagzeilen macht, stellen sich der  Präsident des BSC 99, Klaus Wege und Lauchas Bürgermeister Michael Bilstein nicht etwa vor das Opfer, sondern geben zu bedenken, was denn ein Jude ausgerechnet im Fussballverein zu suchen habe. 
Jeder wisse doch wie aktiv Trainer Battke in der rechtsradikalen Szene sei.
Einen Grund Battke zu entlassen konnten sie nicht erkennen. 
Er sei schließlich beliebt und ein guter Trainer.
Erst massiver Druck der überregionalen Presse sorgte schließlich dafür, daß Verein und Bürgermeister einknickten und Battke Ende August 2010 doch noch als Trainer entließen. 

Nicht allen Lauchanern gefiel das, Hunderte solidarisierten sich mit dem Geschassten.

Ende 2010 geht Battke sogar in das Rennen um das Bürgermeisteramt. Bei den Kommunalwahlen 2009 hatte die NPD in Laucha 13,5 % erreicht. Kandidat Battke konnte das Ergebnis verdoppeln.

Lutz Battke, der in den letzten Wochen für viel Aufsehen gesorgt hatte, wird nicht Bürgermeister der kleinen Gemeinde Laucha in Sachsen-Anhalt werden. Trotzdem wird das Städtchen in den nächsten Wochen wohl kaum zur Ruhe kommen: Fast jede vierte Person gab dem Rechtsextremisten ihre Stimme.
24 Prozent aller wahlberechtigten Personen wollten Lutz Battke als ihren zukünftigen Bürgermeister. Mit 68 Prozent bleibt jedoch Michael Bilstein im Amt.
[…]
In den letzten Wochen berichteten jedoch unzählige überregionale Zeitungen über den Fall – allein dies kann die NPD als Sieg verbuchen. Gerade gestern noch sprach NPD-Chef Udo Voigt auf dem Bundesparteitag im nur wenige Kilometer entfernten Hohenmölsen in höchsten Tönen von Battke. Die 200 NPD-Delegierten applaudieren, er wird gefeiert.
Und heute feiert man weiter bei der NPD. Lutz Battke wird bejubelt als ein Mann, der sich nicht kleinkriegen lässt, als Siegertypen, als Mann des Volkes.
[…]  
Doch wie kam es, dass insgesamt 435 Personen am heutigen Sonntag ihr Kreuz bei Lutz Battke machten, der bekennender Rechtsextremist ist? Durch das große Medieninteresse der letzten Wochen hätten die Bewohner Lauchas das Gefühl, das „mit dem Finger auf sie gezeigt“ würde. Und obwohl viele mit der NPD nichts zu tun hätten, würde man sich so mit dem Neonazi solidarisieren, erklärte Titus Simon, Rechtsextremismus-Experte der Hochschule Magdeburg-Stendal.


Selbst nach großen Skandalen und Straftaten ist man vielerorts nicht bereit sich von Skinheads und Nazis zu distanzieren.

Mit dem „guten Nazi von nebenan“ - sei es der Fahrlehrer, Schornsteinfeger, Uhrmacher oder Sporttrainer - solidarisiert man sich, auch wenn man sich beeilt festzustellen nicht das politisch-extreme Gedankengut zu teilen.

Aber das sei doch kein Grund so einem nicht die Kinderchen zum Fußballtraining zu überlassen. 

Sport ist doch unpolitisch, meinen insbesondere die Politiker, die dementsprechend auch keine Hemmungen haben Meisterschaften an Diktatoren zu vergeben.


Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der ehemalige Grünen-Minister Michael Vesper drücken ebenfalls alle Augen, inklusive Hühneraugen zu, wenn es um Nazis geht.
Es muß immer erst die Presse ran. So wurde nach einer Woche Olympia in London die braune Ruderin Nadja Drygalla nach Hause geschickt.

Der Lebensgefährte der 23-Jährigen, Michael Fischer, ist führendes Mitglied der regionalen Kameradschaft "Nationale Sozialisten Rostock" und war im vergangenen Jahr Kandidat der NPD für die Landtagswahl.

 Ihr Freund ist schließlich Auslöser der schwarzrotgoldenen Tumulte, die Michael Vesper, Chef de Mission des deutschen Olympia-Teams, am Freitag zu einem medialen Erklärungs-Marathon zwangen. [….]  Kontakte zur rechten Szene, das deutsche Team im Dunstkreis brauner Wirrköpfe?
[…] "In Deutschland gibt es Gott sei Dank den Grundsatz, dass jeder für seine eigenen Taten verantwortlich ist und nicht für die seines Umfeldes", sagte der DOSB-Generaldirektor und warnte ebenso wie der Chef des Deutschen Ruderverbandes (DRV), Siegfried Kaidel, vor einer Vorverurteilung der Athletin.

Die „wir haben von nichts gewusst“-Verteidigung ist mal wieder problematisch, denn Drygallas neonazistische Überzeugungen hatten bereits dafür gesorgt, daß sie aus dem Polizeidienst entlassen wurde. 
Nur der DOSB will nichts mitbekommen haben.

Vor dem Hintergrund der polizeilichen Vorgänge irritiert die in London zur Schau gestellte kollektive Ahnungslosigkeit. […]
Drygalla hatte 2006 und 2007 bei den Junioren-Weltmeisterschaften Bronze und Silber gewonnen. Schon damals ruderte sie mit der Klubkollegin Ulrike Sennewald, im Londoner Achter waren die beiden Rostockerinnen jetzt wieder gemeinsam unterwegs. Sennewalds Vater Hans ist Präsident des Landes-Ruderverbandes, 1992 hatte er Bronze im Deutschland-Achter gewonnen. […]
In DRV-Kreisen heißt es, auch Drygallas rechtslastiger Freund soll früher im Rostocker Spitzensport tätig gewesen. Bei der Junioren-WM 2006 sogar als Schlagmann im - wie der Landessportbund damals stolz mitteilte - "Kleinen Deutschland-Achter".
   (SZ vom 04.08.2012)
"Frau Drygalla wird ein strammer Hang ins Nazi-Millieu nachgesagt. Das ist nicht neu, und das war nicht unbekannt.   Dennoch wurde sie sportlich von Behörden und Organisationen zur Olympia-Reife gefördert und in das deutsche Vorzeige-Team berufen.  Die Geschichte sei nicht unproblematisch, räumt der Chef der Deutschen Mission Vesper höchst zurückhaltend ein.
Von nun an wird es oberfaul."
(Petra Pau, Mitglied im Vorstand der Fraktion DIE LINKE und im NSU-Untersuchungsausschuss, 03.08.2012)

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister und CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier dürfte wissen aus welchem Umfeld Drygalla stammt. 
Dennoch posierte er noch vor drei Wochen offiziell mit ihr bei der Verabschiedung des MV-Olympia-Kaders.

 Zu braun für den Polizeidienst, aber bestens geeignet, um Deutschland in der Welt bei der Olympiade zu vertreten.

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE wusste das Schweriner Innenministerium seit dem Frühjahr 2011, dass Drygalla mit Michael Fischer liiert sein soll. Er gilt als einer der führenden Neonazi-Köpfe in Mecklenburg-Vorpommern, 2011 kandidierte er für die NPD. Innenminister Caffier spricht etwas verklausuliert von Personen in ihrem Bekanntenkreis, die der "offen agierenden rechtsextremistischen Szene zugehörig sind". Fischer, von Freunden "Fischling" genannt, intensivierte 2011 seine Aktivitäten: Er meldete Demonstrationen an, lud bekannte Neonazis zu Vorträgen ein. Man soll auf Drygalla eingewirkt haben, zum 30. September einen Antrag auf Entlassung zu stellen.
Caffier könnte also um die angeblichen Kontakte gewusst haben, als er Drygalla und die anderen Sportler aus Mecklenburg-Vorpommern verabschiedete. Drygalla saß in London im Achter, das Boot schied im Hoffnungslauf aus, weitere Starts waren nicht vorgesehen.