Mittwoch, 21. März 2012

Nobby in der Patsche…

 
Dabei lief es so lange so gut für den Bundesumweltminister. 
Genau wie seiner Chefin gelang es Norbert Röttgen lange Zeit alles und auch das Gegenteil dessen zu behaupten und dennoch von einer freiwillig nahezu gleichgeschalteten Presse gehyped und gelobt zu werden.
Es ist ähnlich wie beim Lügenbaron, der auch grundsätzlich nur begeistert in den Himmel gehoben wurde, obwohl er als Politiker rein gar nichts zustande bekommen hatte und für keinerlei Themen stand.

Zum Gegelten gibt es weitere Parallelen. Beide sind Juristen und beide betrachten die konkrete politische Arbeit, das Aktenfressen und die vielen Gremiensitzungen als überflüssiges Tamtam.

Auch hierin ähnelt er dem Fränkischen Freiherrn, der erst ganz lange Zeit gar nichts tat und dann beim Bundeswehrumbau ein derartiges Chaos stiftete, daß Nachfolger de Maiziere heute noch damit beschäftigt ist hinter dem Polit-Messie aufzuräumen.

Bekannt geworden als Sozi-fressender Industrielobbyist - Röttgen wollte 2007 BDI-Chef werden und setzte als Minister sofort den strammen Atom-Lobbyisten Gerald Hennenhöfer für die Reaktorsicherheit ein - schaffte es Röttgen gleichzeitig als „Klimaqueen 2.0“ das umweltpolitische Gewissen der CDU zu geben.

Dank vollständiger Rückgrat-Ektomie winkte er die Atomlaufzeitverlängerung durch und sprach über den Ausstieg aus dem Atomausstieg wegweisend-pathetische Worte:

'Das ist das anspruchsvollste, konsequenteste Energie- und Klimaprogramm', hat er gesagt. Ein großer Wurf, ein 'Meilenstein'. Ja, Meilenstein. So genau hat das Norbert Röttgen vorgetragen im blassblauen Ambiente der Bundespressekonferenz. Kein Jahr ist das her, an großen Worten herrschte kein Mangel. Das Kabinett hatte gerade eine Verlängerung der Laufzeiten durchgesetzt, angeblich samt Durchbruch für den Ökostrom. Vor den Hauptstadtjournalisten priesen die beteiligten Minister ihr grandioses Konzept. 'Jetzt schnüren wir den Rucksack und machen uns auf den Weg', sagte Rainer Brüderle, damals noch der Wirtschaftsminister. Weit kamen sie nicht.
(Michael Bauchmüller, SZ, 07.06.2011)

Nur ein paar Monate später traten dieselben Leute ihr Konzept in die Tonne, vollführten eine 180°-Wende und preisen jetzt de facto das rot-grüne Ausstiegskonzept, welches sie in den zehn Jahren zuvor in Bausch und Bogen verdammt hatten.

Wer es unter Merkel zu etwas bringen will, wer als Hoffnungsträger gelten will, der muß so wie Röttgen jede beliebige Haltung und das Gegenteil dessen einnehmen.
Der muß ein herzliches Desinteresse für seinen eigentlichen Job, als NRW-Vorsitzender und Ministerpräsidentin Krafts Gegenspieler aufbringen.

Röttgen sei "nebenerwerbstätiger Landesvorsitzender", der "ab und zu als Tourist" zwischen Rhein und Weser auftauche, höhnt nicht nur der grüne Landtagsfraktionschef Reiner Priggen. Auch an der CDU-Basis wächst der Ärger über "Merkels Besten", der nach Fukushima die Energiewende der Kanzlerin verkaufen muss. Röttgens Landes-CDU präsentiert sich oft chaotisch. Der Parteichef wollte den ersten regulären Haushalt der rot-grünen Minderheitsregierung von SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft durch eine Klage vor dem NRW-Verfassungsgericht stoppen und so Neuwahlen erzwingen. Sein Statthalter Laumann dagegen hat Neuwahlen abgeschrieben.
[…] "Die CDU ist intern völlig konfus aufgestellt", sagt deshalb auch ein Landtagsabgeordneter der FDP, mit der die Christdemokraten bis 2009 regiert haben. "Die Führung der Partei ist ungeklärt." Was der Liberale verschweigt: Seine Partei ist in keiner besseren Lage. Auch ihr Landeschef Daniel Bahr sitzt als Gesundheitsminister in Merkels Kabinett im fernen Berlin.
(Andreas Wyputta 29.05.2011)

Tja und dann kam der Tag, an dem die NRW-FDP versehentlich Selbstmord beging und mit offenem Munde die eigene Blödheit bestaunend mal eben zum ungünstigsten Zeitpunkt Neuwahlen auslöste.
NRW! Das liegt derzeit aber gerade so gar nicht auf der Agenda des Röttgen.

Er ist dermaßen von sich selbst begeistert, daß ihm Parteifreunde nachsagen, er betrachte seine zukünftige Amtszeit als Bundeskanzler lediglich als Sprungbrett zum Job des Uno-Generalsekretärs und der Weltherrschaft.
Der von Ehrgeiz zerfressene Minister hat sich immer wieder als rückgratlos erwiesen - auch wenn er verzweifelt versucht einen gegenteiligen Eindruck zu hinterlassen. 

Persönlich scheint der Umgang mit Röttgen mehr als schwierig zu sein; es ist ein offenes Geheimnis, daß ihn seine mächtigen Parteifreunde aus dem NRW-Landesverband -  Pofalla, Hintze, Bosbach, Gröhe und Mißfelder - hassen wie die Pest.
Röttgen gilt ihnen als viel zu abgehoben und unzuverlässig. 
Genau aus diesem Grunde kandidierte er auch für den NRW-Landesvorsitz. Um endlich eine Hausmacht zu haben und sich in der Partei zu verankern. 

NRW ist dabei ideal für Röttgens Zwecke; da es sich dabei erstens um den größten und mächtigsten Landesverband handelt und dieser zweitens praktischerweise in der Opposition ist, so daß man als Landeschef nicht tatsächlich gezwungen ist in Wanne-Eickel und Gummersbach herum zu krauchen.

Und nun das. 
Nur wegen der blöden FDP, die in der zweiten Lesung nicht dem rotgrünen Haushalt zustimmen wollte, muß Röttgen nun in die Landes-Liga absteigen.
 Schlimm genug, daß er Wahlkampf machen muß, aber sich von der großen Bühne in Berlin zu verabschieden, um dann als Oppositionsredner in Düsseldorf mit Frau Löhrmann zu streiten, ist für Röttgen ähnlich demütigend, als wenn man Ratzinger zum Priesterseminarist degradieren würde.

Das kommt für den Umweltminister gar nicht in Frage.
 Er behält seine Rückfahrtkarte.

Röttgen scheut das volle Risiko – und beraubt sich dadurch aller Aussichten auf einen Meinungsumschwung an Rhein und Ruhr. Auch potenzielle CDU-Wähler mögen keine Vollkasko-Politiker. „Muttis Klügster“ scheint nichts aus dem Schicksal Norbert Blüms gelernt zu haben: Der damalige Bundesarbeitsminister hatte 1990 auch nur im Falle eines Wahlsiegs nach Düsseldorf gehen wollen – und musste sich dafür von SPD-Ministerpräsident Rau als Kandidat auf der Durchreise verspotten lassen. Blüm bescherte der CDU das zweitschlechteste Ergebnis in der NRW-Geschichte.
Doch Röttgen bleibt sich treu: Wagemutig ist er nur mit Netz und doppeltem Boden. So war es schon 2006, als er nur unter der Bedingung, sein Bundestagsmandat behalten zu können, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie werden wollte.

Und ausgerechnet dem ewig vagen Röttgen fallen nun seine eigenen Worte auf die Füße.
 Sauerei; seit wann interessiert sich hier jemand dafür was man früher mal geschwätzt hat?

Mit einer so schnellen Neuwahl in Nordrhein-Westfalen rechnete wohl auch Norbert Röttgen nicht. Sonst hätte er sich wohl kaum vor einem Jahr als frisch gewählter CDU-Landesvorsitzender so festgelegt: "Darum möchte ich Ministerpräsident werden, darum bin ich zu umfassender landespolitischen Verantwortung bereit und werde dort dienen, wo die Partei mich hinstellt, damit da kein Zweifel entsteht."
Zu dumm, daß die Partei nun genau das von ihm will; nämlich ihn nach Düsseldorf stellen.

Das läßt sich Merkels Atomminister aber nicht gefallen.
 Sich selbstlos in den Dienst einer Sache zu stellen, ist seine Sache nicht. Röttgen interessiert nur Röttgen und dann kommt ganz lange nichts. Nach Düsseldorf will er nicht.

Ein gefundenes Fressen für den politischen Gegner: SPD-Chef Sigmar Gabriel lästerte über Röttgen: "Er scheint sich nicht für Nordrhein-Westfalen entscheiden zu wollen, sondern immer nur für den nächstanstehenden Karriereschritt und ich glaube, seine CDU-Bundesvorsitzende sollte ihm mal erklären, dass die Kandidatur für das wichtigste Amt in der Politik des Landes Nordrhein-Westfalen den vollen Einsatz bedeuten muss." Röttgens Verhalten zeige, "dass er die Wahl eigentlich schon verloren gegeben hat."
Nicht nur das Herr Gabriel!

Röttgen will noch nicht mal als MP nach Düsseldorf. Landespolitik ist völlig unter seiner Würde. Daher betätigt er sich jetzt auch aktiv dabei die ohnehin schlechten Wahlchancen der CDU weiter zu minimieren.

Röttgen vollendet den Fehlstart.
 Ein erster Auftritt in Düsseldorf, ein echter Knaller für das Schattenkabinett - und schon hätte die Debatte um Norbert Röttgen verstummen können. Soweit die Theorie. Doch der Spitzenkandidat der NRW-CDU präsentierte eine weitgehend unbekannte Frau für eine recht unbedeutende Position. Die Pannenserie im Wahlkampf geht damit weiter.
[…] Es ist - gelinde gesagt - ein suboptimaler Start für Röttgen in diesen überraschenden Wahlkampf. Am Morgen gab es vernehmlich viele Stimmen in der Landtagsfraktion, die Röttgens Kurs nicht nachvollziehen können. […]  
Inzwischen wird Röttgen mehr und mehr zum Ziel von Spott: Im Netz kursieren von FDP-Mitgliedern zusammengeschusterte Plakate, auf denen "der Norbert" als Feigling dargestellt wird. Es sind Witze im Umlauf, wonach Röttgen einer sei, der den Lottoschein erst bezahlen wolle, wenn er sechs Richtige sicher habe.
Da die neueste NRW-Umfrage die CDU inzwischen sechs Prozentpunkte hinter der SPD sieht (33:39) und die Fünfprozenthürde für die FDP unerreichbar hoch sein dürfte, muß sich Röttgen nicht grämen; seine Chancen die um Längen populärere Hannelore Kraft als Ministerpräsidentin abzulösen, sind minimal.

Er muß nur die Zeit bis zum 13.Mai aussitzen und kann dann weiter auf Bundesebene spielen gehen.

Und nur für den Fall, also FALLS der Urnenpöbel tatsächlich so doof sein sollte aus unerfindlichen Gründen einen CDU-MP in die Düsseldorfer Staatskanzlei zurück zu wünschen, hat Nobby II noch ein Ass im Ärmel:
Selbst bei einem CDU-Wahlsieg ist es unwahrscheinlich, daß Angies Umweltminister seinen Job wechseln muß; denn dazu müßte er Mitglied des NRW-Landtags sein! 
Aber ob Röttgens tiefroter Wahlkreis das ermöglicht?

Wer Bonn kennt, der kennt Bernhard "Felix" von Grünberg. Der Anwalt gehört praktisch zum Inventar der ehemaligen Bundeshauptstadt. Das liegt auch an seiner Profession: das Mietrecht. Seit 1971 hält er Woche für Woche eine kostenlose Sprechstunde für Mieter im Alten Rathaus der Stadt Bonn ab. So manche seiner Wähler dürften sich schon über einen guten Rat von ihm gefreut haben. Grünberg sitzt mit einem Direktmandant des Wahlkreises Bonn I im Landtag. Nicht unwichtig in diesem Zusammenhang: Von Grünberg sitzt dort für die SPD.
[…]  Jetzt bekommt Lokalmatador Grünberg einen prominenten Herausforderer: Kein Geringerer als Bundesumweltminister Norbert Röttgen, Spitzenkandidat und Landeschef der NRW-CDU will ihm seinen Wahlkreis abspenstig machen. Wobei an der Sache mit dem "wollen" durchaus Zweifel aufgekommen sind. […] 
In früheren Interviews hatte Röttgen versprochen, er werde mit Haut und Haaren für NRW streiten. Der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung sagte Röttgen 2010: "Es entspricht nicht meinem Politikverständnis, mir pausenlos den Kopf darüber zu zerbrechen, was taktisch für mich gerade von Vorteil sein könnte. Ich stelle mich der wichtigen Aufgabe, die nordrhein-westfälische CDU zu führen. Da ist es selbstverständlich, auch für die Spitzenkandidatur bei der nächsten Landtagswahl und als Ministerpräsident oder Oppositionsführer zur Verfügung zu stehen."
Bisher deutet alles darauf hin, dass ihn sein Geschwätz von 2010 nicht mehr interessiert. […]  
Für den nicht ganz unwahrscheinlichen Fall also, dass das Bonner Urgestein Bernhard von Grünberg seinen Wahlkreis auch diesmal gewinnt und SPD und CDU wie erwartet in etwa gleichauf aus der Wahl hervorgehen, kann Röttgen noch so sehr Ministerpräsident werden wollen: Ohne Mandat geht das nach der Landesverfassung nicht.