Samstag, 14. Juli 2012

Der Mega-Skandal.



Man KÖNNTE meinen, daß die USA derzeit das ein oder andere Problemchen hätten, welches es anzugehen lohnte.

Als leicht störend empfinde ich beispielsweise die Abschaffung wichtiger Bestandteile der Demokratie. Statt „one man one vote“, gilt nun: „Geld entscheidet.“

Eine gute Milliarde US-Dollar muß man aufbringen können, um Präsidentschaftskandidat werden zu können.
Wer die meisten Spenden sammelt, setzt sich durch.

Allein im Juni hat Romney 100 Millionen Dollar gesammelt. […]
Super-Pacs und andere angeblich unabhängige politische Organisationen pumpen Abermillionen in eigene Wahlkampagnen. Von denen beziehen die meisten eindeutig Stellung zugunsten Romneys und seiner Republikaner.
Zwei Dinge haben diese ungezügelte Millionen-Flut ermöglicht. Zum einen die unsägliche, ideologisch motivierte Entscheidung des Supreme Court vor zwei Jahren, Spenden in unbegrenzter Höhe an die Super-Pacs zuzulassen; also für Organisationen, die offiziell zwar unabhängig, in Wahrheit aber de facto Unterstützungsvereine für bestimmte Kandidaten sind. Das zu erlauben war kein blauäugiges Urteil einiger entrückter Richter in ihrem marmornen Justiztempel in Washington. Es war die bewusste Entscheidung einer konservativen Gerichtsmehrheit, dem Fluss des Geldes seinen Lauf zu lassen. Und das Geld von Unternehmen, von Millionären und Milliardären strömt nun einmal eher zu der Partei, bei der sie ihre Interessen besser aufgehoben wissen: zu den Republikanern.
Zum anderen hat die Aufsichtsbehörde für die US-Wahlkämpfe, die FEC, 2007 ein Schlupfloch für Organisationen eröffnet, die nach dem Steuerrecht wohltätig, in Wirklichkeit aber nichts anderes als politische Tarnorganisationen sind - allein zum Zwecke geschaffen, Wahlen zu beeinflussen. […] Wenn dem nicht Einhalt geboten wird, ist Amerika bald wieder dort, wo es vor gut hundert Jahren war: Damals gaben die Raubritter des Kapitals den Ton an.

Ein kleines bißchen kurzsichtig finde ich auch die amerikanische Vorliebe sich selbst die Zukunft zu ruinieren, indem der blanke, fanatische Hass der rechten Teebeutler inzwischen die gesamte Politik paralysiert.  
 Der Kongress arbeitet seit 2008 de facto nicht mehr, sondern ist zu einer reinen Testosteron-Arena der unerbittlichen Schreihälse verkommen. 

Ratio unerwünscht.

Die Vereinigten Staaten sind auf einem Tiefpunkt ihrer Geschichte angelangt: Dem Land geht es wirtschaftlich schlecht, die Mittelschichten sinken in Armut ab, der berühmte Optimismus der Amerikaner ist dahin. Wie konnten die USA so weit kommen? Schuld daran ist nicht zuletzt die Republikanische Partei. […] Dass Zukunftschancen sehenden Auges verbaut, wenn nicht ruiniert werden, dass ideologische Reinheitsgebote schwerer wiegen als die Bereitschaft zum Kompromiss, dass Institutionen und Verfahren lächerlich gemacht werden und Verachtung, Denunziation und Hass die politische Leitwährung abgeben.
[…]   Zum sozialen Sprengstoff wird die galoppierende Deindustrialisierung, weil sie die Mittelschicht zerrüttet. Buchstäblich alles, was die soziale Mitte über Jahrzehnte wirtschaftlich gestärkt und das Land politisch stabilisiert hatte, ist mittlerweile prekär. […]     Ausgerechnet in dieser Lage kommt der politische Betrieb zum Erliegen. […] Die 'Grand Old Party' unserer Tage hat mit den traditionellen Republikanern, in deren Reihen auch gemäßigte Konservative und Liberale ihren Platz hatten, nichts mehr gemein. Sie ist zu einem ideologischen Kampfverband mutiert. Steuersenkung für die Reichen, Deregulierung, Rückzug des Staates - wer diesen Glaubenssätzen nicht folgt, wird mit religiöser Inbrunst bekämpft oder exkommuniziert.
[…]   Selten zuvor wurde ein derart massiver Druck auf die Gesetzgeber im Bund wie in den Einzelstaaten ausgeübt, schier beispiellos ist das konzertierte Auftreten von Lobbyorganisationen, wirtschaftsnahen 'Political Action Committees' und 'Denkfabriken', die nicht nur Politiker mit Spendengeldern erpressbar machen und unmittelbar in parlamentarische Beratungen eingreifen, sondern den öffentlichen Diskurs im Sinne ihrer marktradikalen Ideologie umpolen. Als beispielsweise der Kongress über Obamas Gesundheitsreform zu beraten hatte, pumpte allein die 'Chamber of Commerce' knapp 80 Millionen Dollar in die Kriegskasse der Opponenten - innerhalb von zwölf Wochen.
[…] So aber schließt sich der Kreis: Für die Polarisierung der Politik sind nicht mehr nur Parteieliten der Republikaner verantwortlich, sondern zu einem Gutteil auch 'Graswurzelaktivisten', die mit ihrer Unbedingtheit die Republikaner vor sich hertreiben und manchen lokalen Parteiapparat bereits unter Kontrolle gebracht haben.
(Bernd Greiner, SZ, 10.07.12, Historiker und Amerikanist, ist am Hamburger Institut für Sozialforschung tätig. Er lehrt an der Universität Hamburg.)

Hoffnung auf Besserung gibt es nicht. 

Würde Ende Januar 2013 US-Präsident Mitt Romney vereidigt, hätte endgültig der Wahnsinn die US-Politik okkupiert.
 Aber selbst wenn es Barack Obama knapp in eine zweite Amtszeit schaffen sollte, sind die Bedingungen für ihn unendlich viel schwerer als 2008, als er noch über Mehrheiten in Kongress und Senat verfügte.
 Der Opposition gelang es dennoch ihn zu blockieren. Inzwischen ist der Hass auf Obama gewaltig gewachsen und die Republikaner sind viel stärker geworden. 
Daß Obama irgendetwas bis 2016 durchsetzen könnte, ist höchst unwahrscheinlich. 
Der Kongress käme endgültig zum Erliegen. Die rechten Milliardäre könnten nach Belieben ihre Interessen durchsetzen.

Aber das alles sind nur die Petitessen, die mich ein wenig beunruhigen.

Die amerikanischen Top-Politiker haben derzeit ein ungleich größeres Problem zu wälzen.
 Ein Skandal, der so ungeheuerlich erschütternd ist, daß selbst im aufgeheizten Wahlkampf beide Parteien an einem Strang ziehen.

Die Kleider der amerikanischen Olympiamannschaft sind allesamt „made in China!“

Potzblitz und Donnerknilch.

Seit Jahrzehnten haben die Amerikaner die heimische verarbeitende Industrie geschliffen und die Arbeitsplätze nach Fernost verlegt. Wal Mart allein ist für 10% der Importe aus China verantwortlich. Fast 99% der Textilien importieren die USA. 

Und nun, nachdem alle webenden Kinder schon vor langer Zeit in die tiefsten Brunnen gefallen sind, empören sich Republikaner und Demokraten unisono, daß ihre Olympioniken in unamerikanischen Klamotten in London schwitzen sollen.

In einer in dieser Wahlkampfzeit ungewöhnlichen großen Koalition twittert der Sprecher des Repräsentantenhauses John Boehner, dass man es doch eigentlich besser wissen müsste und seine Gegenspielerin Nanca Pelosi erklärt: "Wir sind so stolz auf unser Olympiateam. Sie sind die besten, so toll und sehenswert. Sie sollten Uniformen tragen, die in den USA hergestellt wurden."

Eben. Was ist schon eine Goldmedaille wert, wenn sie in einem chinesischen Kostüm errungen wurde?

Top-Politiker schimpften über die Entscheidung des nationalen olympischen Komitees, das zuzulassen. "Es ist beschämend, dass unsere amerikanischen Sportler während der Olympischen Spiele in China gefertigte Uniformen tragen werden", sagte der demokratische Kongressabgeordnete Steve Israel in einer Mitteilung.
Auch der Chef der Demokraten im Senat, Harry Reid, sagte im US-Fernsehen, das Olympia-Komitee "solle sich schämen". Man solle "alle Outfits nehmen, sie auf einen großen Haufen werfen und sie verbrennen und noch mal ganz von vorn anfangen".

Too late, Herr Reid.
Da hätten Sie mal 30 Jahre früher aufwachen sollen.

Selbst die von vielen Männerköpfen in den USA kaum weg zu denkenden Baseball-Kappen sind "Made in China". Doch gerade bei den Uniformen, die nur beim Einmarsch und dem Ende der Spiele getragen werden, sollte dies nun anders sein.

Dann mal los.
 Mal sehen ob es das Land der unbegrenzten Möglichkeiten schafft in 12 Tagen alles neu herzustellen.

Ansonsten bliebe ja noch die Möglichkeit wie die antiken Olympioniken vollständig nackt in London aufzulaufen.

Das passte dann auch perfekt zu Amerikas Situation des verarbeitenden Gewerbes.