Samstag, 18. Februar 2012

Das Zerrbild

In einer meiner allerersten Vorlesungen über organische Chemie verliebte sich der Professor geradezu in die extrem feste Fluor-Kohlenstoffbindung. 
Ich weiß noch wie er die Unkaputtbarkeit der damals noch üblichen „FCKW“s in den Spraydosen beklagte und dann am Beispiel des Teflons erläuterte, wie man diesen Effekt auch positiv nutzen könne. 
Das Polytetrafluorethen wurde schon in den 1930er Jahren entdeckt und da es fast absolut inert ist, also mit fast keiner aggressiven Chemikalie reagiert, lag der technische Nutzen als Schutzbeschichtung nahe. 
An Polytetrafluorethen bleibt einfach nichts haften und es reagiert auch kaum auf Druck oder Temperaturen. 

Während der Professor so vor sich hinschwärmte, kam er plötzlich ins Grübeln und fragte sich, wieso eigentlich die Pfannen seiner Frau irgendwann von innen braun aussähen.
 Wie schaffe es seine Frau TEFLON zu einer chemischen Reaktion zu bewegen? 
Der arme Mann kam völlig aus dem Konzept, weil sein eigener Gedanke nicht zu dem passen wollte, was er buchstäblich ex cathedra lehrte.

Mein frecher Banknachbar rief dann ungeniert dazwischen:
 „He, Herr Professor, ich weiß ja nicht womit IHRE Frau üblicherweise kocht, aber ich verwende in Pfannen oft Öl oder Butter. Die Pflanzenfette sind weniger stabil und werden irgendwann braun!“

Da lag des Rätsels Lösung. 
Die Frau des Hochschullehrers würde vermutlich irgendetwas in die Pfannen hineintun und nicht einfach nur die Beschichtung bewundern.

Damit haben wir ein anderes Szenario. 

Wirft man alle möglichen organischen (tierischen oder pflanzlichen) Stoffe auf eine mehrere hundert Grad heiße Teflonoberfläche, bruzzeln und verschmoren sie zu einem Haufen braunen Mist, der dann auf der Teflonbeschichtung liegt.

So geht es auch Frau Merkel. 
Sie selbst bleibt zwar in der öffentlichen Meinung unbeschädigt, aber es bilden sich eine Menge unansehnlicher Rückstände an ihrer Kanzlerschaft.

Wulff-Krise perlt an Teflon-Merkel ab.
[….] Sie genießt hohe Popularitätswerte und hat auch die CDU auf 38 Prozent hochziehen können. Dies alles geschah, obwohl Wulff seit Wochen Negativschlagzeilen lieferte.
Doch die Regierungschefin wurde nicht mit dem Präsidenten assoziiert. Vielleicht, weil sie persönlich als klarer Gegenentwurf zu Wulff anzusehen ist. Merkel wirkt eher asketisch als glamourös. Dass Gratisurlaube oder Upgrades sie locken könnten, glaubt niemand. Außerdem hält sie ihr Privatleben so weit wie möglich im Hintergrund. Während Wulff seine Familie als Teil seines politischen Programms inszenierte, sind Bilder der Kanzlerin mit ihrem Mann ausgesprochen rar.
   Darüber hinaus ist entscheidend, dass Merkel beinahe überparteilich erscheint. Die europäische Krisen-Politik lässt die Kanzlerin in erster Linie als kluge Sachwalterin erscheinen, weniger als eine parteipolitische Taktiererin.

Die Politikerin, die wie keine andere NUR taktiert und dabei Sachfragen und internationale Notwendigkeiten immer hinter ihr taktisches Interesse anstellt, gilt als ehrliche Haut, die nicht taktiert und sich internationalen Großaufgaben stellt.

Dabei hat Merkels Aufschieben der rechtzeitigen Griechenlandhilfe, nur damit ihre CDU bei der NRW-Wahl 2010 bessere Chancen hat, erst dazu geführt, daß es jetzt so teuer wird, daß man gar nicht schnell genug neue Rettungsschirme aufspannen kann.

Ja, BILD und FAZ haben gegen Wulff geschossen, aber Merkels wichtige Freundinnen Friede Springer und Liz Mohn sorgen dafür, daß die Kanzlerin selbst nur in hellsten Farben dargestellt wird.


Angela Merkel wirkt in ihrer zweiten Regierungszeit sakrosankt. Die Presse verweigert jegliche kritische Auseinandersetzung mit ihr, die Demoskopen vermelden im Wochentakt neue Rekord-Umfragewerte und noch nicht einmal die größte Oppositionspartei hat die Traute, sich im kommenden Wahlkampf mit der Kanzlerin anzulegen. Inhaltlich lässt sich der grassierende Merkel-Hype nicht nachvollziehen, ist ihre Regierungsbilanz doch mehr als durchwachsen. Dies alles erinnert eher an ein fiktives Wunderland, das vor Paradoxen und Absurditäten nur so strotzt.    Man kann einen Menschen, der sich standhaft weigert, seine Positionen mit der Realität in Einklang zu bringen als „starsinnig“ bezeichnen – man könnte jedoch auch das freundlichere Wort „prinzipientreu“ verwenden. Wer sich weigert, Entscheidungen zu treffen, wird gemeinhin als „entscheidungsschwach“ bezeichnet – meint man es gut mit ihm, benutzt man lieber den Begriff „eisern“. Doch wann haben Sie zuletzt einen Zeitungsartikel gelesen, der Angela Merkel als starrsinnig und entscheidungsschwach beschrieb? Glaubt man den Medien, ist die Kanzlerin nicht verbohrt, unbelehrbar, uneinsichtig, borniert, halsstarrig oder obstinat, sondern rigide, apodiktisch, bestimmt, disziplinarisch, resolut, rigoros, unbeugsam, unerbittlich, und unnachgiebig. Sie merken es bereits, all diese Begriffe beschreiben mehr oder weniger dasselbe, unterscheiden sich jedoch in der Konnotation und die Medien sind emsig bemüht, der Kanzlerin nur positive Konnotationen zuzuschreiben. Seit 1945 gab es wohl keinen deutschen Politiker, der von der hiesigen Presse derart unkritisch begleitet wurde.

Als eine der Ausnahmen präsentiert sich heute die Süddeutsche Zeitung, die in einem Gemeinschaftsartikel mehrerer Autoren mit Hilfe einer fiktiven Merkel-Rede immerhin andeuten, was die Kanzlerin öffentlich tun sollte, wenn sie denn ehrlich wäre.

Am Freitag um 11.31 Uhr tritt Angela Merkel im Kanzleramt vor die Presse. Sie hat Köhler ausgesucht. Vorbei. Sie hat Wulff ausgesucht. Vorbei. Sie sagt: 'Guten Tag.' Dann: 'Es tut mir leid, dass ich durch meine Auswahl eines Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten unser Land zum zweiten Mal vor große Probleme gestellt habe' - quatsch, natürlich sagt sie das nicht. In Wahrheit sagt sie erst einmal nur 'Guten Tag'.
(SZ 19.02.12)

Tja, Merkel und ehrliche Antworten?
Das ist in der Tat „Quatsch“!

Angela Merkel weiß, dass sie in den nächsten Tagen mit Spott überschüttet wird. So wie Wulff selbst die Zitate über die Verfehlungen anderer vorgehalten werden, zum Beispiel sein seinerzeit als Ministerpräsident beklagtes angebliches körperliches Leiden an der Befangenheit seines Vorvorgängers Johannes Rau, so werden Merkel nun ihre Zitate über Wulff vorgehalten. Er werde ein 'wunderbarer' Bundespräsident sein, sagte sie, als sie ihn im Juni 2010 zum Kandidaten gekürt hatte. Und noch vor einer Woche sagte Merkel, Wulff werde 'sein Amt als Bundespräsident zum Wohl unseres Landes weiter so ausfüllen, wie er es in den ersten eineinhalb Jahren seiner Amtszeit schon getan hat'.
(SZ 19.02.12)

Selbst wenn die Kanzlerin mit Spott überschüttet werden würde - woran ich nicht glaube - könnte es der Teflonfrau egal sein; denn es bliebe nichts an ihr kleben.

Die Regierungschefin, die wie keine je zuvor ihre Versprechen bricht und heute das Gegenteil dessen tut, was sie gestern noch als „alternativlos“ darstellte (Abschaffung der Wehrpflicht, Schuldenerlass Athen, Durchhalteparolen an Guttenberg und Wulff, AKW-Laufzeitenverlängerung /Abschaltung, etc pp),  löste zwar schon den ein oder anderen shitstorm aus, der ihr Kabinett heimsuchte, aber sie selbst wird verehrt und geachtet.

Deutsche Wähler, doof.