Donnerstag, 19. April 2012

Qual der Wahl




Es gibt mediale Großereignisse, von denen immer gesagt wird, daß sich jeder daran erinnere was er in dem Moment getan hätte.

  • Krönung Queen Elisabeth II.
  • JFK-Ermordung.
  • Mondlandung.
  • Hochzeit Charles & Diana.
  • Mauerfall.
  • 9/11.

Bis Mondlandung war alles vor meiner Zeit, die Hochzeit mit der dümmsten und unangenehmsten Prinzessin Europas sah ich mir 1981 zusammen mit meiner Oma an. Mit mäßigem Interesse.

9/11 verfolgte ich hingegen gebannt über endlose Stunden vorm TV und am Telefon klebend (Verwandte in NY!)

Aber ausgerechnet der Mauerfall ist zu meiner Schande an mir vorbei gegangen.
Ich erinnere mich nicht an dem Abend TV gesehen zu haben.
Meine ersten postmaurerischen Erinnerungen sind die typischen Zweitakter-Abgase, die ich auf einmal überall in Hamburg roch und vorher nur von meinen Fahrten auf der Transitstrecke nach Berlin kannte.
Trabis kannte ich aus Budapest, Belgrad und Bukarest. Ich wußte wie klein die Dinger sind, da ich in Jugoslawien und Ungarn in Trabbi-Taxis gefahren war.

Und plötzlich waren sie überall in Hamburg und stanken vor sich hin. Euphorie packte mich nicht; ich war eher genervt.

Mein erster hängengebliebener Mauerfall-TV-Eindruck war ein Tagesschaubericht über Ossis, die mit Helmut Kohls Begrüßungs-Hunderter in der Hand in Prassabsicht die Westberliner Supermärkte stürmten und schließlich unverrichteter Dinge, aber völlig überwältigt wieder hinaus gingen.
 Dort stammelten sie sichtlich mitgenommen von den endlosen Regalen allein mit Katzenfutter, welches in hunderten Sorten gäbe.
 Wozu bräuchten die BRD-Bürger so eine Auswahl nur für ihre Katzen, während man nur ein paar Straßen weiter vor leeren Regalen gestanden habe?
Das hätten sie sich nicht vorstellen können.

Dieser Bericht beeindruckte mich, weil er mir erstmals eine ganz neue Perspektive aufzeigte.
Als Wessi schlugen in dem Moment mehrere Herzen in der Brust: Mitleid, Überheblichkeit, Verständnis, aber auch Scham, weil man sich bewußt wurde wie sehr unsere Konsumwelt ausgeufert war.

Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie es die schiere Fülle Menschen, die den Anblick nicht gewohnt waren, unmöglich machte eine Entscheidung zu treffen.

Ein ähnliches Phänomen ergibt sich heute für die vielen Urnenpöblern, die vom Interesse geleitet sind die schwarzgelbe Horrorregierung loszuwerden.

Bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen in Frankreich und Amerika ist das viel einfacher. 
Am Ende gibt es quasi nur einen Amtsinhaber und einen Gegenkandidaten. 
Will ich lieber Sarkozy oder Hollande? Obama oder Romney?
 Eine zumutbare Entscheidung.

Ein Deutscher hingegen wird nicht vor eine klare Alternative gestellt. 
Er muß zunächst einmal allein den Entscheidungsprozess leisten, ob er Frau Merkel für eine dritte Amtszeit haben will, oder nicht.

Wenn ja, ist noch nicht klar, was man dafür am besten in der Wahlkabine ankreuzt; es kommen CDU, CSU und FDP in Betracht.

Will man aber einen anderen Kanzler, wird es noch viel schwerer.

Dafür gibt es potentiell vier Parteien, nämlich Grüne, SPD, Linke und Piraten.

Eine Wahlstimme für eine dieser vier Oppositionsparteien muß aber noch lange nicht tatsächlich gegen Frau Merkel gerichtet sein.

Ich gehöre zu den Menschen, die im Jahr 2005 sogar Geld für die SPD-Kampagne gegen Merkel spendeten und am Ende zusehen mußten, wie mit meinem Geld, meinem Einsatz und meiner Partei ausgerechnet die Person zur Regierungschefin gewählt wurde, die ich gerade unter allen Umständen verhindern wollte.
Das damals erworbene Magengeschwür trage ich heute noch mit mir rum.

Schwarz-Rot und Schwarz-Grün sind aber 2013 echte Optionen.
Gut möglich, daß ein überzeugter Anti-Schwarzgelber Trittin/Künast-Wähler am Ende dafür sorgt, daß Frau Merkel ihre dritte Kanzlermehrheit zustande bekommt.

 Die Saarländischen und Hamburger Grün-Wähler wissen schon wie das ist.

Was also tun?

Piraten oder Linke wählen, die garantiert keine Koalition mit der CDU eingehen werden?

Paradoxerweise geht das erst Recht nicht, weil Stimmen für Linke und Piraten ohne Regierungsoption sind.
 Ihre Sitze sind somit kastriert und unter den verbleibenden potenten Abgeordneten ist Merkels Mehrheit dann relativ noch größer.

Je mehr Stimmen Grünen und SPD fehlen, weil sie an Linke oder Piraten gegangen sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einer Kanzlerschaft Merkels (in einer erzwungenen schwarzgrünen oder schwarzroten Koalition) kommt.

Jemand, der NICHT rechts ist und über Verstand verfügt, kann also letztendlich nur grün oder SPD wählen - unter bewußter Inkaufnahme des Risikos am Ende doch Merkel zu bekommen.
Keine schöne Perspektive.
Glückliche Franzosen. 
Wer Hollande wählt, hilft unter keinen Umständen Sarkozy.

Mir ist allerdings nicht ganz klar weswegen man im Bund also überhaupt Piraten oder Linke wählen sollte. 

Natürlich kenne ich die Argumentationen:

 Ich bin gegen Krieg, ich bin für mehr Sozialstaat. Grüne und SPD betrieben aber (angeblich) Politik dagegen.

Es nützt nur nichts die Wahlentscheidung inhaltlich aufzuladen. 
Taktik schlägt Inhalt. 
Wer mehr Sozialstaat will und daher Linke (statt SPD) wählt, erhöht damit die Chance, daß eine CDU-Kanzlerin den Sozialstaat noch mehr beschneidet, als es die SPD täte.

Wer keinen Krieg will und daher statt Grünen lieber Piraten wählt, erreicht damit, daß umso wahrscheinlicher ein CDU-Mann im Verteidigungsministerium hockt, der besonders gerne in einem heißen Krieg in Nahost mitspielen möchte.

Die gleiche taktische Ausgangslage kann man auch auf die Länderwahlentscheidungen in Kiel und Düsseldorf übertragen.

Wie sehr hatte ich mir Hoffnungen gemacht, daß ein rotgrüner Durchmarsch in beiden Bundesländern der finale Lanzenstoß für das Merkel-Rösler-Kabinett wäre.

Die Chancen hätten gut gestanden, daß in dem Fall die sterbende FDP ihre fünf scheintoten Minister abgezogen hätte.
Daß der Waffenlieferungswahnsinn nach Nahost oder die Herdprämie am Ende gewesen wären. 
Wir standen so kurz davor.

Aber dann kam der Piratenhype.

Rot und Grün sackten demoskopisch so weit ab, daß zumindest in Kiel eine CDU-Regierungsbeteiligung wieder wahrscheinlich ist.

Gut für das Konrad-Adenauer-Haus, welches in NRW ohnehin nichts zu verlieren hat.

Und wieso sollte man abgesehen von taktischen Überlegungen überhaupt die Piraten wählen?

Damit man all die potentiell eher links eingestellten Kleinkünstler, Autoren und Musiker ruiniert?

Damit sie in all ihrer Sinnlosigkeit dort die Abschaffung der Studiengebühren fordern, wo es gar keine solchen Gebühren gibt?

Damit sie sich an einem zusammenkopierten Wahlprogramm à la Googleberg durch den Landtag hangeln?

Eine Durchsicht der Wahlprogramme der schleswig-holsteinischen Parteien mithilfe einer Plagiatssoftware bringt Licht und Schatten hervor. SSW, SPD und GRÜNE bestehen die Prüfung fast fehlerfrei. Bei der FDP entdecken wir eine heimliche Liebe zur Eifel. Bei der LINKEN gibt es höfliche Kritik. Die CDU leistet sich einen kleinen, aber groben Schnitzer. Die PIRATENPARTEI fällt durch: Die Partei, die mit dem programmatischen Spruch „Jetzt mit mehr Inhalt“ selbstbewusst im Landtagswahlkampf antritt, schrieb ihr Programm zu 43 Prozent ab – und das auch noch fehlerhaft.
[…] Bei den sehr umfangreichen Übernahmen aus den 2011er Wahlprogrammen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern stellt sich die Frage, wessen Programm das nun eigentlich ist. Ist das „ihr“ Programm? Oder das aus Baden-Württemberg? 45 Prozent des Programms aus dem Südwesten der Republik flossen absatzweise in das Kieler Programm, füllen es zu über einem Drittel (35 Prozent)

Das Abkupfern des Parteiprogramms haben die Piraten auch noch so dermaßen schlecht gemacht, daß sich haufenweise Forderungen finden, die in Schleswig-Holstein gar keinen Sinn ergeben.(*)

Oder soll man die Piraten wählen, damit durch die Hintertür Rechtsradikale ins Parlament kommen?

Gegen Rechtsextrem grenzen sich die Piraten nämlich nicht klar ab und schleppen einen brauen Rand mit sich rum.

„In ihrem Parteiprogramm sprechen sich die Piraten gegen Rassismus aus - soweit die Theorie. Doch in der Praxis fallen immer häufiger Mitglieder mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen auf. Einer davon ist Bodo Thiesen - und seine Geschichte zeigt, wie schwer sich die Partei im Umgang mit braunem Gedankengut tut. Thiesen wies 2008 auf einer Mailingliste Polen indirekt die Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu ('durch die Generalmobilmachung') und verteidigte den Holocaust-Leugner Germar Rudolf.
 Dafür gab es zwar eine Verwarnung des Bundesvorstands. Doch Thiesen wurde trotzdem 2009 zum Ersatzmitglied des Bundesschiedsgerichts gewählt. […]
Für die Piraten ist das Urteil zusätzlich problematisch, weil Thiesen kein Einzelfall ist. Ein Kreisvorsitzender der Partei aus Baden-Württemberg twitterte zum Beispiel, 'den Juden an sich unsympathisch' zu finden, ein Direktkandidat aus Niedersachsen wollte Holocaust-Leugnung 'entkriminalisieren', andere hatten ihre frühere NPD-Mitgliedschaft verschwiegen. […]  Der Chef des Berliner Landesverbands, Hartmut Semken, […] findet: 'Jeder Pirat hat eine Privatmeinung. Das Grundgesetz sagt, er darf sie auch äußern.' In seinem Blog schreibt er, das Problem der Piraten seien nicht 'die Bodos' - sondern diejenigen, die rechte Mitglieder aus der Partei werfen wollten. Wer nämlich nicht bereit sei, mit Nazis zu reden, sei 'dem Nazitum näher als er glaubt'.
 (Hanna Beitzer SZ, 18. April 2012)
Tja, in dem Punkt weiche ich ausnahmsweise mal ab vom meinem Parteitaktik-Credo: 
Wer mit Rechtsradikalen kungelt ist für mich unwählbar.


Der Landesvorsitzende der Berliner Piraten, Hartmut Semken [….]  hatte in einem Blog-Eintrag Neonazi-Gegner in seiner Partei kritisiert und eine rigorose Abgrenzung gegenüber Rechtsextremisten indirekt abgelehnt. Nun fordern mehrere Mitglieder des Berliner Landesverbands, darunter ein Abgeordneter der Fraktion im Abgeordnetenhaus, Semkens Rücktritt.
[….]  Zu den Initiatoren gehören die Piraten Philip Brechler und Stephan Urbach und das Fraktionsmitglied Oliver Höfinghoff. Ein weiterer Piraten-Abgeordneter unterstützte die Forderung, erklärte aber, sich aus der öffentlichen Debatte zunächst heraushalten zu wollen. [Wie jämmerlich ist das denn? - T.]  
[Semken wies]  Vorwürfe, er würde mit seinen Äußerungen Rechtsradikale zu den Piraten locken, scharf zurück. "Ich weigere mich aber, auf Menschen mit rassistischem Gedankengut allein mit Verachtung und dem Aufruf des Fertigmachens zu reagieren", so Semken weiter, "denn das stärkt sie nur weiter."
[….]  Für den Bundesvorstand, den die Piraten am übernächsten Wochenende in Neumünster küren wollen, kandidiert etwa der Berliner Dietmar Moews. Der 61-Jährige hatte während der Debatte um Günter Grass in einem Videoblog über das "Weltjudentum" schwadroniert. Antreten darf er trotzdem.

Ja, sicher, die Piraten befinden sich in der Anfangsphase und es ist legitim eine neue Partei aufzubauen. 

Dies haben aber Grüne und WASG geschafft ohne je den geringsten Zweifel aufkommen zu lassen, wie sie gegenüber Neonazis, Rassisten, Antisemiten und Homophoben eingestellt sind.

Und das ist auch das Mindeste, das ich von einer neuen Partei erwarte,

Piraten, setzen, sechs.

·        



(*) Der Lackmustest: Fand eine Anpassung auf landesspezifische Forderungen statt? Welche Transferleistung ist erkennbar?
Einige Beispiele:
  1. Unvollständige Übernahme
    In dem Kapitel Transparenz mit der hintersinnigen Überschrift: „Geheimnis war gestern“ wird der Abschnitt „Transparenz bei Besetzung von Ämtern“ vollständig aus dem Programm Baden-Württemberg übernommen. In dem abgekupferten Abschnitt heißt es im Original unter anderem:
    Wir fordern eine Verbesserung der Transparenz bei der Besetzung von Ämtern und öffentlichen Aufsichtsgremien. Darunter fallen zum Beispiel die Beigeordneten in großen Kreisstädten oder Verwaltungsräte. (…)
    Warum auch immer aus den „großen Kreisstädten“ in der Kieler Fassung „Städten“ wurde – die in Schleswig-Holstein nicht bekannten kommunalen „Beigeordneten“ und „Verwaltungsräte“ blieben erhalten – und stehen nun sinnfrei im Text herum.
  2. Falscher Begriff
    Bei der kurz darauf folgendenTransparenz in der Kommunalpolitik“ liegt das Programm in der eigenen(!) Formulierung knapp daneben:
    „Wir setzen uns dafür ein, (…)  dass von den jeweiligen Sitzungen der Kreistage und der Stadt- und Gemeinderatssitzungen Live-Streams erfolgen (…).“
    Okay. In Schleswig-Holstein heißt das Gemeinde- oder Stadtvertretung. Für den Außenstehenden mag sich das kleinlich anhören, für Kommunalpolitiker ist das wichtig.
  3. Unreflektierte Übernahme
    Ländle pur findet sich bei der geforderten „Transparenz im Haushalt des Landes“. Nur scheint es, dass die in Baden-Württemberg offenbar zu beklagende Flucht aus dem Budget in „überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanzierte Stiftungen“ nicht auf Schleswig-Holstein übertragbar ist. Denn hier im Lande können wir schon seit einiger Zeit eher eine Abkehr von Stiftungsunwesen erkennen, etwa jüngst bei der Auflösung der Innovationsstiftung.
  4. Falsche Behauptung
    Im Abschnitt Mehr Bürgerbeteiligung – weniger Hürden bei Volksbegehren werden die einleitenden Absätze aus dem Muster(vorlagen)ländle übernommen. Kurz bevor es dann in die freie Formulierung überbegeht, steht hier wie dort:
    „Zum Unterschreiben müssen sich die Bürger in amtlichen Eintragungsräumen einfinden.“
    Nein, müssen sie nicht. Es mag sein, dass das in Baden-Württemberg so ist. In Schleswig-Holstein ist das nicht so. § 16 Absatz 1 Volksabstimmungsgesetz: „Die Eintragung in Eintragungslisten oder Einzelanträgen kann in amtlichen oder nicht-amtlichen Räumen sowie anderen Örtlichkeiten stattfinden“. Und das müssen Piraten in Schleswig-Holstein bitte auch wissen, sie sind Bündnispartner von Mehr Demokratie e.V. und unterstützen sie bei vielen Gelegenheiten.
  5. Doppelt falsch
    Der in Baden-Württemberg gebürtige SatzIn Schleswig-Holstein ist für Kinder mit besonderem Förderbedarf das Risiko einer Sonderschuleinstufung und der daraus folgenden Ausgrenzung aus dem Regelschulbetrieb im internationalen Vergleich besonders hoch.” ist im Schleswig-Holsteiner Programm gleich doppelt falsch: Wie zuletzt der „Chancen-Spiegel“ der Bertelsmann-Stiftung zur Bildungsgerechtigkeit zeigte, ist Schleswig-Holstein auf diesem Gebiet bundesweit führend: Nur 2,9 Prozent aller Schüler sind hier vom Regelschulsystem ausgeschlossen und werden gesondert in Förderschulen unterrichtet (Bundesdurchschnitt: 5,0 Prozent). 49,9 Prozent aller lern- oder körperbehinderten Schüler besuchen eine reguläre Schule. Diese Quote liegt mehr als doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt.
  6. Längst eingelöste Forderung
    Zur Abwechslung das Wahlprogramm Mecklenburg-Vorpommern. Eingepfercht zwischen zwei Abschnitten aus dem dortigen Programm steht der Satz: „Wir wollen durch eine Änderung des Landesbeamtengesetzes Schleswig-Holstein erreichen, dass auch in Schleswig-Holstein der Generalstaatsanwalt kein politischer Beamter mehr ist“. Tolle Idee. Der Satz kommt nur vier Jahre zu spät: Der Generalstaatsanwalt ist in Schleswig-Holstein seit 2008 kein politischer Beamter mehr.
  7. Mechanische Anpassung
    Der schon bei der LINKEN kritisierte Mechanismus, in einem Text die Bezeichnung des Bundeslandes auszutauschen, findet sich auch bei den Piraten: Etwa bei der Begrenzung des Missbrauchspotenzials der Leiharbeit: „Wir wollen, dass das Land Baden-Württemberg Schleswig-Holstein dazu eine entsprechende Initiative im Bundesrat startet.“ Könnte jemand bitte mal abgrenzen, inwieweit das ein Monat nach der Wahl in Baden-Württemberg beschlossene (Bundes)Gesetz zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung da schon was von erledigt hat?
  8. Artefakt in der Überschrift
    Beim Thema Studiengebühren wird der Eingangssatz aus Baden-Württemberg übernommen, dann aber eigenständig weitergeschrieben. Das ist auch dringend nötig. Denn in Baden-Württemberg kann man die Studiengebühren abschaffen – in Schleswig-Holstein mangels Masse nicht. Und dann fordert keine Partei derzeit ihre Einführung. Nur: wäre es da nicht konsequent gewesen, auch die Überschrift „Abschaffung von Studiengebühren“ anzupassen?
  9. Verkehrte Welt
    Der Atomausstieg. Der Satz “Der Tendenz der Landesregierung, Umweltpolitik einseitig mit … der Förderung der Atomenergienutzung zu verbinden und diesen unterzuordnen, treten wir entschieden entgegen” war im Mappus-Ländle des Jahres 2011 entschieden richtig. Nur in Schleswig-Holstein ist er, nicht erst seit Fukushima, Unfug. Schon die auf Bundesebene beschlossene Laufzeitverlängerung wurde von der Landes-FDP, die traditionell in der Atomkraft einen eigenen Kurs fuhr, stark kritisiert. Beim Umschwenken von CDU und FDP nach der Fukushima-Katastrophe waren die beiden Landesparteien eher treibende Kraft als „einseitige Förderer“ der Atomenergie. Man kann der Landesregierung im Land der drei nordelbischen Atommeiler sicher viel vorwerfen – aber Atomlobbyismus a la Mappus nun wirklich nicht.
  10. Überraschende Probleme
    In Baden-Württemberg müssen – ernsthaft jetzt – schlimme Verhältnisse herrschen, wenn man das von dort stammende KapitelPersönlichkeitsrechte der Schüler und Lehrer achten“ durchliest. In Schleswig-Holstein bleibt der Inhalt ein Fremdkörper: Private Sicherheitsdienste spielen an den Schulen in Schleswig-Holstein keine Rolle. Forderungen danach erinnere ich keine. Und natürlich muss sich in Schleswig-Holstein kein Schüler einer Urinuntersuchung oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen. Dafür fehlte es im Schulrecht übrigens auch an jedweder rechtlichen Grundlage.
  11. Fehlende Fehler
    Die Forderung „Widerspruchsverfahren gegen Behördenentscheidungen und -bescheide (…) in allen Gesetzen und Verordnungen beibehalten bzw. wieder einzuführen“ überrascht. Dort, wo es abgeschafft wurde, waren eigentlich alle dafür. Und hier heißt es zu Schleswig-Holstein: „Derzeit liegen keine Erkenntnisse über einen eventuell beabsichtigten Ausschluss des Widerspruchsverfahrens vor“. Profi-Tipp: In der gleichen Übersicht kann man sehen, wo die Forderung zutrifft …
(13. April 2012 Swen Wacker)