Dienstag, 28. Februar 2012

Fußball



Die Sportart, die ich wirklich außerordentlich gerne mag (=ansehe! Nicht praktiziere) ist SUMO. 

Es ist eine Individualsportart, bei der die eigentliche Entscheidung innerhalb von Sekunden fällt.

Dennoch beinhaltet dieses urjapanische Kräftemessen eine über tausend Jahre alte Tradition, ein höchst kompliziertes Regelwerk und ausgefeilte Rituale, die schon beim dohyō-iri dem westlichen Zuschauer so fremdartig erscheinen.
Natürlich spielt auch Sportpolitik eine große Rolle, da die Sumotori in extrem hierarchischen Beyas (Kampfställen) organisiert sind, deren Mitglieder traditionell bei Turnieren nicht gegeneinander kämpfen.

Allein die „Banzuke“, also die offizielle Rangliste der rund 800 Rikichi (Kämpfer), die nach jedem Basho (Turnier) erstellt wird, ist ein echtes Kunstwerkt.

Nach strengen Regeln werden die 800 Namen in sechs verschiedene Ligen unterteilt, die sich wiederum in Ost- und West gliedern.
 Jede Liga verfügt über einzelne Rangstufen, wovon die begehrtesten Titel selbstverständlich die Sanyaku-Ränge (die besten der obersten Division, der Makuuichi-Liga) sind, die wiederum in Komusubi, Sekiwake, Ozeki und Yokuzuna unterteilt sind.

Es gibt zwar genaue Vorschriften, wie man die Ränge erlangt, aber auch unausgesprochene Traditionen. So kann der König des Sumo, der Yokozuna (eine Auszeichnung, die nur alle paar Jahre von einem Rikichi erreicht wird) nicht mehr aberkannt werden. 
Es wird aber „erwartet“, daß sich ein Yokuzuna „freiwillig“ zurück zieht, wenn er keine überragenden Leistungen mehr bringt.

Dem nichtjapanischen Zuschauer wird also durchaus einiges an Hintergrundwissen abverlangt.

Auch die scheinbar extrem kurzen und simplen Kämpfe werden mit 82 grundlegenden traditionellen Techniken bestritten, die wiederum in Gruppen unterteilt sind.
 Techniken, die je nach Rang mehr oder weniger ehrenvoll sind.

Hatakikomi, bei dem der Sieger dem anstürmenden Gegner ausweicht, indem er zur Seite springt und ihm dann so auf den Kopf schlägt, daß er zu Boden geht, wird vom Publikum bejubelt, wenn ein nieder-rangiger Maegashira damit einen Ozeki besiegt.
Bedient sich hingegen ein Yokuzuna gegen einen sehr viel schwächeren Gegner dieser sehr erfolgreichen Technik, wird er unweigerlich ausgebuht, weil es als feige gilt.

Es war der traurigste Tag meines Lebens als der ebenso kenntnisreiche, wie humorige Sumo-Kommentator Alexander von der Groeben verkündete, Eurosport werde die sechs Bashos in Zukunft nicht mehr übertragen. 

Noch heute träume ich voller Wehmut von meinen Lieblingen Asashoryu und Kotomitsuki.

Sehr viel populärer als Sumo ist weltweit der Fußball.

Dabei handelt es sich um einen Mannschaftssport und das vereinfacht es der Masse Sympathien zu verteilen.
 Man muß keine einzelnen Spieler, keine Charaktere kennen, um mit zu fiebern, sondern kann einfach den primitivsten nationalen oder lokalen Instinkten frönen. 
Tradition, komplizierte Techniken oder undurchschaubares Regelwerk sind ebenfalls nicht vorhanden.
Man kann einfach dem Geräuschpegel lauschen und der causa auch noch ausreichend folgen, wenn man 12 Bier intus hat und zwischendurch ein paarmal auf Klo geht.

Ich glaube, daß die grundsätzliche Primitivität der Schlüssel zum Erfolg des Fußballs ist.

Zwar ist es mir (vermutlich wegen meiner amerikanischen Staatsbürgerschaft) unverständlich, wieso 22 Menschen nur so derart eingeschränkt agieren dürfen (keine Würfe, kein Tragen des Balles, …) und gewissermaßen als behinderte Armlose spielen müssen, aber dennoch würde ich nach 90 Minuten genügend mitbekommen haben, um in der Kantine am nächsten Morgen „mitreden“ zu können.

Fußball bietet den unschlagbaren Vorteil, daß sich jeder Gehirn-Einzeller, der ein Stündchen am TV-Schirm verbracht hat, als Experte fühlen kann.

Daher entstehen immer und überall heiße Diskussionen über Fußball - weil jeder sich einbildet mitreden zu können. Der alte Gag von den "82 Millionen deutschen Nationaltrainern" ist noch aktuell.

Hierin besteht auch der große Unterschied zu Honorar-System der kassenärztlichen Vereinigung, zum ESM-Eurorettungsmechanismus und den Fortschritten des „Partnering“ zwischen Nato und Afghanischer Armee - alle drei Themen sind zwar sicherlich wichtiger als Fußballergebnisse, aber eben auch viel zu kompliziert, um von mehr als einem Prozent des Urnenpöbels verstanden zu werden.

Obwohl seit zig Jahren der Umbau des Gesundheitssystems diskutiert wird und das auch noch jeden etwas angeht, kann nur eine winzige Minderheit der Bürger erklären wie sich die Konzeptionen der Parteien (also Prämienmodel und Bürgerversicherung) unterscheiden. 

So kommt es, daß ein so ungeheuer wichtiges und extrem teures Thema bei Wahlen kaum eine Rolle spielt und am Ende unverfrorene Pharma-Lobbyisten wie Rösler oder Bahr auf dem Sessel des Bundesgesundheitsministers sitzen.

Es tut mir natürlich Leid, daß so enorm viel Zeit mit Fußball verschwendet wird, die meiner Meinung nach sinnvoller investiert wäre, indem man Wahlprogramme der Parteien studierte.

Das spricht aber nicht grundsätzlich gegen Fußball.

Langweile und Einfachheit sind keine moralischen Kriterien. Ebenso wenig würde ich mich daran stören, wenn Milliarden Menschen sich dabei ergötzten Wandfarbe beim Trocknen zuzusehen.

Ich habe aber auch grundsätzliche Einwände gegen den heutigen organisierten Fußball.

Es stört mich, daß „ich als Steuerzahler“ (um auch mal eine der beklopptesten Floskeln zu benutzen) den gigantischen Sicherheitsaufwand mitbezahlen muß.

"30 Prozent der bayerischen Bereitschaftspolizei machen nichts anderes mehr als Fußballeinsätze", sagt [Polizeigewerkschaftschef Rainer] Wendt. Er erneuerte seine Forderung nach einer Kostenbeteiligung der Deutschen Fußballliga (DFL) und des DFB. 115 Millionen Euro koste der Polizei-Einsatz während einer Saison. "Meine Forderung nach einer Beteiligung von 50 Millionen Euro ist geradezu ein Freundschaftspreis", sagt Wendt.
Bislang fand der DPolG-Chef dafür keinen Zuspruch in der Politik. "Doch die Front bröckelt", sagt er. In Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern will Wendt Bewegung wahrgenommen haben. "Es ist unerträglich, wenn 17-jährige Balltreter Millionen-Verträge unterzeichnen, aber für 20-jährige Polizisten meist kein Geld da ist, um ihre Überstunden anständig zu bezahlen", sagt Wendt.

Die sieben- und achtstelligen Summen, die Fußballspieler verdienen können, sind eigentümlicherweise ohnehin nie Gegenstand der deutschen Neidkultur.

Selbst ein Mann wie Michael Schuhmacher, der in besonders niederträchtiger Weise sein Vermögen von mittlerweile fast einer Milliarde Euro schon 1996 in die Schweiz geschafft hat, weil er keinen einzigen Groschen Steuern in Deutschland zahlen will, wird hoch geschätzt.

Berühmtestes Beispiel ist hier natürlich der Autorennfahrer Michael Schumacher. Er hat ein jährliches Einkommen von 100 Millionen Franken und ein Vermögen von nahezu einer Milliarde. Trotzdem zahlt er in Vufflens-le-Château (VD) nur 2 Millionen Franken Steuern pro Jahr. Er sagte offen: „ An der Schweiz hat mich gereizt, dass ich ein vernünftiges Steuerabkommen aushandeln konnte. In Deutschland sind sie ja selber dumm, wenn sie mir kein Angebot machen und dafür gänzlich auf meine Steuergelder verzichten.“       (Bankentest.ch)

Dagegen wird ein Bundesminister, der im Jahr so viel verdient wie Schuhmacher an einem Tag und zudem auch noch ordentlich fast die Hälfte seines Verdienstes zu Gunsten der deutschen Allgemeinheit hierzulande versteuert, sehr oft als raffgierig angesehen.

Politikern wird grundsätzlich missgönnt.

Anders als Rainer Wendt würde ich neben den großverdienenden Spielern auch noch die echten Profiteure nennen.
Natürlich verdienen auch die Trainer viele Millionen im Jahr, aber das richtige Geld wandert an die Funktionäre von DFL, DFB und FIFA.
Es war eine komplizierte Fernsehrechtevergabe, die der Deutschen Fußball-Liga (DFL) im November 2008 am Ende 1,65 Milliarden Euro für den Zeitraum 2009 bis 2013 brachte. Ein exklusives Vermarktungsmodell mit einer Leo Kirch nahe stehenden Firma - drei Milliarden Euro für sechs Vertragsjahre - scheiterte am Veto des Bundeskartellamtes.
 Solche Summen werden jedes Mal fällig, wenn EM, WM, Champions League, DFB-Pokal, Bundesliga oder Olympiade im TV übertragen werden.

Allein der kleine Ableger Champions League kostet einen Sender mindestens 50 Millionen Euro im Jahr.

Eine halbe Milliarde Euro prassen ARD und ZDF nur für Sportgroßveranstaltungen in der laufenden Saison raus - ohne Bundesliga und den anderen alltäglichen Wahnsinn. Und es soll noch teurer werden.
Demnach wollen ARD und ZDF für die Übertragung der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien 210 Millionen Euro bezahlen. Hinzu kämen Produktionskosten in Höhe von 30 Millionen Euro.
Für die Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich wollen beide Sender 160 Millionen Euro auf den Tisch legen, für die Produktion weitere 20,5 Millionen Euro.
Für die Rechte an den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro im selben Jahr seien sie bereit, 80 Millionen Euro hinzulegen.
 Ich gebe zu; hier überkommt mich dann doch der Neid, wenn ich bedenke wie sehr die Sendungen, die mir gefallen (also die Politmagazine beispielsweise) zugunsten von billigeren Trash-Talkformaten zusammengeschnitten werden.
Informationen, nein danke - lautet das Motto der öffentlich-rechtlichen Sender.

ARD und ZDF wäre dringend angeraten die Milliarden nicht mehr für die Sportrechte herauszuprassen, sondern teure Sportereignisse nur noch im Pay-TV zu zeigen. 
Dann würde der Normalbürger GEZ sparen und wer Fußball gucken will, sollte dann auch
Selbst die Kosten aufbringen.

Wer weiß, vielleicht lassen sich dann bald gar nicht mehr solche aberwitzigen Summen von den Vermarktern erzielen. Ich glaube allerdings nicht, daß Blatter und Zwanziger deswegen bald am Bettelstab gehen müssten.

Die Finanzen sind der Grund dafür, daß mir Fußball ungerecht erscheint.

Richtig unsympathisch wird mir Deutschlands liebster Sport aber durch das Pack, welches er als sogenannte „Fans“ anzieht.

Skinheads, Raufbolde und Hooligans, die bei Ballkontakten schwarzer Spieler anfangen wie Schimpansen zu grölen, die bis heute so homophob agieren, daß sich kein einziger Profi weltweit geoutet hat, die zudem auch ungeniert xenophob und antisemitisch agieren.

Es ist einfach nur widerlich, welch braun-rechte Gewalt im Umfeld von Fußball entsteht.

Ilkay Shechter, ein Spieler vom 1. FC Kaiserslautern kann davon ein Lied singen.
Nach dem 0:4 (0:3) der Pfälzer am Samstag im rheinland-pfälzischen Derby beim FSV Mainz 05 war die Regenerationseinheit der Profis von rechtsradikalen Gesten und antisemitischen Beleidigungen gegen den israelischen FCK-Profi Itay Shechter überschattet worden.
Eine Gruppe von knapp zehn Personen, die laut FCK-Sprecher Christian Gruber seit Jahren Stadionverbot hat und einer alten Hooliganszene angehört, war offenbar dafür verantwortlich. Die vor Ort befindlichen Polizisten hatten nach Angaben Grubers aus „deeskalierenden Gründen“ auf eine Entfernung der Personen vom Stadiongelände verzichtet.
(MoPo 27.02.12)

Was kosten wohl Sumo-Übertragungsrechte pro Jahr?