Dienstag, 27. März 2012

Verlässlichkeit.




Im Amerikanischen Wahlkampf gibt es gewisse Hürden, über die erst mal JEDER Kandidat hinüber muß.
 Wer sich auch nur einmal nicht 100%ig eindeutig in diesen Fragen bekennt, ist völlig chancenlos. 
Ein potentieller potus muß überzeugter Christ sein, die Todesstrafe unterstützen, uneingeschränkte Solidarität mit Israel schwören und selbstverständlich offensiv für das Recht Waffen zu tragen eintreten.

Insofern ist es für Europäer müßig sich über die entsprechenden Bekenntnisse des gegenwärtigen US-Präsidenten zu echauffieren. 
Hätte er diese vier Punkte nicht klar bejaht, wäre er nicht Präsident; simple as that.

In Deutschland ist das viel differenzierter. 
Generell sind zwar Flipflopper ähnlich unbeliebt wie in Amerika, aber es herrscht dabei weniger Ideologie. 
Spitzenpolitiker können ungeheuer beliebt sein, auch wenn sie eben noch für die allgemeine Wehrpflicht waren und nun dagegen argumentieren. 
Oder wenn sie bis gestern die Atomkraft für absolut unverzichtbar hielten und Stunden später das diametrale Gegenteil verkünden.

Außerdem gibt es zwischen Kiel und Freiburg weniger parteiübergreifende Axiome. 
Man kann nicht als Atheist CDU-Kanzler werden. 
Als Sozi geht das schon.

Richtig vereint steht das deutsche Volk eigentlich nur beim Tempolimit, welches unbedingt verteufelt werden muß. 
Natürlich ist das unlimitierte Rasen ökologischer, ökonomischer und gesundheitlicher Schwachsinn und deswegen auch in allen anderen Ländern der Erde verboten. 
Für die Dumpfdeutschen ist es aber ein Nationalheiligtum, an das sich kein Wahlkämpfer wagen würde, der ernsthaft daran interessiert ist Kanzler zu werden.

Was den Amerikaner Guns and God ist, bedeutet uns der Bleifuß.

Ansonsten sind Obamas Landsleute aber durchaus offen für die Zukunft und nehmen Neuerungen neugierig zur Kenntnis. Technik ist was Gutes.

Anders zwischen Elbe und Donau, wo man sich möglichst den alten Status Quo erhalten will. 
Reformen werden gefürchtet und daher haben Kanzler-Figuren wie Kohl oder Merkel einen riesigen demoskopischen Vorteil. 
Sie strahlen ein „es wird schon nicht so schlimm werden“ aus. 
Die adipösen Regierungschefs wirken schon optisch völlig phlegmatisch. Undenkbar, daß ein Kohl oder eine Merkel wie andere Spitzenpolitiker joggten oder ihre drahtigen Körper zur Schau stellten.

Sie sind eher die Gemütlichen, die dem Urnenpöbel keinen Anlass geben aus seinem geistigen Phlegma aufzuschrecken.

Ein Vorteil, den man nicht kleinreden sollte, denn in Wahrheit haben die CDU-Kanzler durchaus mal große Veränderungen gebracht. 
So schaufelte Kohl den USA im Jahr 1991 ganz nebenbei 18 Milliarden D-Mark als Kostenbeteiligung für den Irakkrieg zu und fällte schließlich sogar die Entscheidung die heißgeliebte D-Mark zu Gunsten des Euros aufzugeben. 
Und Merkel treibt es noch viel doller - durch ihren aberwitzigen ZickZack- und Hinhaltekurs hat sie die Eurorettungsaktion zigfach verteuert. 
Ihr abstruses Spardiktat würgt die Konjunkturen diverser Nationen ab.
 So ein Rezept hätte sie nie für Deutschland gewollt. Hier reagierte sie 2008/2009 völlig gegenteilig auf die Krise; nämlich mit gewaltigen Ausgaben-Orgien, zwei dicken Konjunkturpakten und Geldrauswurfmaßnahmen wie der Abwrackprämie.

Die Chaotisierung der europäischen Finanzarchitektur durch Wolfgang Schäuble und Angela Merkel folgt einer Grundregel, die SPD-Fraktionsgeschäftsführer Oppermann heute sehr schön auf den Punkt brachte, nachdem der eben noch endgültig auf maximal 218 Milliarden Euro begrenzte Haftungsrahmen von Merkel doch auf 280 Milliarden aufgeblasen wurde.

Wieder einmal, so Oppermann, komme das "Merkel'sche Gesetz" zur Anwendung: Je vehementer die Kanzlerin etwas ausschließt, desto sicherer ist, dass es später doch eintritt. Der Ärger der Genossen erscheint verständlich, denn es ist beileibe nicht das erste Mal, dass Merkel in der Schuldenkrise eine Position revidiert. Im Gegenteil: Die meisten Bundesbürger haben angesichts des Hü und Hott längst den Überblick verloren. Sie registrieren nur noch, dass die Summen, für die sie einstehen sollen, immer astronomischer werden und dass mittlerweile halb Europa auf ihre Kosten zu leben scheint. Wut, Frust und Missverständnisse haben ein Maß erreicht, das geeignet ist, die Demokratie in ihren Grundfesten zu erschüttern.    Die Hauptschuld daran trägt die Kanzlerin, der es nicht gelingt, mit den Bürgern so zu kommunizieren, wie es die Schwere der Krise von ihr verlangt. Keine Fernsehansprache, keine Rede zur Lage der Nation, stattdessen Gemauschel in Hinterzimmern nebst anschließender Kurskorrektur.

Griechenlandumschuldung, Wehrpflicht, Atomkraft, Mehrwertsteuer, Gesundheitsreform - wohin man auch blickt; man kann sich stets darauf verlassen, daß das was die Kanzlerin als absolut alternativlos einnordet doch nicht kommt, sondern eher das Gegenteil dessen angepeilt wird.

Ich kann eine gewisse Bewunderung für Frau Merkel nicht verhehlen. 
Nicht für ihre ständigen Kurswechsel, aber doch für die konsequente Enteierung und Rückgrat-Ektomierung ihrer Partei: Die nicken einfach alles ab.
Die MPEE, die Merkelsche Polit-Enteierung, ist mittlerweise ein recht gewöhnliches Machtmittel der CDU-Vorsitzenden geworden.

Ihre Operationstechnik ist nach wie vor nicht bekannt, aber in informierten Kreisen wird gemunkelt, daß Merkel mit ihrem Voodoo-haft und manischem SMS-Tippen auf magische Weise die Testikel ihrer Konkurrenten über UMTS restlos wegschrumpfen läßt.

Die Unionsfraktion macht die Wendung von Kanzlerin Merkel, die Rettungsschirme ESM und EFSF für eine gewisse Zeit parallel laufen zu lassen, mit. […]
Die Unionsfraktion im Bundestag hat sich mit großer Mehrheit hinter die Pläne der Regierung für eine vorübergehende Aufstockung der Euro-Rettungsschirme gestellt. In der Sitzung habe es nur vier Gegenstimmen gegeben, hieß es aus Teilnehmerkreisen.

Für eine Partei, nach deren Selbstverständnis Finanz- und Wirtschaftspolitik Kernkompetenzen darstellen, ist das durchaus bemerkenswert. 
Das ist in etwa so, als ob Ratzinger der Kurie eröffnete, daß sie nun alle zum Buddhismus überträten, er seinen langjährigen Freund Georg Gänswein ehelichen wolle und dann alle nickend zustimmten.

Anderswo fliegen Farbbeutel oder es werden Vorsitzende im Handstreich weggerockert.
 Nicht so bei Merkel. Sie könnte auch eine Fusion mit der Linken, den Austritt aus der Nato und ein Verbot der Kirche anordnen und ihre Truppen würden achselzuckend akzeptieren.